Kapitel 4

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Jaria betrat den dunklen Innenraum des Gefängnisses. Als Todeselfe hätte sie sich hier eigentlich sehr wohl fühlen müssen, denn das Volk der Todeselfen war wenn dann nur für ihr Talent im Kampf und ihre Vorliebe zur Folterung von Gefangenen bekannt. Doch trotz dieser Charakterzüge, welche Jaria eigentlich von klein auf eingebläut bekommen hatte, beschlich sie ein unbehagliches Gefühl und ihre Nackenhaare stellten sich auf.

Der ganze Raum hatte eine dunkle Atmosphäre. Einzelne Fackeln hingen zwar in verrusten Halterungen und kreierten gruselige Schatten an der von Moos behangenen Wand, aber trotzdem schien dem Raum alles Fröhliche entzogen worden zu sein.
Ähnlich wie mir, dachte die Todeselfe, der scheiß Raum hat keinen Charakter.
Doch trotz der Anspannung und dem schlechten Gefühl in der Magengegend setzte Jaria ihren Weg nach unten fort. Sie mochte für eine Todeselfe noch sehr jung sein, aber das Leben in ihrer Sippe war kein Zuckerschlecken gewesen. Die wenigen Unannehmlichkeiten, welche ihr von ihren Leuten erspart wurden, hatte sie der Wald spüren lassen. Gefühlslosigkeit, Schmerzlosigkeit, Hass, Resistenz.... Viele dieser Eigenschaften waren ihr durch ihr Blut in die Wiege gelegt worden, aber vieles wurde ihr schmerzhaft beigebracht.
Jaria grinste bitter. Natürlich wollte sie eine perfekte Kriegerin sein, aber sie wollte auch ihre eigene Persönlichkeit formen, ihr eigenes Leben besitzen.

Ein kalter Lufthauch riss Jaria aus ihren wirren Gedanken und sie strich sich ein letztes Mal die braunen Haare aus dem feingliedrigen Gesicht, dann setzte sie ihren Weg unhörbar fort, schlich zielstrebig zwischen den Türen entlang und sackte beinahe unbemerkbar die Universalschlüssel für die Gefängniszellen ein. Hier unten gab es keine Wachen. Nicht weil das Volk der Todeselfen nachlässig war, der Argwohn hatte es all die Jahre am Leben erhalten, sondern weil es verdammt egoistisch war. Sie glaubten nicht, dass eine minderwertige Kreatur, schon gar kein Wesen in dessen Adern menschliches Blut floss fähig war sie zu überlisten. Aber Jaria war das heute nur Recht. Umso weniger Achtsamkeit die Todeselfen ihrem neuen Gefängnisinsassen entgegen brachten, umso leichter würde es ihr fallen ein Bündnis mit ihm auszuhandeln.

Vor der letzten Tür des Ganges blieb die Todeselfe stehen und legte das Ohr an die stabile Eichentür. Aus dem Inneren der Zelle erklang regelmäßiges, wenn auch angestrengtes Atmen. Außerdem vernahm die Todeselfe das leise knirschen der Ketten, mit denen die Handgelenke des Gefangenen Halbelfen an die Wand gekettet sein würden. Der Gefangene war also wach. Ein letztes Mal atmete Jaria tief durch. Wenn sie diesen Schritt tat, würde es kein zurück mehr geben. Entschlossen steckte sie den Schlüssel in das eingerostete Schloss der Tür und drehte ihn. Mit einem beunruhigend lautem Quitschen gab die Tür nach und schwang nach Innen auf.

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Als Cyrian das nächste Mal zu Bewusstsein kam, befand er sich immernoch in derselben vermoderten Zelle, doch das Licht war noch schwächer geworden. Sofern das möglich war. Vermutlich verloren seine Augen einfach endgültig an Leistungsfähigkeit. Ja der Halbelf würde in diesem Moment vieles für eine richtige Mahlzeit geben. Doch seine Chancen diese hier drinnen serviert zu bekommen standen recht gering. Auch seinen Auftrag konnte er hier wohl eher weniger erfüllen, denn was brachte diese, zugegeben spannende Erfahrung ihm schon, wenn er sie am Ende eh nicht weitererzählen konnte? Das Gefängnis war alt und er kam sich vor wie in alten Zeiten, bevor das Wort Fortschritt entdeckt wurde. Es schien als wäre diese Zelle bereits vermodert geboren worden. Nun, vielleicht war sie das ja, aber auch das half Cyrian in keinster Weise aus ihr heraus zu kommen. Er bezweifelte mittlerweile auch, dass ihn jemand verhören oder gar zu Verhandlungen bitten würden. Damit hätte er umgehen können, denn er war ein Krieger und als Krieger lernte man im Falle eine Gefangenschaft zu warten, bis man zu Verhandlungen gebeten wurde. Nun, diese Lehre warf der Halbelf direkt wieder über den Haufen, aber warten war wohl wirklich das einzige, was er in dieser Situation tun konnte.

Aber es schien tatsächlich, als wenn der Segen seines Gottes mit ihm gewesen wäre. Denn das Schloss in der Tür drehte sich. Vielleicht hatten die Todeselfen ja beschlossen ihn doch nicht vermodern zu lassen. Nun, vielleicht wollten sie ihn auch bloß nocheinmal foltern, um ihn schneller dahinscheiden zu sehen. Wer weiß das schon? Todeselfen waren angeblich bekannt für ihre Grausamkeit. Aber Gerüchten zu Folge wurden sie auch unglaublich alt, also wäre es ihnen wohl egal wie schnell er vermodern würde. Na aber in seiner jetzigen Situation, hatte das nichts zu Sache. Viel wichtiger für den Krieger war die zierliche Todeselfe, welche gerade seine Zelle betrat. Es war dieselbe, welche ihn im Wald als erstes gestellt hatte und dafür ausgeschimpft worden war. Sie wirkte seltsam gehetzt, als dürfte sie gar nicht hier sein, was Cyrian Hoffnung verlieh. Wenn sie nicht hier sein durfte, verstieß sie vielleicht gegen die Absichten ihres Volkes und alles was gegen die Absichten ihres düsteren Volkes verstieß, konnte bloß besser werden. Zumindest war alles besser als bis ans Lebensende in einer düsteren Zelle zu vermodern und nicht einen Brief an den Meister zuhause schicken zu können. Jetzt hatte Cyrian schon am ersten Tag etwas interessantes erlebt und sollte es nicht berichten können?

Der Krieger hätte seine Gedanken noch Stundenlang weiter ausbauen können, aber die Todeselfe beanspruchte all seine Aufmerksamkeit. Sie lehnte nun vor ihm an der schweren Eichentür und musterte ihn aus kalten Augen. Ihre Stimme war genauso professionell wie lieblich, als sie sprach, aber dieses mal war Cyrian darauf vorbereitet.

"Woher kommst du?"

Es mochte eine simple Frage gewesen sein, aber Cyrian wusste wie viel man aus einer simplen Frage ziehen konnte. Trotzdem hatte er nicht viel zu verlieren und beschloss sich auf ein Gespräch einzulassen.

"Aus dem geborgenen Land, die Wolkeninsel im Osten..ich glaube sie müsste östlich von hier liegen."

"Weshalb bist du hier, in unserem Revier, wenn du von dort kommst? Deines Gleichen verirren sich nicht hier her, schon gar nicht solche wie du. Solche mit unreinem Blut."

"Ich diene einem machtvollen Magier, Angmar dem Wissbegierigen. Er hat mich geschickt die Welt zu erforschen und ihm von meinen Erlebnissen zu berichten."

"Also möchtest du die Welt erforschen?"

"Ja genau, so kann man es ausdrücken."

"Wie heißt du?"

"Cyrian, ich bin Halbelf und Krieger."

"Nun Cyrian, hast du ein Pferd?"

"Mein Pegasus müsste noch draußen im Wald herumlaufen."

"Nun dann ist das hier nun offiziell dein Glückstag, denn mein Ziel ist es ebenfalls die Welt zu erforschen und da du aus dem geborgenen Land kommst, kennst du dich mit dem ganzen Zeug aus. Ich bin Kriegerin und ich hole dich hier raus, wenn du mir über die Welt erklärst, was du weißt. Deal?"

"Deal"

Es war eine Chance, eine tatsächlich sehr viel versprechende Chance, denn Rebellen handelten meist unüberlegt aus dem Gefühl heraus. Außerdem war es auch die einzige Möglichkeit, welche Cyrian noch blieb, also was hatte er zu verlieren?

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 22, 2019 ⏰

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