Kapitel 1

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Der Kampf in Vanaheim tobte. Das Chaos beherrschte das Schlachtfeld. Die Krieger der Vanir kämpften tapfer und ohne Furcht. Die gegnerische Armee war aber nicht weniger engagiert. Allerdings verloren sie viel mehr Anhänger als die Vanir. Trotzdem rückten immer mehr nach. Es war, als hätten sie keine Angst vor Verlusten und als würden sie genau darauf ausgelegt sein.

Man könnte sie als tollwütige Tiere bezeichnen, die nur dafür da waren zu sterben. Mit jedem Angriff verlor schließlich ein Krieger der Vanir ein wenig seiner Kraft und, dass immer mehr nachkamen nagte langsam, aber sicher an ihrer Zuversicht.

Der Vergleich zu den Tieren war dem Äußeren der angreifenden Armee geschuldet. Sie hatten zwar den Körperbau und die Haltung von Menschen, doch sie waren mit tiefbraunem, verfilztem Fell überzogen.

Nicht zum ersten Mal in der heutigen Schlacht war Claire erleichtert darüber, dass die Rüstungen der Krieger aus strahlendem Gold waren. So konnte man trotz des Chaos gut den Freund vom Feind unterscheiden. Sie selbst war durch eine grüne Rüstung geschützt.

Die Vanir kämpften tapfer und ohne Furcht, auch wenn viele von ihnen das Tageslicht nie wieder sehen würden. Es war schrecklich, aber die Vanir würden nicht zulassen, dass ihr ältestes Artefakt die Mauern des Schlosses verließ. Und erst recht nicht, dass es dem Feind in die Hände fiel.

Timaklukka, oder im Volksmund Maguh genannt. Sie ist wohl behütet im Schloss aufbewahrt und war lange nicht mehr als eine Legende, die die Vanir ihren Kindern erzählten. Daher war die Überraschung groß, als an diesem Morgen zwei Fremde in ihrer Welt aufgetaucht waren und nach der Maguh verlangten.

Die Fremden hatten die Kapuzen ihrer Umhänge tief ins Gesicht gezogen und liefen gebeugt. Trotzdem ragten sie weit über die Vanir auf. Wären sie aufrecht gelaufen, wären sie wohl nie durch die große Schlosstür gekommen. Sie waren nicht so behaart wie ihre Krieger, aber nicht weniger angsteinflößend. Für wen sie die Maguh wollte, sagten sie nicht, aber es war klar, dass sie im Auftrag von jemandem da waren.

Prinz Baoas tat zunächst auf unwissend, nachdem die Fremden jedoch eine Drohung aussprachen und verschwanden, rief er seine Krieger zusammen. Mit den Jahren war die Maguh ein Geheimnis der Adligen geworden, doch nun war Prinz Baoas gezwungen die Wahrheit zu sagen.

Die Aufruhr unter den Vanir war groß, doch als die Fremden ihre Drohung wahr werden ließen und mit einer Armee kamen, rüsteten sie sich in Windeseile zum Kampf. Seitdem tobte vor den Toren des Schlosses die Schlacht. Auch Claire war angetreten. Sie wollte ihr Zuhause beschützen und so musste Prinz Baoas sie nicht groß überreden.

Trotzdem hatte er ihr in wenigen Worten die Macht der Maguh beschrieben. Da sie nicht in Vanaheim geboren war, kannte sie die Legende nicht. Doch jetzt wusste sie, dass eine falsche Anwendung das Universum vernichten konnte.

Sie wirbelte nicht weit vom Prinzen entfernt herum und schlug auf jeden Angreifer, der in ihre Nähe kam. Aber egal wie viele sie niederstreckte, es kamen welche nach. Es wollte einfach kein Ende nehmen. Immer mehr stürmten aus dem Wald auf sie zu.

Claire war klar, dass sie das nicht mehr lange durchhalten würden. Ihre Klinge war vom orangenen Blut getränkt und ihr Schild war von Kratzern übersät. Erneut musste sie es heben und dahinter in Deckung gehen, als ein weiterer Angreifer mit aufgerissenem Maul auf sie zusprang.

Sie konnte unter ihm hindurch gucken und den Ansturm, der ihm folgte erahnen.

Langsam stellte sich ihr die Frage, woher diese Biester kamen. Mit Schwung hob sie ihr Schild in die Höhe und schleuderte den Angreifer, der sich daran festgebissen hatte, durch die Luft. Ihr Schwert hatte einen weiteren Gegner gefunden und bohrte sich in dessen Hals. Claire erhaschte einen kurzen Blick auf den Prinzen, welcher an der Spitze von Angreifern umzingelt wurde. Auch die anderen Krieger hatten mit mehr als nur einem Gegner zu tun.

Langsam aber sicher wurde die Armee der Vanir separiert.

Sie standen nicht mehr geschlossen, sondern alle verstreut über das ganze Feld. Ein weiterer Angreifer zog Claires Aufmerksamkeit auf sich. Ihr Schwert schnellte durch die Luft, während sie ihr Schild schützend über ihrem Kopf platzierte. Sie drehte sich im Kreis, doch so langsam wurde sie unter Gegnern begraben. Ihr blieb nur ein Ausweg. Sie zog den Kopf ein und balancierte ihren Schild im Nacken, um eine Hand frei zu haben.

Diese ließ sie zu Boden sinken. Mit den Fingerspitzen berührte sie die matschige Erde, während sie leise Formeln vor sich hinmurmelte. Die Erde wurde fester und begann zu glühen. Da brach der Kopf eines Angreifers unter das Schild und kurz starrte Claire in dessen tiefschwarze Augen.

Mit einem Ruck drückte sie die Hand in die Erde und eine Welle ging durch den Boden, die jeden Gegner von ihr schleuderte. Sie hatte lange nicht mehr gezaubert und so huschte ein erleichtertes Lächeln über ihre Lippen, als der Zauber glückte. Ein Donner grollte über den strahlend blauen Himmel und mit einem Mal zog eine dunkle Wolke auf. Der laute Knall, als ein Blitz zwischen Claire und Prinz Baoas einschlug und etliche Gegner davon wirbeln ließ, hallte über das Schlachtfeld und ließ sogar das schwere Holztor des Schlosses erzittern.

Auf Claires Lippen festigte sich ein Grinsen, als sie sich auf ihrem Schwert vom Boden hochdrückte. An ihrem rechten Auge zog sich ein kleiner Kratzer entlang, aus dem ein wenig Blut austrat. Sonst ging es ihr gut, da ihre Rüstung so verzaubert war, dass ihr darin nichts Schlimmes zustoßen konnte.

Ihr Blick fand Thor und das Grinsen verschwand kaum merklich von ihrem Gesicht. „Wo...", setzte sie an, doch der Blonde schüttelte nur den Kopf. Damit wollte sie sich jedoch nicht zufriedengeben, also lief sie mit großen Schritten auf ihn zu. Sie griff nach der Hand des Gottes und schloss die Augen.

Für einen kurzen Moment hielt die Zeit an. Es war, als würden alle gebannt auf Claire starren und den Atem anhalten.

Sie zuckte zurück und ließ Thors Hand los, als hätte sie sich verbrannt. In ihrem Blick war eine Mischung aus Wut, Trauer, Unglaube und Enttäuschung. Es war, als würde ein kurzer, stummer Austausch zwischen ihr und Thor stattfinden, bevor sich der Blonde an Prinz Baoas wandte. Dieser hatte das Szenario stumm beobachtet, stellte jedoch keine Fragen, da er wusste, dass ihnen dafür die Zeit fehlte.

„Lasst uns verhindern, dass sie diese Uhr bekommen", verkündete Thor laut und stellte sich in Kampfstellung. Claire war zurück zu ihrem Schwert gelaufen, welches sie achtlos im Matsch stecken gelassen hatte. Dann ging der Kampf weiter. Beinahe so, als wäre er nie unterbrochen worden. Nur Claire schien unachtsamer als zuvor.

Ich werde nicht betteln!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt