Ada

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Es ist kurz nach neun Uhr abends und ich sitze in einem kleinen, schlichten aber durchaus gemütlichen Hotelzimmer im Zentrum von Montreal.
Heute gehe ich aus, was schon ungewöhnlich genug ist. Das mach ich fast nie, schon gar nicht in einem fremden Land.
Ich liebe es zu reisen, doch es ist jedes Mal eine Überwindung rauszugehen in die Welt. Widersprüchlich? Vielleicht.

Jedenfalls mache ich mich heute auf den Weg. An der Hotelzimmertür drehe ich fast noch einmal um, doch dann überwinde ich mich doch.
Die Rue St. Hubert ist eine triste Straße. Keine Geschäfte, kein Garnichts, nur ein paar kleine Hostels, die es sich leisten können, ihre Zimmer zu Wucherpreisen anzubieten, weil man zu Fuß innerhalb von drei Minuten mitten im Herzen der Stadt ist.
Ich weiß genau, wohin ich nun gehe. Schon als ich mein Zimmer gebucht habe, wusste ich, dass ich in der Rue Sainst-Denis leben will. Als ich dort aber in mein Hotel einchecken wollte, gab es ein technisches Problem und ich wurde in das Partnerhotel zwei Straßen weiter verfrachtet.
Doch heute Nacht ist diese Straße mein Ziel.
Ein florierendes Nachtleben, eine Bar reiht sich hier an die nächste, dazwischen befinden sich einige kleine Restaurantes die mich mit ihren Charm an Paris erinnern. Ich gehe die Straße entlang und fühle den Beat der Stadt, doch gleichzeitig fühle ich mich verloren. Ich beobachte die Leute, wie sie mir plaudern und lachend entgegenkommen. Die Straße ist jetzt zu Ende und mündet in eine andere. Das letzte Restaurant liegt hinter mir, das Licht der Boutiquen auch und meine Silhouette ist in langgezogener Form auf dem Boden zu sehen. Ich hatte mir fest vorgenommen, irgendwo reinzugehen, doch dann habe ich es aufgeschoben, Bar um Bar.
Noch gebe ich nicht auf, sage ich mir und kehre um. Wieder tauche ich ein in den Schein von zahlreichen Lichtern und das freudige Geschwätz der Glücklichen.
Ich sehe die Menschen, die vorher meinen Weg gekreuzt haben in den Bars sitzen und denke mir, dass sie ihren Platz schon gefunden haben.
"Oh my God! I love your trousers!" Ein Typ mit High Heels, weit ausgeschnittenen Top und mit langem Rock spricht mich an. Das ist Ada.

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