Unsere erste Begegnung. Nicht mal ein Jahr Lebenszeit ist das her. Dreieinhalb Jahre gelebte Zeit. Und es fühlt sich trotzdem an als wäre das nie nicht passiert. Als hätte es jemals eine andere Realität gegeben, jemals einen anderen Plan, eine andere Zukunft. Schon schräg welche Momente die entscheidenden sind.
Eine Weile hörte ich nichts von ihm. Nichts Ungewöhnliches geschah, nichts womit man nicht hätte rechnen können. Schule, Lernen, ein, zwei Partys, ein, zwei Besäufnisse. Und die Schule war immer noch nicht vorbei.
Als er wieder auftauchte bohrten sie noch immer. Ich hatte den Traum längst als Folge der Hitze abgetan, als Nebenwirkung von Schlafmangel und Lethargie erklärt. Als es wieder passierte. Dieses Mal allerdings im Denkbar schlechtesten Moment.
Ich war während der Matheklausur auf die Toilette gegangen. Meine Gedanken fixiert auf eine schier unlösbar Aufgabe, an der sämtliche Schüler meines Lks zu scheitern schienen. Ich saß auf der Schüssel und dachte nach, starrte die Klotür an, auf der auch nach dem dritten frischen Anstrich noch die Zeugnisse der fünf Vergangenen Generationen Schüler zu lesen waren, die hier vor mir gesessen hatten. Wieder und wieder umkreisten meine Gedanken die Formulierung, die sowenig Sinn ergeben wollte.
Im Intervall 50<x<120 gibt es zwei Werte x die sich um 60 unterscheiden und für die alle Funktionswerte identisch sind. Bestimmen sie die Werte.
Dazu eine Funktion vierten Grades. Yay.
Während ich mir also das Hirn zermarterte wie zur Hölle ich zwei dieser großartigen Funktionen durcheinander teilen sollte fielen mir einfach die Augen zu. Von einer Sekunde auf die andere schien mein Körper beschlossen zu haben das es eine wundervolle Idee wäre unter Zeitdruck auf dem Klo einzuschlafen. Danke sehr.
Im vollen Bewusstsein das dies nicht nur falsch, sondern gänzlich unmöglich war, fand ich mich an einem Schreibtisch wieder. In einer weißen Umgebung. Wo auch sonst.
Panik ergriff mich und ich erinnerte mich das ziemlich genau dieses Szenario schon mal Gegenstand einer meiner Albträume war. Ich schreibe eine Klausur und schlafe einfach mitten drin ein. Ohne jede Vorwarnung. Nur das ich in diesem Traum auch in der Klausur mehrfach nach Hause gelaufen war. Und meine Lehrerin mir folgte. Egal. Das hier war jedenfalls real. Ich war wirklich während einer Klausur eingeschlafen. Großartig.
Und jetzt saß ich hier. An einem Tisch in einem weißen Raum. Vielleicht sollte ich mich kneifen. Es konnte doch nicht sein das ich im Wachzustand einfach so eingeschlafen war. Oder ich schlief schon länger und träumte erst jetzt?
„Hrmhrm" das Räuspern hinter mir ließ mich zusammen fahren. „Wir regen uns jetzt aber nicht wieder auf oder?"
Die Stimme kam mir bekannt vor. Seltsam bekannt.
„Ich will sie nicht lange aufhalten. Ich weiß, sie stecken mitten in der Prüfung."
Nein. Das konnte nicht wahr sein. Ich hatte nie wiederkehrende Träume von Rätselhaften Fremden. Wieso auch? War sowas nicht ein Anzeichen dafür das man unbewusste Traumata verarbeitete oder sowas?
„Halloo" er schnipste mit Daumen und Ringfinger der linken Hand vor meinem Gesicht herum. Wer schnipst denn schon mit dem Ringfinger? Ich wüsste gar nicht wie das gehen sollte.
„Hrmhrm" er räusperte sich schon wieder. „Es tut mir wirklich leid sie dabei zu stören. Wenn sie Nachts ein bisschen fokussierter denken würden wäre ich mit Freuden früher und zu einem weniger störenden Zeitpunkt wiedergekommen."
Hä? Ich glotzte ihn schon wieder einfach nur blöd an statt irgendetwas erwidern zu können.
„Na schön." Er seufzte. Jetzt klang er nicht mehr als würde es ihm besonders leid tun. „Da sie uns so wenig Möglichkeiten geben mit ihnen in Kontakt zu treten versuchen wir es jetzt mal anders. Hier vor ihnen auf dem Tisch finden sie die Lösung der Aufgabe über die sie nun schon so lange nachgrübeln. Und nein, sie sind nicht von selbst darauf gekommen."
Der Tisch vor mir war leer. Was sollte das. Irritiert starrte ich weiter. Ungeduldig bedeutete er mir mit einem Nicken vor mich auf die faserige Tischplatte zu schauen. „Aber da ist ni-„
Okay. Definitiv genauso seltsam wie der letzte Traum. Tatsächlich lag dort vor mir die Lösung der Aufgabe die seit einer halben Stunde Kreise durch meinen Kopf drehte. „Das sieht tatsächlich richtig aus." Scheinbar konnte ich das ganze irgendwie doch unbewusst lösen. Gut das ich eingeschlafen war.
„nein." Verwirrt schaute ich auf, bemerkte das der Typ immer noch vor mir stand. „Das hast du nicht selbst gelöst. Glaub mir. Wenn du dich auch nur ein kleines bisschen dafür interessierst warum wir beide hier sind solltest du heute Abend versuchen deine Gedanken zu fokussieren. Dann sehen wir weiter."
Und er war verschwunden. Ich saß wieder auf dem Klo. Und rieb mir kopfschüttelnd die Augen. Ich war eindeutig verrückt geworden.
Dann stand ich auf, rannte so schnell ich konnte in den Raum zurück und schrieb die Lösung der Aufgabe nieder. Gar nicht so schwer. Eigentlich. Dann fiel mein Blick auf die große Uhr über der Tafel. Ich war keine 10 Minuten weg gewesen.
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Träumer
Teen FictionTräumer, der; 1. jmd., der sich wenig an der Wirklichkeit und mehr an seinen Wunschvorstellungen orientiert. 2. Jmd., der (oft) geistesabwesend ist. 3. ?