„Bitte wartet hier", sprach meinBegleiter zu mir. Er stellte mein Gepäck hin und ging zu seinemHerrn. Aus der Ferne hörte ich ihn sagen: „Mein Herr, eine jungeFrau namens Ilea ist so eben eingetroffen. Sie behauptet, dass Ihrihre Eltern kennt." Elrond führte das Gespräch in Elbisch fort,dessen ich nicht mächtig war. Als er eine Frage schien gestellt zuhaben, schaute die Wache zu mir. Der Herr von Bruchtal drehte sich umund blickte mich freundlich an. Zögerlich schritt ich auf ihn zu.Währenddessen musterte ich ihn von oben bis unten. Ebenso wie ichhatte er dunkelbraunes langes Haar und Augen im selben Glanze. SeinGesicht hatte feine, edle Züge. Er wirkte sowohl weise und erfahren,wie auch kriegerisch und mutig. Unter seiner dicken mehrschichtigenGewandung viel es mir schwer seine Muskeln zu erkennen. Dennochkonnte ich mir nur zu gut vorstellen, dass er sehr stark sein musste.Allein schon seine Statur wirkte auf mich respekteinflößend. Ermusste mindestens zwei Köpfe größer sein als ich.
Ich verneigte mich leicht vor dem edlenHerrn. Wieder fuhr mein Blick zu seinen schmalen Lippen hoch, aufdenen sich soeben ein schiefes Lächeln bildete. „Ich hielt eucheinst im Arm, Ilea. Derjenige der es gegenwärtig tut kann sichglücklich schätzen." Hier musste ich wohl ein sehr merkwürdigesGesicht gemacht haben, denn kurz darauf erklang ein klares schönesLachen. „Damals als Ihr noch ein Windelkind wart. Ich war am Tageurer Geburt dabei gewesen. Eure Mutter gebar euch in meinenGefilden. Im Austausch für die Versorgung eurer Mutter schmiedetemir euer Vater ein Schwert..." er hielt kurz inne und schaute mirwieder direkt in die Augen. „...Das ist nun schon einige Jahre her.Wie ich sehe seit Ihr nun erwachsen. Was verschlägt euch zu mir?"Es dauerte ein paar Sekunden einen klaren Gedanken zu fassen. MeineWangen wurden warm und mein Mund war plötzlich so trocken. Daspassierte mir nur selten. Aber ich wurde auch selten so direkt voneinem Mann angesprochen. Also schluckte ich kurz ehe ich antwortete.„Ich bin noch unverheiratet, mein Herr... Und ich komme im Auftragmeines Vaters. Er bat mich euch dies hier zu geben." Ichüberreichte ihm das Päckchen. Elrond nahm es leicht verwundertentgegen.
Neugierig öffnete er die Verpackung.Es war ein kleines hölzernes Kästchen, in dessen Innern sich einsder edelsten Schmuckstücke befand, die ich je zuvor zu Gesichtbekommen hatte. Ein filigraner güldener Ring, der sich an den Fingerseines Trägers schmiegte wie Blumenranken, mit silbernen Blättern.In den Blütenköpfen funkelten winzig kleine Kristalle, die so schönfunkelten wie das Licht des Abendsterns. Dies war wahrlich dieMeisterarbeit meines Vaters. Ein Ring, eines Königs würdig.
All derweil las sich der Herr vonImladris ein beiliegendes Stück Pergament durch. Dabei runzelte erleicht die Stirn. Schwermütigen Blickes wandte er sich anschließendzu seiner Wache und überreichte ihr das Päckchen mit dem Auftrag esin sein Gemach bringen zu lassen. Dann wandte er sich wieder zu mir.„Ich nehme das Geschenk schweren Herzens an. Doch hat mich meineGemahlin, die damalige Herrscherin Bruchtals vor einigen Mondenverlassen. Ihr hätte der Ring bestimmt sehr gefallen. Bitteberichtet eurem Vater von meinem Dank." Seine tiefe melodischeStimme trug nun etwas Trauer mit sich. „Es tut mir leid", kam esmir ohne Gedanken aus dem Munde. Schnell biss ich mir dafür auf dieZunge. Ich hatte schon die Befürchtung den Elbenfürsten in nochtiefere Trauer gestürzt zu haben. Elronds Lippen formten sich jedochwieder zu einem leichten Lächeln. „Dass muss es euch nicht. Es warwohl ihr Schicksal... Gut. Ihr seid also hier wegen Medizin. Ichwerde sehen was ich da tun kann. Doch erst zeigt euch meine TochterArwen euer Zimmer für die Nacht. Ihr müsst müde sein von derlangen Reise. Ruht euch aus. Morgen nach dem Frühstück machen wiruns dann an die Arbeit."
Kurz darauf erschien eine schönedunkelhaarige Elbin mit leuchtend blauen Augen. Sie strahlte mitihrem sanften Lächeln und den geschmeidigen Schritten eine angenehmeRuhe aus. Ja, nicht nur ihr edles fließendes Gewand und ihr Tiaraließen darauf schließen, dass sie die Tochter des Fürsten seinmusste, nein es war auch die elegante erhabene Art wie sie ging. Auchvor ihr verneigte ich mich leicht. Daraufhin kicherte sie ungehemmtund meinte nur, ich müsse mich nicht vor ihr verneigen. Auch meintesie, ich solle sie nicht mit Herrin ansprechen, sondern nur mitArwen. Zuerst war ich etwas verwundert von ihrer so offenenfreundlichen Art, doch genauso schnell gewöhnte ich mich daran. Undmir war mit einem Mal klar, dass wir uns gut verstehen würden. Manhatte mein Gepäck bereits in ein Zimmer gebracht, meinte Arwen. DieGastfreundschaft der Elben war eine ganz besondere. Denn was ichnicht wusste war, dass ich kein gewöhnliches Gästezimmer bekam. Eswar ein altes Zimmer von der verstorbenen Gemahlin des Fürsten. Hierhatte sie einst in ihrer Freizeit gezeichnet, gelesen und musiziert.Es war ein recht offenes und dennoch wettergeschütztes Zimmer mitgroßen Fenstern und edlen Teppichen an Wänden und auf dem Boden.Dort standen einige volle Bücherregale, ein Kleiderschrank, einSchreibtisch, eine Harfe und ein schönes großes Bett aus wunderbarverziertem Gehölz. Es sah recht gemütlich aus. „Es istwunderschön!", meinte ich nur mit großen Augen. „Freut mich,dass es dir gefällt. Wenn du etwas brauchst kannst du dich bei mirmelden. Mein Zimmer ist direkt neben das deine. Ich wünsche dir nocheine erholsame Nacht und schöne Träume." Ich lächelte sie an undbedankte mich noch ein Mal bei ihr. Kurze Zeit später hatte ich michauch schon in ein langes seidenes Nachthemd gekleidet welches ich imSchrank gefunden hatte. Anschließend öffnete ich meine zu einemBauernzopf geflochtene Haare und kämmte sie aus.
Trotz der langen Reise schlug mich dieMüdigkeit erst einige Zeit später. Bis dahin schaute ich aus einemder großen geschwungenen Fenster. Von der Landschaft Bruchtalsbezaubert sah ich mich um. Durch Fackeln und Laternen erleuchtet lages da. Sie warfen ein kühles weißes Licht auf ihre Umgebung. Soklare Flammen hatte ich noch nie zuvor gesehen. Ich hatte vieles nochnie zuvor gesehen. Dies war eine völlig neue Welt für mich. Eineleichte tragende Melodie hallte von einem Pavillon weiter unten bis hoch zu meinem Zimmer. Eine Gruppe von Elben stimmte ihrenAbendgesang an. Harfe und Flöte begleitete sie dabei. Auf einer nahegelegenen Terrasse stand Elrond und schien sich mit seiner Tochterüber etwas zu unterhalten. Sie unterhielten sich auf Elbisch.Deshalb und wegen der Entfernung verstand ich kein Wort von dem wassie sagten. Nach dem Gespräch ging Arwen und ließ Elrond mit einemnachdenklichen Blick zurück. Während ich sein Gesicht im Mondlichtstudierte blickte er plötzlich in meine Richtung. Er hatte wohlbemerkt, dass jemand ihn beobachtete. Schnell verbarg ich mich hintereiner breiten Säule. Was ich nicht sah war, dass sich wieder einschiefes Lächeln auf seinen Lippen bildete. Danach wandte er sichebenfalls um und verschwand in einem Teil des weitreichendenGebäudes. Als ich erneut raus spähte war er fort. Erst jetzt merkteich, dass mein Herz schneller schlug und meine Wangen erhitzt waren.Was war nun wieder los mit mir? Hatte ich mich auf der Hinreiseerkältet? Schnell legte ich mich in das große Bett, deckte mich undschlug meine Augen zu. Es dauerte eine Weile bis mein Herzschlagwieder einem leichten Vogelschlag glich, als dem eines hektischenSchmetterlings.
Diese Nacht hatte ich einen mehr alsangenehmen, aber dennoch sehr sonderbaren Traum.
Ich stand in einem großenwunderschönen Garten. Ich trug ein helles edles Kleid mit langenÄrmeln und goldene Blätter zierten diese. Schien mich vor etwasoder jemanden hinter einem Baum zu verstecken. Plötzlich vernahm icheine leichte Windböe hinter mir. Noch ehe ich mich versah schlangensich zwei starke Arme um mich. Eine legte sich um mein Becken, diezweite knapp unter meine Brust. Ich wurde an einen großen warmenOberkörper gedrückt. Wahrscheinlich der von einem Mann. Ich spürtenoch seinen heißen Atem in meinem Nacken, ehe er dort einen sanftenKuss platzierte. Es kitzelte etwas, sodass ich kichern musste. Alsich meine Arme um die des Fremden legte spürte ich einen Ring anmeinem linken Ringfinger. Ich wollte mich gerade umdrehen, daverschwamm der Traum. Die Gestalt löste sich von mir. Nur ihr hellesklares Lachen schallte durch meinen Kopf. Helles Licht schien mir insGesicht. Die ersten Sonnenstrahlen hatten ihren Weg zu meinerSchlafstätte gefunden und weckten mich. Ich blinzelte einige Maleehe ich mich daran gewöhnt hatte. Seufzend richtete ich mich auf.Schade. Dabei war der Traum so schön.
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Liebe in Mittelerde
RomanceDie Geschichte einer klugen Schmiedtochter, die nach einem Heilmittel für ihren kranken Vater sucht und auf ihrer Reise den Herrn von Bruchtal kennenlernt.