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Kapitel 1

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❦ |Herzlich Willkommen

bei meiner Geschichte "Kalopsia"!
Danke dafür, dass ihr dieser eure Aufmerksamkeit widmet. Ich wünsche euch ganz viel Spaß beim Lesen!

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↬| K A P I T E L  1 |↫

~Oder das Kapitel, in dem meine Welt noch in Ordnung war~

Ich rückte meine großen Kopfhörer mit verstärktem Bass zurecht, erhöhte die Lautstärke ein wenig und schloss meine Augen, spürte das Abbremsen, Beschleunigen und Hin- und Herrappeln des Busses. Dann öffnete ich die Augen wieder und betrachtete die vorbeirauschenden Blätter der Bäume, durch welche sich sanfte, warme Sonnenstrahlen kämpften. Ich betrachtete die Häuser, Vorgärten und Menschen, die allmählich ihr Zuhause verließen.

Ich sah nach draußen, aber vor meinem inneren Auge sah ich auf ein anderes Bild. In meinen Gedanken driftete ich ab, zu einem weit entfernten, einsamen Ort, welcher nur in meinem Kopf existierte. Dort saß ich dann, mit einem Schreibblock, einem Füller mit dicker Feder und dunkler Tinte, der auf dem Papier kratzte und dicke, geschwungene Linien hinterließ.

Irgendwann kam der Bus zum stehen und riss mich aus meiner Gedankenwelt. Geduldig wartete ich, bis die Masse an Schülern ausgestiegen war und betrat dann ebenso das Schulgelände.

Musikhörend ging ich zu meinem Schließfach, ordnete die Sachen darin, machte mich auf den Weg zum Unterricht und folgte den Ausführungen der Lehrer wie immer ziemlich aufmerksam. Ich mochte es, mir ordentliche Notizen zu machen und fast jede gestellte Frage beantworten zu können. Besonders Englische Literatur genoss ich, meine Leidenschaft für Poesie und Wörter aller Art in jeder Stunde unübersehlich mitschwingend.

Es war ein ganz normaler Schultag, eine ganz normale Mittagspause und ein ganz normaler Nachmittag mit den anderen Schülern aus der AG der Schülerzeitung. Wenn unser Lehrer Mr. Jefferson nicht da war, übernahm ich die inoffizielle und unausgesprochene Position als Leiterin der AG.

Gut gelaunt betrat ich unseren Raum, unser kleines Reich der Kreativität und gewissenhaften Recherche, den Raum unseres perfektionistischen Schreibens. Er war mit einem großen Tisch in der Mitte ausgestattet, welcher von Stühlen umrundet war. Rechts und links an den Wänden gab es etwas kleinere Tischen, auf denen jeweils ein Computer stand. Es war Montag, der Grund, weshalb auch zwei Mitglieder der Fotographie-AG anwesend waren, mit der wir eng zusammen arbeiteten.

Ich unterhielt mich mit meiner besten Freundin Ruby, bis nach einiger Zeit alle den Raum betreten und sich an den Tisch gesetzt hatten. Dann strich ich den Staub des Wochenendes von der Oberfläche vor mir weg und breitete meine sorgfältigen Unterlagen aus. "Thomas, könntest du bitte die Tür schließen?", bat ich freundlich. Der dunkelhaarige Junge nickte, stand auf und schloss die hölzerne, mit einem kleinen Fenster versehene Tür.

"Dankeschön. Also", begann ich unser Treffen, die Papiere von mir ordnend. "Die letzte Ausgabe scheint relativ gut angekommen zu sein. Die Themen waren ziemlich interessant und die Ausarbeitung dieser war wirklich brilliant", lobte ich stolz, woraufhin einige nickten und lächelten.

"Auch die Fotos sind wieder mal wunderbar geworden, danke, Daniel und Cathy." Die angesprochenen Fotografen sahen sich lächelnd an, Cathy wurde ein wenig rot bei der ihr nun geschenkten Aufmerksamkeit.

"Für die nächsten neun Schultage, bis zur Erscheinung der neuen Ausgabe, haben wir nun wie immer die neuen Themen zusammenzutragen. Irgendwelche Vorschläge?", erkundigte ich mich bei meinem Team, auf dessen Ideen ich mich immer verlassen konnte.

"Auf jeden Fall den kommenden Schüleraustausch", meldete Florence sich, ein blondes, etwas kleineres Mädchen mit dicker Brille und motiviertem Lächeln. "Genau, das nehmen wir auf jeden Fall. Ich schreibe es direkt auf die Liste. Magst du dich darum kümmern?" 

"Ja, zusammen mit Ivy wenn das geht", entgegnete sie.

Und so organisierten wir die Artikelvorschläge, wer daran arbeiten würde, das Layout und die passenden Fotos dazu. Nach einer halben Stunde hatten wir alle Punkte der Planung durchgearbeitet. Die kommenden Tage würde ich sicherlich auf einige Mitglieder hier in Freistunden treffen, die dann fleißig an den Artikeln schreiben würden.

Das war nichts, was mir machen mussten. Wir machten das gerne, trotz der vielen anderen Hausaufgaben und Klausurenvorbereitungen. Jeder und jede hier hatte eine ganz eigene Leidenschaft für seine Kreationen.

Ich setzte mich an einen der Computer und bereitete schon mal ein vorläufiges Layout vor, in welches ich die Punkte unserer Liste vorläufig einarbeitete.

Dabei stellte ich mir vor, wie ich später als Chefredakteurin in meinem Büro sitzend Artikel schreiben würde, mit meinen Mitarbeitern und Kollegen fachliche, interessante Diskussionen haben und wie ich etwas erschaffen würde, was Leser interessierte, schockierte, aufrüttelte und begeisterte.

Ich freute mich darauf, später die Grenzen dieser Erfahrung mit der Schülerzeitung zu erweitern und über noch viel weitläufigere Themen zu berichten.

Seufzend übertrug ich die Entwürfe auf meinen USB Stick und fuhr nach mit dem Bus nach Hause. Dort angekommen sah ich nach, ob mein älterer Bruder zu Hause war, was nicht der Fall war. Die meiste Zeit über wohnte er auf dem Uni-Campus. Nur wenige Nächte verbrachte er hier. Meine Eltern kamen sowieso immer erst Abends nach der Arbeit nach Hause. Nicht, dass ich mich einsam fühlen würde.

Schließlich holte ich gefrorenes Gemüse aus dem Tiefkühlfach und schmiss es mit Nudeln in den Wok, um es darin anzubraten. Nach dem Essen ging ich hoch in mein Zimmer, setzte mich an den Schreibtisch und erledigte meine Schulaufgaben.

Irgendwann hielt ich inne und sah auf. Über meinem Schreibtisch hing eine Tafel, auf der ich verschiedenste Dinge anpinnte. Ein paar Kopien von meinen Artikeln, die ich als sehr gelungen und interessant empfand. Einige Bilder von ein paar Universitäten und Hochschulen, die für mich infrage kommen könnten. Dann noch ein paar Abbildungen von meinen Lieblingsmagazinen, Zeitungen und Zeitschriften.

Dieses Brett erinnerte mich daran, wofür ich so hart arbeitete. Was schon seit meiner Kindheit mein Traum für die Zukunft war.

Dann klappte ich den Laptop auf, recherchierte noch ein wenig zu dem kommenden Artikel zur Sinnhaftigkeit von den monatlichen Repord Cards über die schulischen Leistungen, die man von den Eltern unterschreiben lassen musste.

Dieses Thema wurde uns von Mr. Jefferson als Pflichtartikel zugeteilt und niemand hatte sich dafür gemeldet. Es war nicht gerade das spannendste, aber ich erweiterte gerne meinen Horizont und schrieb auch über solche Dinge.

Der Ton meines Handys ertönte und eine Nachricht ploppte auf dem Bildschirm auf. Als ich den Namen John sah, lächelte ich. Dann klickte ich darauf und laß, wie der Tag von meinem Internetfreund verlaufen war.

John war 20, anderthalb Jahre älter als ich und wohnte um die vier Stunden Autofahrt entfernt von mir. Wir hatten uns vor zwei Jahren kennengelernt, als ich einen Schüleraustausch an seiner High-School gemacht hatte und haben seitdem den Kontakt gehalten.

Ich lächelte und freute mich zu lesen, dass er in Chemie doch nicht durchgefallen war.

Als ich müde wurde legte ich mich ins Bett und kam zum liebsten Teil meines Tages: Werke lesen über verschiedenste Art von Lyrik. Im Regal direkt neben meinem Bett befanden sich Werke von Rupi Kaur, F. Scott Fitzgerald, Gemma Troy, Nikita Gill, A. R. Asher, William Shakespeare, E. E. Cummings, Lang Leav, Noor Unnahar, Atticus und vielen, vielen mehr.

Ich versank zwischen den wunderschönen, berührenden Worten. Worte, die mich jeden Tag über begleiteten und mich prägten. Die eine eigene, sichere Welt für mich schufen.

Mir war nicht klar, dass ich schon sehr bald aus dieser Welt herausgerissen werden würde.

Kalopsia | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt