Tropf, Tropf
Das kontinuierliche Plätschern von Wasser in einer Pfütze formte sich in Errens Kopf, als sein Geist langsam wieder wachdämmerte. Das grelle Licht der hoch stehenden Mittagssonne blendete ihn, als er die Augen aufschlug. Dunkle Silhouetten zeichneten sich gegen das goldene Sonnenlicht ab.
Seine Knochen schmerzten und in ihm war das merkwürdig matte Gefühl, das er schon einmal gehabt hatte, als er nach seinem Sturz in die Nieße tagelang bei der alten Stute Gretel im Koma gelegen hatte, bis er endlich aus seinem Fieberschlaf erwacht war. Doch die Unterlage, auf der er lag, fühlte sich weich an. Wo war er also?
Tropf , Tropf
Mit gegen das helle Licht verengten Augen hob der goldene Hengst den Kopf und blickte sich um. Er befand sich in einem Raum, der aus Holz gezimmert und mit Lehm abgedichtet war. Dennoch konnte man deutlich sehen, dass Feuer an den morschen Balken gezehrt hatte.
Wenn er nur gewusst hätte, was überhaupt geschehen war, dass er sich so furchtbar schlapp fühlte. War er in einen Hinterhalt geraten? Er konnte sich nur noch daran erinnern, dass er mit Faenja in den Nebel hinausgelaufen war. Doch wo war seine Gefährtin jetzt?
Tropf, Tropf, Platsch!
»Du b..bist wach!«
Erren erschrak, als er Tills Stimme erkannte. Hatte er Sjørgren gar nicht verlassen? Den Kopf schüttelnd, um das schummrige Gefühl loszuwerden, blinzelte er ein paarmal, bevor er wahrnahm, dass er in einem der heruntergekommenen Häuser in Sjørgren lag. Den merkwürdigen Instrumenten, die überall auf den Tischen des Raumes herumlagen und den vielen kleinen Betten zufolge, musste dies offenbar das ehemalige Haus eines Arztes gewesen sein.
Till, das kleine, schwarzgraue Pony stand an Errens Bett, die Vorderhufe auf das Gestell gestützt, und blickte ihn durch seine Brille mit riesigen Glubschaugen an. Doch von seiner Gefährtin war noch immer keine Spur.
»Wo ist Faenja?«, wieherte Erren aufgeregt, als er aufzuspringen versuchte. Doch seine Beine knickten einfach nur schwach unter seinem Körper weg. »Was hast du mit ihr gemacht?!«
Mit einem weiteren Ruck sprang Erren dann vom Bett herunter, dieses mal hielten seine Beine stand, schnappte sich einen verkohlten Stock mit einem langen Nagel an einem Ende und ging damit auf das alte graue Pony los. Till machte einen entsetzten Satz zur Seite, als der goldene Hengst auf ihn zustürmte. Das bewirkte nur, dass Erren unkontrolliert in einen Stapel schwarzer Holzfässer hinein rannte, deren Splitter nach dem Zusammenprall in alle Richtungen flogen.
»Ho! Ho! Schone d...dich! Du hast ganz schön was abbekommen.«
Doch Erren war viel zu aufgebracht, um den Rat des Ponys zu befolgen. Etwas unbeholfen rollte er sich auf dem Haufen Schutt heraus, landete wieder auf den Hufen und sackte erneut vor Till zusammen als er sich aufzurichten versuchte. Das konnte doch nicht wahr sein! Er war doch kein Weichling! Was hatte ihm so zugesetzt, dass er nicht einmal mehr richtig aufstehen konnte?
»Du k...kannst ja so stur sein, junger Hengst«, schmunzelte der alte Till mit einem bitteren Lächeln, bevor er den Kopf hängen ließ. »Wenn es nicht schon g...geschehen wäre würde ich dir sagen, dass dich das eines Tages in große Schwierigkeiten bringen könnte.«
»Du verdammter-! Was hast du mit ihr angestellt?!«, brüllte Erren, wand sich unter enormer Anstrengung wieder auf die Hufe und startete einen erneuten Angriff. Doch dieses Mal war Till vorbereitet. Er duckte sich und stemmte seine Schulter gegen Errens Bauch, als dieser auf die Hinterbeine stieg. Das brachte den Hengst aus dem Gleichgewicht und er musste seinen Angriff abbrechen, um sich erst einmal wieder zu sortieren.
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Erren - Das verlorene Königreich (Leseprobe)
FantasyACHTUNG: Diese Geschichte ist verfasst als eine Art Fabel, in der alle Hauptcharaktere als Pferde dargestellt sind.Ihr Verhalten ist jedoch soweit vermenschlicht, dass die Story jederzeit auf Menschen umgeschrieben werden kann. »Ein weises Pferd sa...