Neue und alte Freunde

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Die letzte Zauberkunststunde vor Halloween fiel aus, da Professor Flitwick von seinem Pult gefallen war und sich dabei seine Zauberstabhand gebrochen hatte. Er hatte die Klasse entlassen, ehe er leise fluchend zum Krankenflügel gewuselt war. Alles was zwischen Bea und einem wunderbaren, aber auch einsamen, Halloweenfest stand war eine Flugstunde zusammen mit den Gryffindors. In den letzten Stunden hatte die Klasse sich ausführlich mit Besenpflege beschäftigt und verschiedene Stärken von berühmten Modellen wie dem Nimbus 1997 und Madam Hoochs Lieblingsbesen, dem Silberpfeil, besprochen. Doch Madame Hooch hatte sich überreden lassen, in der letzten Stunde vor dem Fest etwas Besonderes zu machen und Bea hatte ein unwohles Gefühl im Magen, wenn sie an die Stunde dachte. Amy hatte kein Wort mehr mit ihr gesprochen, auch als sich Bea dafür entschuldigt hatte, dass sie ihr Treffen vergessen hatte. Ehrlichgesagt hatte Bea, nachdem sie Nachsitzen von Snape aufgebrummt bekommen hatte, gar nicht mehr daran gedacht und sie hatte auch fast zwei Wochen gebraucht um zu bemerken, dass Amy deshalb nicht mehr mit ihr reden wollte. Trotzdem schmollte die Gryffindor immer noch und vermied es alleine mit Bea zu sein, oder auch nur in ihre Nähe zu kommen. Auch ihre Zimmergenossinen waren sauer auf sie, da alle dank ihr den Hauselfen beim Abwaschen helfen mussten, nur weil Bea Charlie gedeckt hatte. Wäre Ethan nicht ihr ständiger Begleiter, Bea hätte sich schrecklich einsam gefühlt. Als sie ihren wöchentlichen Brief nach Hause geschrieben hatte, wäre sie fast in Tränen ausgebrochen, aber sie wollte ihre Eltern nicht enttäuschen und deshalb hatte sie so gut es ging versucht nur positive Dinge in den Brief zu schreiben. Am Donnerstag nach dem Mittag schlurfte Bea alleine von der großen Halle zur Flugstunde, Ethan hatte seinen Schaal vergessen und musste zurück in seinen Schlafsaal laufen. Sie bog gerade um eine Ecke, als sie um ein Haar mit jemanden zusammenstieß. Die vielen Zusammenstöße mit Logan hatten sich jedoch bewährt und so blieb Bea sofort stehen und musste nur etwas mit den Armen rudern um nicht umzukippen. Vor ihr stand ein Mädchen mit hüftlangen, hellblonden Haaren und einem blassen, ausdruckslosen Gesicht. „Huch, das war aber haarscharf." Verlegen strich Bea sich die Haare aus dem Gesicht. Das blonde Mädchen sagte nichts. „Ehm, ich heiße Bea, ich glaube wir haben Zaubertränke und Kräuterkunde zusammen, oder?" Das Mädchen sagte immer noch nichts. „Okay?" Das Mädchen drehte sich plötzlich um und ging schnell in die Richtung, aus der sie offenbar gekommen war. Verwirrt blieb Bea stehen. Was war denn jetzt los? Unauffällig überprüfte sie, ob sie vielleicht Mundgeruch hatte, aber dem war nicht so. Achselzuckend, aber immer noch mit einem komischen Gefühl setzte sie ihren Weg nach draußen fort. Das Wetter war für Oktober noch relativ gut, es war leicht bewölkt, aber es wehte kaum Wind und die Temperaturen waren noch relativ mild, zumindest laut Madame Hooch. Ihre besondere Idee war eine Art abgeschwächtes Quidditchspiel. Sie hatte einen Quaffel aus ihrem Büro mitgebracht, die Aufgabe bestand darin sich in zwei Teams aufzuteilen und den Ball den Spielern im eigenem Team zuzuwerfen, ohne dass der Quaffel den Boden berührte oder der Gegner sich den Ball schnappte. Wenn dies einem Team zehn Mal gelang, dann war das Spiel beendet. Die meisten Schüler waren begeistert von ihrer Idee, nur Bea trat unwohl von einem Fuß auf den anderen, nach ihrer ersten Stunde hatte sie es so gut es ging vermieden noch einmal einen Besen zu besteigen. Während Madame Hooch die Schüler in zwei gleichgroße Teams einteilte stupste Ethan Bea aufmunternd an. „Das klingt doch spaßig, oder Bea?" Sie nickte stumm und schaute sehnsüchtig zum Tor, das zurück ins Schloss führte. Ein paar Drittklässler, die offenbar schon ihr verlängertes Wochenende genossen, hatten sich dort versammelt und sahen der Flugstunde neugierig zu. Sogar aus dieser Entfernung konnte Bea einen rosanen Fleck sehen, der nur zu Tonks Haaren gehören konnte. „Sind alle bereit?!", rief Madame Hooch und klemmte sich ihre Trillerpfeife zwischen die Lippen. Beim Klang des schrillen Pfiffs stiegen die Schüler etwas wackelig, aber doch recht schnell, in den Himmel. Amy, die einige Meter entfernt gestartet war lehnte sich sofort nach vorne und fing als erste den Quaffel, der von Madame Hooch in die Luft geworfen wurde. Innerhalb von wenigen Momenten warf sie ihn schon einem dunkelhaarigen Gryffindor zu, der passte ihn zu einem lockenköpfigen Huffelpuff mit breiten Schultern. Er sah sich suchend nach einem nahen Teammitglied um und sein Blick fiel auf Bea, die bis jetzt unsicher an einem Fleck schwebte und das Geschehen nervös beobachtete. Nein, oh neinneinneinneinnein. Doch zu spät. Er holte aus.... Warf und... Ein Mädchen aus Gryffindor schnappte sich den Quaffel aus der Flugbahn. „Verdammt, Tessa!", brüllte Amy und wendete ihren Besen um auf ihre Gegnerin loszustürmen. Bevor Tessa wusste wie ihr geschah hatte ihr eine triumphierende Amy den Ball aus den Händen geboxt. Nun ging alles Schlag auf Schlag und in weniger als einer Minute war ihr Punktestand schonwieder bei acht. Jessy Parker hielt gerade, drei Meter über Bea schwebend, den Quaffel fest umklammert und schaute sich panisch nach irgendeinem Teammitglied um, während sich von allen Seiten Gegner näherten. „HIER!", brüllte ein Junge, der sich durch zwei Hufflepuffs geschlängelt hatte ihr ins Ohr. Vor lauter Schreck riss sie abwehrend die Hände hoch und der Quaffel fiel durch die Luft. „Nein!" und „Jemand muss ihn fangen!", kam es aus allen Richtungen. Bea unterdes nahm plötzlich alles in Zeitlupe war, der Quaffel flog nur wenige Centimeter vor ihr, wie hypnotisiert starrte sie ihn an, ließ den Stiehl ihres Besens los und griff nach dem roten Ball. Einen Augenblick lang war es sehr still. Alle Schüler starrten auf sie hinab, dann wie aus weiter Ferne schallte Gwens Stimme über das Feld hallen: „SCHNAPPT SIE EUCH!" Und im nächsten Moment stürzte die Hälfte der Schüler auf Bea hinab. Reflexartig, aber mit einem erschreckend schrillen Schrei, lehnte sich Bea so weit es ging nach vorne, den Ball zwischen dem Stiehl und ihrem Oberkörper geklemmt, die Hände fest um den Besen geklammert. Ihr Magen stülpte sich einmal um, als sie wie ein Pfeil unter den anderen vorbei zischte und in einem weiten Bogen so weit es ging von allen wegflog. „KOMM ZURÜCK, WIR BRAUCHEN NOCH EINEN PUNKT!", schrie jemand ihr nach. Bea biss ihre Zähne zusammen und zog so stark sie konnte ihren Besenstiel nach oben. Sofort blieb er in der Luft stehen und warfs sie fast vornüber. Mit verschwommener Sicht blickte sie auf. Sie musste den Quaffel nur noch an irgendjemanden zupassen, dann war es vorbei. Zwei Jungen des anderen Teams rasten geradewegs auf sie zu, bremsen würden sie sicher nicht. „Bea! Hier unten!" Amy kam ebenfalls auf sie zugeflogen, doch sie hatte einen Bogen nach unten gemacht, sodass Bea eine freie Wurfbahn hatte. Mit einem Herz, das wie ein Schnatz flatterte, warf Bea den Quaffel, dann schloss sie die Augen und drückte den Besen steil nach unten. Sie konnte fühlen wie etwas ihre Füße und den Schweif ihres Besens streifte, aber der erwartete Aufprall blieb aus. Stattdessen raste Bea nun auf den Boden zu. Mit einem weiteren betäubenden Schrei riss sie den Besen wieder hoch, so hoch, dass sie einen halben Looping machte. Voller Angst, dass sie fallen könnte, klammerte sie sich mit Händen und Beinen fest. Während die anderen noch jubelnd in der Luft hingen landete Bea so gut es ging, aber selbst als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte fühlten sich ihre Beine an wie Wackelpudding und sie musste sich auf ihren Besen stützen um nicht taumelnd umzukippen. Tonks hatte sich aus dem Grüppchen der Drittklässler gelöst und kam winkend auf sie zu gerannt. „Bei Merlins schlabbrigem Unterhöschen, Bea! Ich wusste gar nicht, dass du so krasse Flugmanöver draufhast!" Alles was Bea erwidern konnte war ein schwaches Lächeln. Langsam landeten jetzt auch die restlichen Schüler, sofort versuchte Bea Amy irgendwie auf sich aufmerksam zu machen, aber sie ging, zusammen mit einem lachenden Gryffindor, zurück zum Startplatz. Auch die anderen Hufflepuff-Mädchen schienen trotz Beas Sieges nicht geneigt ihr zu verzeihen. Enttäuscht ließ sie die Schultern hängen und hörte mit halbem Ohr Tonks zu, die von ihrer ersten Flugstunde und dem nachfolgenden Tagen im Krankenflügel berichtete. „Wow, das war echt der Wahnsinn." Ein nervöserer Ethan hatte sich zu ihnen gesellt und während sie zu dritt zusammen zurück liefen starrte er sie bewundernd an. Bea, die von oben bis unten durchgeschwitzt, atmete tief durch und lächelte, diesmal aus ganzem Herzen. „Wenigstens ist jetzt Wochenende." Ethan verzog das Gesicht. „Naja, wenn du Zaubertränke nicht mitzählst, ja." Bea blieb ruckartig stehen. „Was?!" „Wusstest du das nicht? Zaubertränke findet morgen statt." „Aber... aber morgen ist Halloween!", stammelte sie entsetzt. Ethan sah genauso unglücklich aus wie sie sich gerade fühlte. „Snape sagt, Halloween ist erst am Abend und deshalb müssen wir vormittags noch in die Kerker." Tonks, die alles mitgehört hatte, verdrehte die Augen. „Typisch Snape! Kein anderer Professor macht morgen noch Unterricht, ich bin echt froh, dass ich morgen kein Zaubertränke habe." Jetzt noch unglücklicher als eh schon zuvor schlurfte Bea zurück ins Schloss, ohne auf Ethan zu warten, und setzte sich an ihre Hausaufgaben für Zaubertränke, die sie nicht gemacht hatte, da sie angenommen hatte, dass diese erst bis nächste Woche Zeit hätten. Snape hatte einen ganze zwei Fuß langen Aufsatz über die Wirkung von Plappertrank gefordert und Bea saß noch tief in die Nacht im Gemeinschaftsraum.

Am Halloweenmorgen konnte Bea wenigstens lange schlafen, da Zaubertränke erst kurz vorm Mittag war, trotzdem kam sie fast zu spät, da niemand sie weckte, ihre Freundinnen waren einfach ohne sie losgegangen. Mit einem schmerzhaften Loch im Bauch rannte sie allein in die Kerker. „Miss Conner, Sie haben besser einen guten Grund, wieso sie erst jetzt kommen." Panisch warf Bea einen Blick auf ihre Armbanduhr, es war Punkt zehn. „Also eigentlich bin ich noch pünktlich.", presste sie keuchend hervor und hielt sich die brennenden Seiten. Snapes Mund wurde zu einem schmalen Strich, aber er drehte sich wieder von ihr ab, um ein neues Rezept auf der Tafel erscheinen zu lassen. Hastig wollte Bea zu ihrem üblichen Platz gehen, aber an dem Tisch, den sie sich sonst immer mit Gwen, Jessy, Eliza und Rosie geteilt hatte, aber auf ihrem Platz saß bereits Ethan. Schuldbewusst sah er von seinem Kessel auf, während die Mädchen lediglich einen kurzen Blick für sie übrighatten. Bea atmete tief durch und musste erstmal husten, die Luft hier war immer voller Dampf, die von den Kesseln aufstiegen. Die anderen Tische waren mit den restlichen Slytherins und Hufflepuffs belegt, nur in der hinteren Ecke war ein kleiner Tisch frei an dem lediglich eine Schülerin aus Slytherin saß. „Stört es dich, wenn ich mich zu dir setze?", fragte sie und ließ gleichzeitig ihre Tasche auf einen der freien Stühle gleiten. Das andere Mädchen sah sie aus hellblauen Augen stumm an und rutschte mit ihrem eigenen Stuhl etwas zur Seite, sodass Bea genug Platz hatte. „Hey, bist du nicht das Mädchen von gestern?" Die langen blonden Haare waren zu einem ordentlichen Pferdeschwanz zusammengebunden, aber das blasse Gesicht war unverkennbar. Als sie nicht antwortete versuchte es Bea noch ein letztes Mal: „Tut mir leid, wenn ich dich nerve, aber kannst du mir nicht wenigstens deinen Namen sagen?" „Emilia Mowbray.", kam es nach einer Weile kaum zu hören. Bea lächelte nervös. „Freut mich." Emilia, die immer noch nach vorne auf die Tafel starrte, lächelte flüchtig und fing dann an das Rezept abzuschreiben. Bea versuchte das beste aus ihrer Situation zu machen und nahm für die Slytherin Zutaten aus dem Schülerschrank mit, als sie alle anfangen mussten eine Funken-Lösung zu brauen. Auch wenn Emilia die ganze Doppelstunde über kaum ein Wort mit ihr sprach, kamen sie doch recht gut miteinander aus. Bea behielt die Temperaturen der beiden Kessel im Auge und rührte beide Tränke zur passenden Zeit vorsichtig um, während Emilia die Zutaten zerstückelte und auf einer kleinen Messingwaage wog. Am Ende konnten sie eine Viole durchaus brauchbarer Funkeln-Lösung an Snape abgeben. „Wir sind ein gutes Team." Überrascht drehte sich Bea um, Emilia war ihr nach Ende der Stunde gefolgt und ging nun neben ihr her hoch in die Halle. Verlegen grinste sie schief und kratzte sich im Nacken. „Ja, da hast du recht." Nach einem kurzen Schweigen fasste Bea all ihren Mut zusammen und fragte: „Hast du vielleicht Lust zusammen Mittag zu essen?" „Ja." Und ehe Bea sich versehen konnte hatte ihre neue Freundin sie an der Hand genommen und zum Slytherintisch in der großen Halle gezogen. 

Eine Hogwartsgeschichte in schwarz und gelbWo Geschichten leben. Entdecke jetzt