Er hatte sich nicht in seine Nachbarin verlieben wollen, doch es war einfach geschehen. Vor zwei Jahren hatte sie in seiner Küche gegenüber von ihm gesessen. Das Mathebuch war aufgeschlagen gewesen, das Heft vor ihr voller Fehler. Doch auf ihren Lippen lag trotzdem ein Lächeln, als sie das Gesicht hob und ihn ansah. Und Zack! Da passierte es. Ein Blick, ein Herzschlag, ein Atemzug und seine Rosie war nicht mehr die kleine Nachbarin, sondern eine junge Frau, die ihm nicht mehr aus dem Kopf ging.
Sie hatte sich nie in ihren Nachbarn verlieben wollen, doch sie hatte nie wirklich eine Chance gehabt. Es lag nicht nur an seinem Aussehen, wie er der Star eines Teenie-Films hätte sein können, die sie mit zwölf am liebsten geschaut hatte. Nein, sie hatte ihr Herz an sein Lächeln verloren, bei dem seine Augen immer mitstrahlten. An seine Art, wie er nachdachte, bevor er sprach und dabei jedes Wort meinte, das er sagte. Sie verlor ihr Herz an seine Geduld, die selbst dann nicht versagte, wenn sie nach mehreren Versuchen immer noch nicht zum richtigen Ergebnis gelang. An seine Blicke, die unter ihrer Haut brannte, wann immer er sie ansah. An der Tatsache, dass sie bei ihm das Gefühl hatte, immer richtig zu sein.
Nur, dass sie eigentlich verboten füreinander waren. Sie verstanden es, kannten die Regeln und die Gesetzte und wussten, wie sie sich zu verhalten hatten. Bis sie es schließlich nicht mehr konnten. Vielleicht, weil sie sich so anzogen, dass sie kollabierten. Vielleicht, weil sie dachten, dass das Leben zu kurz sei, um auch nur eine verdammte Sekunde zu verschwenden. Oder auch vielleicht, weil sie einfach nicht mehr gegen die Liebe ankämpfen wollten. Es folgten gierige Küsse, die immer zu kurz waren, versteckte Treffen in verstaubten Nischen mit pochenden Herzen, die schreien wollten, wie sehr sie das andere begehrten und Nächte, in denen sie wach und alleine und getrennt lagen, weil sie sich am Ende des Tages nicht mehr vor der Wahrheit verstecken konnten: Sie waren falsch füreinander.
Und nun waren sie hier. Auf dem besten Dates ihres Lebens, obwohl sie immer noch falsch für einander waren. Der Himmel war dunkel, der Mond strahlte. Fast heller als die Sonne, sagte sie und er zuckte lächelnd die Schultern. Sie hielten sich an den Händen, quetschten ihr Körper aneinander, wollten keinen Zentimeter verschwenden, denn sie hatten weder Millimeter noch Sekunden zu verschenken. Wenn sie sich küssten, dann lange und tief und innig, so, als gäbe es kein Morgen, was sie ja auch nicht hatten.
"Es hat mich verrückt gemacht, weißt du? Dich ständig zu sehen und nicht zu berühren. Dich auf den Korridoren reden zu hören, ohne dich ansprechen zu können. Zu beobachten, wie die Jungs in deiner Stufe dir hinterhergeschaut haben, ohne dass ich deine Hand halten konnte, um ihnen zu zeigen, dass wir einander gehören. Deinen Namen vor der Klasse auszurufen, während ich darauf achten musste, nicht die Liebe zu verraten, die ich dabei empfinde. Ich liebe es, zu unterrichten, aber verdammt, ich habe es gehasst, dein Mathelehrer zu sein."
"Ja", sagte sie und schaute in den Himmel, verflocht ihre Finger mit seinen und wünschte, sie würde ihn nicht verlassen. "Aber das hier hasse ich noch mehr. Wir könnten zusammen sein, und ich muss gehen."
"Aber, Baby. Nur dass du gehst, heißt doch nicht, dass du nicht wiederkommst. Vielleicht sind wir wie das Paar in "Wie ein einziger Tag" und sind am Ende doch zusammen."
"Also glaubst du, das ist nicht unser Ende?"
"Nur weil du wegen deines Studiums bis an das andere Ende des Landes ziehst? Nein, Rosie. Das ist nicht unser Ende, einfach nicht unser Zeitpunkt. Richtiger Tag, nur das falsche Jahr."
"Richtiger Tag, nur das falsche Jahr", wiederholte sie.
-Ende-
DU LIEST GERADE
Richtiger Tag, falsches Jahr.
Short StoryCoolerTyp43 schreibt dich jeden Tag an, obwohl er nicht sollte. Du sagst ihm wieder und wieder, dass es aufhören muss. Seine Nachrichten und all die Gefühle, die ihr füreinander empfindet. Doch irgendwann gibst du auf. Sei es aus Liebe, Erschöpfung...