Teil 3

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Heute war es so weit. Heute war mein Leben dann offiziell gelebt. Ich hatte so was von keinen Bock auf Amerika. Ich weiß, dass das viele Leute erstaunlich finden werden. Ich war immer zufrieden mit unseren Urlauben in Europa und hatte noch nie das Bedürfnis verspürt, etwas an meinem Leben zu ändern. Ein Umzug hatte mir gerade gefehlt...
"JAZZ!" Erschrocken richtete ich den Blick auf meine Mutter. Ich war so in Gedanken gewesen, dass ich sie nicht bemerkt hatte. Sie wedelte mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum und rief meinen Namen dabei. Verlegen fragte ich "Was ist denn?" und sie verdrehte nur die Augen, während mein Vater mich darauf aufmerksam machte, dass wir nun losfahren würden. Also stieg ich schnell ins Auto und schob mir die Kopfhörer in die Ohren. Auf die Musik konnte ich mich allerdings nicht konzentrieren, stattdessen schweifen meine Gedanken zu den letzten Tagen,  in denen ich die meiste Zeit mit meinen Freunden zusammengehangen hatte. Sie hatten mich würdevoll mit einer richtigen Houseparty verabschiedet. Nun war ich auf dem Weg zum Flughafen und sie waren in der Schule, denn heute war der letzte Schultag und es gab Zeugnisse. Ich hatte meines schon vorgestern bei unserer Schulleitung abholen müssen. Gezwungenermaßen hatten wir feststellen müssen, dass meine Eltern wirklich keine Zeit verplemperten. Erst vor 2 Wochen hatten sie uns überhaupt informiert. Nun saß ich bereits im Taksi (Taxi) auf dem Weg zum Flughafen und zerbrach mir den Kopf über meine momentane Situation. Ewig schlechte Laune würde mich auch nicht weiterbringen. "Bekomme ich eigentlich das größere Zimmer?" Die Stimme meines Bruder riss mich aus meinen Gedanken.  "Davon träumst du nachts, vergiss es! Ich bin das Mädchen, ich brauche meinen Rückzugsraum." lachte ich und streckte ihm die Zunge raus. Dafür kassierte ich einen leichten Schlag auf den Oberarm. "Den kannst du in jedem Zimmer haben, es muss doch nicht das größte sein. Schließlich muss ich auch meine ganzen Sachen unterbringen." Ich zog eine Augenbraue hoch und grinste ihn an. "Ach, du meinst für deine überlebensnotwendigen, in keiner Weise süchtig machenden, technischen Geräte wie deine Playstation oder deinen Computer?" Im Gegensatz zu seiner technischen Ausstaffierung besaß ich nur ein Handy und einen Laptop. Ich verbrachte meine Zeit lieber draußen. Beleidigt schob er seine Unterlippe vor und wandte sich mit einem herzzerreißenden Hundeblick an unsere Eltern. "Wer bekommt das größere Zimmer?" Mun äiti (meine Mutter) drehte sich gar nicht erst um, sondern sagte nur, dass wir das unter uns ausmachen müssten. Wir wechselten nur einen genervten Blick. Ich wusste schon jetzt, dass das lustig werden konnte, wenn ich nicht nachgeben würde. Also seufzte ich bloß und gab meine Zustimmung. Das breite Lächeln auf seinem Gesicht war aber auch zu niedlich. Ich kicherte leise und erntete dafür einen verstörten Blick meines Bruders.

Als wir am Flughafen ankamen, waren wir bereits spät dran. Demnach mussten wir uns ziemlich beeilen, um noch rechtzeitig zum Check-In zu kommen. Wir hatten schon einmal unseren Flug verpasst, das war damals eine unangenehme und vor allem teure Nacht geworden. Keiner von uns wollte das wieder erleben. Nachdem mein Bruder beinahe seinen Ausweis nicht gefunden hätte, kamen wir doch noch rechtzeitig am Check-In an, als ich von hinten laut meinen Namen hörte. Ich drehte mich um und sah es sofort. Meine Freunde kamen angelaufen und riefen mich dabei lauthals. Gerührt lief ich auf sie zu und nahm einen nach dem anderen in den Arm. Gemeinsam weinten wir um unsere gemeinsame Zeit und die schöne Zukunft, die uns hier verwehrt bleibe würde. Die Abendstunden am See, die Grillabende und Partys. Die intensiven abendlichen Gespräche über Ängste und Freuden oder wenn einer von uns Liebeskummer hatte. Die vielen Stunden, die wir beim Eishockey verbracht hatten, die Freude und Tränen bei Siegen und nur Tränen bei Niederlagen. Diese schöne Zeit war jetzt vorbei und keiner von uns wollte das wahrhaben. 

Schniefend sahen wir uns an und lächelten, wenn auch etwas verbissen. Wir würden uns wiedersehen, so viel stand fest. Egal wie lange es dauern würde, Jahre oder Monate, ich würde zurückkommen und bis dahin würden die 3 einfach mich besuchen müssen. 

Voller Zuversicht verabschiedeten wir uns ein letztes Mal für eine lange Zeit, denn Skype war nicht mit persönlicher Nähe zu vergleichen. Ich würde sie vermissen, aber nun wartete eine neue Zeit auf mich. Mit etwas Glück, könnte ich sogar Freunde finden und Spaß haben. Mit diesen Gedanken im Hinterkopf winkte ich ihnen noch einmal zu, bevor ich die Schranke passierte und gleich zum Flugzeug sprintete. Zum Glück waren meine Eltern gerade auf dem Weg ins Flugzeug, ich stellte ich also direkt zu ihnen. 

Während des ganzen Fluges hatte ich ein ehrliches Lächeln auf dem Gesicht. 

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Auf dem Bild ist Nolan (Jazz' Bruder) zu sehen.  


Idiootti ja minäWo Geschichten leben. Entdecke jetzt