➵Prolog

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Dieses Jahr war Finnick an der Reihe mit einem Interview. Es war damals vor den 66. Hungerspielen, und da es süss und herzzerreissend aussah, durfte ich auch dabei sein.
Mit albernden Fragen von Caesar Flickerman zugetextet werden und dann immer lieb & nett antworten.
Ich war damals 10 Jahre alt gewesen, war verdammt nervös vor so vielen Leuten auf einer Bühne zu sitzen & angestarrt zu werden als wäre ich ein kleines Hunde-Baby.
Die Stylisten hatten mir ein hellblaues, glitzerndes Kleid ausgesucht, indem ich, ihrer Meinung nach, wie eine kleine, wunderschöne Meerjungfrau aussah.
Ich erinnere mich nur noch verblasst daran, was Caesar alles für Fragen gestellt hatte, während Finnick immer charmant lächelnd antwortete. Er brachte das Publikum zum lachen, zum nachdenken und zum schluchzen.
Ich bewunderte ihn so sehr dafür.
Es war gerade mal ein Jahr her dass er in den Spielen gewesen war..

Aber an eine, ganz bestimmte Frage, naja eher an einen Satz, erinnerte ich mich noch ganz genau. Dieser eine Satz, der mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt hatte.

"Na dann wollen wir doch mal hoffen, dass vielleicht sogar auch die kleine Melody so erfolgreich in den Hungerspielen sein wird wie ihr grosser Bruder!"

Ich war noch zu jung um es wirklich zu verstehen was Caesar (aka das Kapitol, aka Präsident Snow) damit sagen wollte, was der Sinn dahinter gewesen war.
Ich dachte es sei nur so ein Satz, aus Spaß.
Aber es war kein Spaß.
Mein Bruder verstand es sofort.
Was für ein Drama, was für ein wunderschönes Szenario wäre es, wenn die kleine Schwester vom legendären Finnick Odair ebenfalls in die Spiele müsste?
Was für Tränen & Spannung würde das in den Leuten vom Kapitol auslösen?
Und die Zettelchen im Lostopf verändern konnten die Spielemacher ja eh so wie sie möchten.
Das perfekte Szenario für die Hungerspiele.

Gleich am nächsten Tag nach dem Interview weckte mich mein grosser Bruder früh am morgen. Zuerst maulte ich, ich wolle weiterschlafen aber als er sagte, es sei wichtig, stand ich schliesslich auf & zog mich an.
Wir gingen zusammen in unseren Garten im Dorf der Sieger, Finnick legte mir ein Wurfmesser in die Hand und sah mir in die Augen.
"Es geht nicht anders, Mely. Wir müssen dich für die Spiele trainieren, hörst du? Du musst jetzt stark sein. Du musst immer stark sein, okay? Du darfst niemals aufgeben! Niemals."
Ich erinnerte mich noch nur zu gut an die Tränen in den ozeanblauem Augen meines Bruder.
Ich erinnerte mich wie diese Sätze ihn zerrissen hatten.

Und er trainierte mich.
Er lehrte mich, wie man kämpft und wie man in der Natur überlebt.
Natürlich war es am Anfang schwierig für mich und ich fragte meinen Bruder oft warum ich nicht einfach ins normale Karriero-Training des Distriktes gehen konnte. Darauf antwortete er immer, dass man dort nicht die richtigen Sachen lernte & dass er es mir viel besser beibringen konnte.
Natürlich war ich bis dahin noch nicht wirklich oft zum Karriero-Training gegangen, da es ja nicht wirklich realistisch war, dass ich gezogen wurde.
Aber mit diesem einen Satz stiegen meine Chancen ums hunderfache, dass ich irgendwann in die Spiele musste.
Also trainierte ich, trainierte und trainierte.
Tag für Tag.
Woche für Woche.
Jahr für Jahr.
Und ich wurde immer wie besser.
Wie präziser.
Und wie gefährlicher.

Melody Odair - 73. Hungerspiele Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt