talk

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Müde stehe ich an einem trüben Nachmittag hinter dem Tresen und wasche das Geschirr ab. Der gestrige Schlafentzug steht mir deutlich in das Gesicht geschrieben und doch stehe ich hier und arbeite. Was habe ich denn für eine Wahl? Ich brauche das Geld.

Stimmen und das Gelächter von Menschen dringen an mein Ohr, doch ich achte gar nicht mehr auf die Lautstärke, die hier Tag zu Tag herrscht, daran habe ich mich schon lange gewöhnt, sondern sehe aus dem Fenster und führe mein tun abwesend durch.

Für jemanden der Menschen hasst und meidet, führe ich meinen Job ziemlich in Ordnung aus und doch habe ich mir den falschen Job ausgesucht. Bloß hatte ich damals keine andere Wahl, als diesen, in dem schlichten Restaurant, anzunehmen. Für jemanden der ein Studium nicht absolviert hat, ist das noch ein ziemlich gutes Angebot, in dieser überfüllten Stadt, namens Seoul, in der man ohne richtigen Studienabschluss nur sehr schwer gute Arbeit kriegt.

"Yoongi! Tisch vier möchte bestellen. Könntest du bitte ihre Bestellung aufnehmen, ich bin gerade beschäftigt.", sagt mein Kollege gestresst, wessen Name ich schon lange aufgegeben habe mir zu merken und flüchtet schon wieder. Seufzend lasse ich das Geschirr liegen, wische meine Hände ab, um die Bestellung von dem besagten Tisch aufzunehmen.

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Der Tag nimmt seinen gleichgültigen, gewohnten Lauf. Ich komme nach Hause, setze mich auf die Couch und lausche dem Regen, der an die Scheibe des Fensters klopft, als wolle er hinein brechen. Ich drehe meinen Kopf zum Fenster, nur um die trüben Wolken am Himmel zu sehen.

Ich erhebe mich von der Couch und trete an das Fenster. Unwillkürlich muss ich an den Jungen von Gestern denken und mich erfüllt wieder diese Ruhe, die mich gestern Nacht mit ihm ergriffen hatte. Ob er wohl jeden Tag, um so eine späte Uhrzeit, an diesen Ort kommt?

Schnell schüttel ich diesen Gedanken aus meinem Kopf. Ich weiß nicht, was in mich gefahren war. Ich will keinen Kontakt zu Menschen, egal wie Interessant sie auch wirken mögen. Meine Präsenz ist mir genug.

Ob ich diesen Ort denn überhaupt wieder finden würde?

Ich verfluche meine Gedanken dafür, dass man sie nicht abschallten kann und trete seuftzend von dem Fenster weg, um in die kleine Küchenecke zu gehen und mir Essen zu machen. Ich öffne den fast leeren Kühlschrank und muss feststellen, dass ich wieder einkaufen sollte. Mit einem Joghurt gehe ich zurück zu der Couch, denn mehr brauche ich nicht.

Nun schaue ich wieder aus dem Fenster und genieße den Regen. Mich ergreift wieder diese Leere, die ich willkommen heißen muss, denn etwas anderes kenne ich schon lange nicht mehr.

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Unruhig erwache ich aus meinem Schlaf. Die Dunkelheit umschlingt mich mit ihren dunklen klauen und droht mich mit zu verschlingen. Ich knipse meine Nachttischlampe an und schaue auf den Wecker. Es ist zwei Uhr morgens. Wieso passiert mir das in letzter Zeit so oft? Sonst schlafe ich wie ein Stein.

Normlerweiße würde ich einfach liegen bleiben und versuchen wieder einzuschlafen, aber dieses mal ist es anders. Mich zieht es hinaus, zurück zu dem Ort, an dem mich die Ruhe fand.

Mit einem seuftzen setze ich mich auf und schaue aus dem Fenster. Sollte ich jetzt wirklich aufstehen, zu dem Ort gehen, wobei ich mir nicht mal sicher bin, ob ich ihn überhaupt wieder finde? Ein Teil streubt sich dagegen jetzt aufzustehen und in das Ungewisse zu gehen, aber der andere Teil will unbedingt wieder zurück.

Mein Körper wehrt sich mit allen Mitteln dagegen, als ich schließlich doch aufstehe, eine Hose über meine Boxershorts ziehe, eine Jacke anziehe und raus gehe. Die Kapuze ziehe ich mir wie üblich tief in das Gesicht und gehe den Weg, den ich letztes mal gegangen bin.

Ich komme an der Brücke an, aber ich bin viel zu sehr darauf fokussiert den richtigen Weg wieder zu finden, um stehen zu bleiben und die Brücke zu beachten. Ich gehe und gehe den Weg entlang und hoffe, dass dieser der Richtige ist.

Meine Sorge wird mir abgenommen, als ich schließlich die kleinen, fast verborgenen Einbiegung erblicke. Ich bleibe stehen und runzle die Stirn. Was ist wenn er da ist? Sollte ich wieder verschwinden? Aber ich bin schon so weit gekommen und wollte ich nicht eigentlich unbewusst eben diesen Jungen sehen? Hoseok? So hieß er doch? Normerlweiße entgleiten mir die Namen gleich sofort, wie das Wasser durch Steine sickert, aber dieser Name, die Stimme, die diesen Namen gesagt hatte, brennt mir noch immer im Kopf und hinterlässt eine brennende Wunde, die nach mehr schreit.

Es verwirrt mich. Ich kenne ihn erst seit, nun, Vorgestern und anstatt ihn wegzustoßen, wie alle anderen vor ihm auch, schließe ich ihn in die Arme. Ich kann nicht sagen, was mit mir los ist. Vielleicht ist er einfach eine Abwechslung von meinem Altag, die ich sehr brauche.

So gehe ich also weiter und komme auch schon bald an dem Ort an. Tatsächlich, da liegt er in dem Rasen, welcher von dem Regen noch nass ist und hat die Augen geschlossen. Dieser Anblick lässt die Innere Ruhe wieder in mir aufkommen, welche ich mit großem Vergnügen in mich aufnehme.

Ich trete näher und setzte mich vorsichtig neben ihn. Der feuchte Rasen ist unangenehm und doch lasse ich es einfach über mich ergehen und mustere den Jungen neben mir. Er hat den Kopf auf seine Arme abgelegt und sieht seltsam friedlich aus. Er scheint zu schlafen, denn seine Gesichtszüge sind entspannter als das etztes mal und seine Brust senkt und hebt sich gleichmäßig. Fasziniert betrachte ich ihn weiter und muss feststellen, dass er ziemlich attraktiv aussieht. Seine rotbraune Haare wirken in dem Mondlicht fasst schwarz und seine Haut ist so rein und sanft. Mich überkommt das Verlangen sie zu berühren, doch halte ich mich zurück. Was ist nur los mit mir?

Ich schaue schnell weg und räuspere mich unbewusst, was ihn wohl aus seinem friedlichem Schlaf reißt, denn er schlägt mit einem mal die Augen auf. Ich sehe ihn überrascht an und auch er sieht mich an. Seine Augen weiten sich und sein Mund steht offen. Er setzt sich auf und schaut mich, ebenso wie ich ihn, verwirrt an.

Plötzlich schleicht sich ein Grinsen auf seine Lippen. "Du bist also wieder gekommen. Hätte ich nicht erwartet.", sagt er. Einen Moment überlege ich, was ich sagen soll, denn ich hatte auch nicht erwartet, dass ich wieder komme. Schließlich zucke ich einfach mit den Schultern und schaue auf den See hinaus. "Der Ort gefällt mir.", sage ich schließlich und gebe mir innerlich recht, bloß, dass es nicht der einzige Grund ist, weshalb ich wieder gekommen bin.

Ich sehe ihn, aus dem Augenwinkel, nicken. "Ja dieser Ort hat wirklich etwa schönes an sich.". Aus seiner Stimme höre ich etwas liebevolles heraus, so als hätte er mit diesem Ort eine tiefsitzende Verbundenheit.

"Was gefällt dir an diesem Ort so sehr?", frage ich ihn aus Neugier. Ich habe zur Abwechslung mal den Drang eine Unterhaltung mit jemandem zu führen, was mich selbst überrascht.

"Ist das nicht offensichtlich? Hier kommt niemand hin. Hier ist man alleine und kann ganz abschalten. Naja bis jetzt jedenfalls.", sagt er und schaut mich für einen Augenblick an. Ich sehe ihn auch an. In seinen Augen glaube ich einen Anflug von Amüsiertheit zu sehen, die aber wieder so schnell verschwindet, dass ich beinah denke, sie mir eingebildet zu haben. "Auch", fährt er fort und richtet seinen Blick wieder auf den See, "liebe ich die Lage dieses Ortes. Hier sind so viele Bäume, sie schützen dich vor Blicken und doch hast du eine freie Sicht auf den Himmel. Manchmal sehe ich so viele Sterne am Himmel, dass ich glaube zu träumen.", sagt er verträumt und lacht leise. Ich staune. Ich habe noch nie eine Person gesehen, die so liebevoll von etwas gesprochen hat. "Außerdem finde ich den Kirchblütenbaum wunderschön. Ist er nicht toll? Er steht hier ganz alleine, gehört nicht zu den anderen Bäumen, er hat eine faszinierende Individualität, von der manche Menschen nur so träumen."

Ich schaue den Baum an, der ganz alleine dort steht und traurig und verlassen scheint und doch merke ich, was er damit meint. Der Baum strahlt eine Individualität aus und ist wunderschön, was seine Einsamkeit wieder nicht so tragisch macht. Aber er ist eben nur ein Baum, kein Mensch.

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Night Talks | Yoonseok ShortstoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt