7. Kapitel

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Gwendolyn

Der vergangene Tag war wirklich von Höhen und Tiefen übersäht.
Grundlegend jedoch von Tiefen.
Blondschopf war wirklich ein absolutes Arschloch! Freiwillig werde ich keine einzige Sekunde mehr mit ihm verbringen!
Zum Glück konnte ich den Privatunterricht im Schloss ohne Jayce verbringen und stattdessen seine reizenden Schwestern näher kennenlernen.

Joselynn und Rosalie waren wirklich entzückend, wenn man einmal davon absah, dass sie Jayce unglaublich ähnlich sahen und Rose ein paar Eigenschaften mit ihrem arroganten Bruder teilte.
Doch Josey war mir sympathisch.
Mit ihren blonden, sanften Locken und den hellblauen Augen war sie eine wahre Naturschönheit.
Rose natürlich auch, da sie so ziemlich dasselbe Gesicht wie ihre Zwillingsschwester hatte.
Lediglich die Nasen der beiden Schwestern unterschieden sich.

„Madame Montgomery?"
Die, von starkem französischen Akzent geschmückte, Stimme von Madame Leroy ließ mich zusammenfahren und schnell wandte ich meinen Blick von den Zwillingen ab.
„Ja?"
En François", tadelte mich die ältere Dame und wackelte mit dem Finger.

Madame Leroy war eine ältere Frau, so um die fünfzig oder sechzig, mit dunklen Haaren, welche von feinen, grauen Strähnen durchzogen wurden.
Auf ihrem Nasenrücken ruhte ein rotes Brillengestell, welches sie alle fünf Minuten wieder nach oben schob.
Ihre strengen Gesichtszüge hatten einiges mit meiner alten Mathelehrerin Miss Green gemein, doch ihre Stimme war erstaunlich sanfter, als ihr Aussehen zu vermeinen mag.

Oui?", wiederholte ich meine vorherige Aussage in der gewünschten Sprache und hielt mir nur mit Mühe das Kichern zurück, welches in meiner Kehle aufstieg.
Noch vor wenigen Minuten war ich der Annahme, dass Ja auf Französisch nicht Ou sondern heißt.
Das fasst meine Spanisch- und Französisch-Kenntnisse ziemlich gut zusammen.

Je veux plus d'attention, Madame Montgomery", murmelte Madame Leroy undeutlich und taxierte mich mit einem warnenden Blick, ehe sie sich wieder an die Zwillinge widmete.
Jaja, dieser Privatunterricht unterschied sich kaum von den Stunden an meiner alten Schule.

Aber wie sollte ich mich auch auf den Stoff konzentrieren, wenn Blondschopf wie eine lästige Biene in meinem Kopf herumschwirrte?
Ich hatte schon oft genug versucht, ihn zu verscheuchen, doch Jayce ließ sich einfach nicht abschütteln.
Immer wieder tauchten seine funkelnden, blauen Augen in meinen Gedanken auf.

Mittlerweile war ich mir ziemlich sicher, dass Jayce ein absolutes Arschloch war.
Würde es eine Auszeichnung für den Widerling des Jahres geben, wäre Blondschopf dreifacher Sieger.
Wie konnte man nur so arrogant sein? Sein süffisantes Lächeln klebte förmlich an seinen Lippen.
An seinen schönen, blassrosa Lippen, welche die perfekte Kontur und die perfekte Fülle hatten, um jemanden den erinnerungsreichten Kuss seines Lebens zu schenken.
Was denkst du da, Gwen?!

Ja, stimmt. Was zur Hölle dachte ich da?!
Ich schüttelte den Kopf und kniff die Augen zusammen, während ich versuchte, Jayce aus meinen Gedanken zu verbannen und Madame Leroys Worten zu lauschen.

Josey und Rose kritzelten wie wild auf ihren Notizblöcken herum und unwillkürlich griff ich nach meinem zerkauten Kugelschreiber, welcher unberührt neben dem schneeweißen Blatt lag.
Im Gegensatz zu den beiden Schwestern, hatte ich es bis jetzt vermieden, Madame Leroys ausgesprochene Worte auf ein Blatt niederzuschreiben.
Wozu auch? In meiner alten Schule hatte ich das nie nötig.

Pas de notes?"
Madame Leroy war vor meinem kleinen Tischchen stehen geblieben und starrte mit gerümpfter Nase auf die leere, aufgeschlagene Seite vor mir.
Irgendwie war mir diese Frau unsympathisch. Vielleicht lag es daran, dass mich ihre missbilligende Art, als wäre ich nicht gut genug für diesen Unterricht, an Königin Gail erinnerte, welche auch kein einziges, nettes Wort für mich übrighatte.

Irgendwo zwischen Romeo und JuliaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt