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Die roten Flecken, die auf der Wasseroberfläche tanzen, erinnern mich an Blut. Einen Moment lang starre ich wie hypnotisiert darauf, bis mich das Klingeln meines Handys aus meinen Gedanken reißt. Genervt schleudere ich das Geschirrtuch auf die Ablage neben der Spüle. Meine Hände sind klatschnass und total rau von dem vielen Wasser, ich muss sie erst abtrocknen, bevor ich mein Handy herausziehe.
"Ja?"
"Schätzchen! Alles Ok?"
Meine Mum. Ich verdrehe die Augen und versuche, meiner Stimme nicht allzusehr anmerken zu lassen, wie genervt ich von ihren ständigen Kontrollanrufen bin. Es gelingt mir aber nicht wirklich.
"Jahaa alles ok"
"Du brauchst gar nicht so genervt zu klingen,junge Dame! Ich mache mir nun mal Sorgen um dich!"
"Mum! Berlin ist NICHT hinter dem Verdammten Mond!"
"Pah! Was weißt du denn schon von der Welt mit deinen.."
"Ich weiß, wie alt ich bin, Mama!", unterbreche ich sie.
"Na dann. Ich muss los. Bis später."
"Dein Ernst?! Das war's jetzt?!"
"Ja, war noch was?", fragt sie unschuldig.
"Du bist unfassbar", sage ich wütend.
"Du auch. Tschüss, Mäuschen."
"Ja ja, Tschüss"
Ich lege auf und schleudere das Handy in die Ecke. Außer für die paar WhatsApp Nachrichten die ich schreibe, brauche ich es eh nicht. Seit dem Umzug nach Berlin, der jetzt schon fast 3 Wochen zurückliegt, ruft sie mich mindestens dreimal pro Tag an, nur um sich zu vergewissern, dass ich noch nicht verreckt bin. Gut, ich dürfte eigentlich da keine Witze drüber machen, ich weiß wie schnell das geht, ich habe fast täglich damit zu tun. Ich muss raus hier. Ich schnappe mir das Handy und einen Schlüssel. Dann steige ich einfach in den nächsten Bus den ich finde und lasse mich auf einen freien Fensterplatz fallen. An der nächsten Station steigen zwei Typen ein. Der eine ist ziemlich groß, bestimmt zwei Meter und hat mega viele Tattoos auf Armen, Beinen und Händen. "Ich fass es nicht, dass wir grade Bus fahren müssen!", sagt er zu dem anderen. Der hat hohe Wangenknochen, ist ebenfalls groß, allerdings kleiner als der andere und hat auch ein paar Tattoos. Er trägt eine schwarze Cap, weshalb ich nichts von seinen Haaren erkennen kann. "Chill, Bruder. Das eine mal wirst du glaub ich überstehen!", sagt er lachend. Der große setzt sich neben mich, der andere auf die andere Gangseite. Ich Seufze innerlich auf. Immer hocken sich alle zu mir. Seh ich so nett aus?! Ich glaube nicht! Ich nehme mein Handy und kaufe mir bei Google Play einen Film, einfach aus Langeweile.
"Gute Wahl", sagt der Typ neben mir auf einmal.
"Tatsache?", frage ich.
Er grinst. "Ich find ihn gut."
"Na dann vertrau ich mal deinem Urteil..."
"John", beendet er meinen Satz. "John", wiederhole ich. "Das kann ich mir glaub ich merken." "Hörst du Deutschrap?", fragt er wuf einmal. "Ne. Ich hör gar keine Musik. Hat..berufliche Gründe." "Berufliche Gründe?", fragt er verwirrt. Ich muss lachen. "Ich bin Rettungssanitäterin", erkläre ich ihm grinsend. "Und wenn dann im Radio irgendein Lied läuft, verbindet man dann halt oft ziemlich beschissene Erinnerungen mit dem Lied." Er nickt verständnisvoll. "Ach so." Einen Moment lang schweigen wir. "Wohnst du hier in Berlin?", fragt er. "Ja. Aber noch nicht lange, ich kenn quasi niemanden", grinse ich. "Ich wohn eigentlich in Hamburg, aber Raf hier" John zeigt auf den anderen, "der wohnt hier in Berlin." "Cool." "Ja aber..ich muss jetzt aussteigen. Ich bin noch die ganze Woche in Berlin..vielleicht sieht man sich ja mal?", sagt er. "Unwahrscheinlich", antworte ich grinsend. "Stimmt", lacht er. "Gib mir doch einfach deine Nummer!", schlägt er vor. Ich gebe sie ihm und er verspricht sich zu melden.
"Bis bald!", ruf die Jungs mir noch zu, dann verschwinden sie. Ich muss grinsen. Das verspricht ziemlich lustig zu werden.

Anthrazit (RAF Camora bzw. 1raf7) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt