6 | Vertrauen

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Ich war wirklich überrascht diese Worte von einer für mich fremden Person zu hören.
Ich sah aus meinem Augenwinkel , dass ihre Augen feucht wurden und sie mit den Tränen zu kämpfen hatte.
Ihre Worte haben mich auch tatsächlich berührt.

"Also zuerst , das mit ihrem Sohn, das tut mir sehr leid für sie. Ich bin mir sicher sie waren trotzdem eine tolle Mutter gewesen. Manchmal sehen Eltern eben vor ihren ganzem anderen Sorgen , die sie betreffen nicht die Probleme ihrer Kinder und das kann man niemanden übel nehmen , denn Leute denen es nicht so gut geht verstecken dies meist oft und wollen sich niemanden anvertrauen , was natürlich schade ist , aber ich denke sie wollen ihrem Umfeld das Leben nicht erschweren oder sie haben Angst vor den Reaktionen ,  Angst nicht ernst genommen zu werden, ich will gar nicht näher ins Detail gehen und ,dass ich mein Leben genießen sollte, ja das weiß ich selbst , ich genieße es auch manchmal , aber an anderen Tagen wie heute weiß ich nicht so genau wie das klappen soll. Wir sind Menschen und wir existieren einfach nur , damit wir irgendwas machen , erst die Schule,  dann die Arbeit und die Rente kommt viel zu spät. Einem wird praktisch all die schöne Zeit seines Lebens genommen , die man hätte mit schöneren Dingen verbringen können,  das kann man leider nicht ändern.
Jedenfalls ich würde ihnen nur zu gerne versprechen für immer glücklich zu sein und das Schöne zu sehen , aber sie wissen nicht,  wie ich mich fühle , ich möchte ja selbst wieder lachen können und Abenteuer erleben."

"Das hast du wirklich toll gesagt, was heißt toll, toll ist was anderes , aber du weißt schon,  du hast deine Wahrheit gesagt , deine Meinung und wie das Leben nun mal abläuft ,das ist wahr , wie du es beschrieben hast.
Deine Worte könnten glatt von einer Achzigjährigen stammen , die fast ihr ganzes Leben hinter sich hat. Du hast es kurz und knapp erfasst , aber weißt du was , dann lass es uns ändern. Lass uns einfach das tun was uns Spaß macht. Das ist das Rezept des Glücklich seins. Du kannst mir gerne deine Probleme anvertrauen ,falls du Hilfe brauchst , wirklich. Ich habe gerne ein offenes Ohr für dich." , sagte die ältere Dame und ich konnte es noch immer nicht fassen solch einen toleranten und netten Menschen neben mir sitzen zu haben.
Diese Worte , die aus ihrem Mund kamen , sie berührten mich wieder und wieder aufs Neue.
Selbst aus meiner Familie hat mir niemand solche Sätze gesagt und das schätze ich an der tollen Frau so sehr.

"Ach sie sind wirklich so großartig, es sollte mehr Menschen geben , die so denken wie sie.
Sie könnten glatt als Psychologin durchgehen."

Erstaunt über mein selbstbewusstes Auftreten fuhr ich fort : "Und ich weiß es wirklich zu schätzen,  dass sie mir ihre Hilfe anbieten , aber niemand würde verstehen , womit ich zu kämpfen habe."

"Ach Psychologen. Die können mir gestohlen bleiben." , sagte sie schon fast verächtlich und sprach weiter.

"Die bringen einen doch nur selber um den Verstand.
Sie geben einem Tabletten und wollen irgendwas aus einem herausquetschen. Diese Tabletten sollen einen anscheinend beruhigen , aber im Nachhinein weißt du nicht mehr , was du tust.
Nach einer psychologischen Therapie fühlt man sich im Nachhinein genauso schlecht wie zuvor. Vielleicht sogar noch schlimmer.
Weißt du...
Als mein Sohn von uns ging,  da war ich am Boden zerstört, und nicht nur von ihm  enttäuscht , dass er Suizid begangen ist ,sondern noch viel mehr von mir ,weil ich eben nichts gemerkt habe. Ich habe mir monatelang Vorwürfe gemacht und habe Tag und Nacht geheult. Womit hat mein Sohn den Tod schon so frühzeitig verdient?
Ich würde lieber für ihn sterben, als , dass er leiden muss.
Ich war täglich am Friedhof und das Alles machte mich nur noch trauriger und wütender,  ich wusste nicht mehr weiter und so führte mein Weg zur Psychologin.
Ich merkte früh genug, dass mir diese Frau nicht helfen kann. Sie konnte gut zuhören und das war alles.
Später reduzierte ich die Friedhofbesuche auf 1x die Woche und später auf 1x im Monat. Umso mehr ich in die Realität zurück kehrte umso bewusster würde mir , dass die Zukunft etwas Gutes mit sich bringen wird.
So jetzt habe ich dir einen Teil aus meinem Leben erzählt,  jetzt bist du dran." ,forderte sie mich auf.
Ich hatte wirklich das Gefühl , ich könnte ihr mein Vertrauen schenken.
Absurd , dabei kenne ich sie gerade mal fünfzehn Minuten.

"Okey,  wundern Sie sich nicht , wenn ich Mist erzähle und alles durcheinander wird.
Ich habe vor ungefähr drei Jahren bemerkt , dass mit mir etwas nicht stimmt , beziehungsweise, dass ich mich anders verhalte als andere Mädchen in meinem Alter.
Ich war ihnen einen Schritt voraus sozusagen. So klug ich im Gehirn auch  war , so dumm waren und sind meine Handlungen und ich kann sie nicht verhindern.
Ich putze ständig alles, ich dusche viel zu oft,  was ja auch nicht so gut für meine Haut ist , ich wasche mir hundert mal am Tag die Hände und ich fasse im Bus die Stangen mit einem Taschentuch an. Ich bin wirklich überempfindlich und nicht normal.
Ich öffne die Toilette mit Klopapier , ich putze mein Besteck vor jedem Essen und ich kontrolliere ,ob Dinge an ihrem Platz sind und wenn nicht bekomme ich einfach Angst etwas könnte passieren.
Ich habe Angst vor Krankheiten und desinfiziere alles.
Früher musste ich jedes Auto Kennzeichen,  von dem Auto was an mir vorbei fuhr vorlesen , damit ich zufrieden war , wenn ich es nicht geschafft habe es vorzulesen fühlte ich mich schlecht,  dieses Gefühl ist zum Glück verschwunden.
Ich habe Kacheln auf dem Bürgersteig gezählt.
Ich überlege wann ich mein Geld an der Kasse raus holen soll , damit ich damit nicht zu lange in Berührung komme.
Ich bleibe stehen oder kehre zurück,  wenn ich einen Käfer auf der Straße sehe , um zu sehen ob er lebt oder ob er Hilfe braucht. Das ist echt skuril. Ich weiß es selbst,  doch ich weiß keine Lösung.
Als meine damalige beste Freundin feststellte,  dass ich mich mit alltäglichen Aufgaben so schwer anstelle , hat sie mich einfach verlassen, sie hat sich darüber lustig gemacht, sie hat mir Dinge geklaut und wollte meine Reaktion sehen , sie hat mich wirklich verletzt und enttäuscht und wissen sie was das Schlimmste ist ?
Ich bin so verrückt , dass ich sie vermisse.
Komischerweise habe ich absolut nichts dagegen wenn meine Katze in meinem Bett schläft oder wenn ich in der Natur bin, dann habe ich kein Problem damit sogar barfuß durch den Rasen zu laufen. In der Natur bin ich ich , so blöd es klingen mag , da bin ich frei von diesen dummen Angewohnheiten. Manchmal geht es mir so gut und am nächsten Tag habe ich einfach keine Motivation und bin schwach. Das ist das was mich so fertig macht."

Nachdem ich meinen Monolog beendet habe , nickte die Dame mir verständnisvoll zu und man sah ihr an , dass sie auf der Suche nach den passenden Worten war.
Ich gab ihr die Zeit einfach und lächelte.

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