Kapitel 10

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Am Abend saßen der Prinz, die Prinzessin und Thor gemeinsam im Salon vor dem Kamin und starrten in die Flammen. Dort saßen sie, seit sie Loki in Ketten gelegt in den Kerker gesteckt hatten. Ihr Hoffnung, dass Claire wieder aufwacht, war beinahe gänzlich erloschen.

„Das war wohl nichts", brachte der Prinz irgendwann raus und Thor nickte. Er warf seinen Hammer in die Luft und fing ihn wieder auf. Die Geste wiederholte er. Sie half ihm irgendwie beim Denken.

„Was machen wir denn jetzt?", fragte Prinzessin Biana mit brüchiger Stimmer. Sie hatte ihren kleinen Drachen auf dem Schoß und strich vorsichtig über dessen Kopf. Jeden Moment konnte sie in Tränen ausbrechen, wenn sie weiter über Claire und ihr Schicksal nachdachte. Aber sie hielt sich zurück. Sie wollte stark wirken und sie weigerte sich, vor anderen zu weinen. Noch war Claire da und schlief. Die Hoffnung bestand, dass sie wieder aufwachte.

„Wir sollten Loki von ihr fernhalten", meinte der Heiler, welcher plötzlich in der Tür auftauchte, „Ihr Herz ist durchgedreht und hat aufgehört zu schlagen. In dem Zustand überlebt sie so was nicht nochmal." Er lies sich in einen freien Sessel sinken und vergrub das Gesicht in den Händen.

„Wir müssen uns etwas anderes einfallen lassen", meinte er dann. Thor nickte und stellte endlich seinen Hammer auf den Boden. Das Werfen hatte die Prinzessin noch nervöser gemacht. „Erstmal bringe ich Loki zurück nach Asgard. Je weiter er von ihr weg ist, desto besser", erklärte Thor und stand auf.

„Ich hol ihn", rief die Prinzessin und sprang ebenfalls auf, „Dann könnt ihr euch überlegen, wie wir sie wieder aufwecken." Verwirrte Blicke legten sich auf sie, während sie ihren kleinen Drachen auf den Sessel bettete. „Sicher, Schwester?", fragte Prinz Baoas und die Prinzessin nickte eifrig.

„Ich brauche frische Luft und auf dem Rückweg hole ich ihn aus den Kerkern", sagte sie und bevor noch irgendjemand etwas dagegen äußern konnte, war sie zur Tür hinaus.

„Die ganze Situation setzt ihr sehr zu", erklärte der Heiler und Prinz Baoas nickte. „So traurig habe ich sie noch nie gesehen", meinte er und zuckte mit den Schultern. Prinzessin Biana machte sich direkt auf den Weg zu den Kerkern. Sie konnte nicht glauben, dass Loki ihnen nicht geholfen hatte. Den ganzen Nachmittag hatte sie sich den Kopf zerbrochen, was heute Morgen bei Claire vorgefallen sein könnte. Sie hoffte inständig, dass ihre Vermutung richtig war, doch das konnte ihr nur einer bestätigen und der war in den Kerkern eingeschlossen.

Loki lag auf einer dünnen Matratze in der Ecke des Raumes. Er hatte sich zusammengerollt und starrte die Mauer an. Wieder und wieder dachte er an Claire und überlegte, was er falsch gemacht haben könnte. Als er sie dort liegen gesehen hatte, war er der festen Überzeugung sie aufzuwecken. Doch jetzt hockte er hier unten und wartete darauf, zurück nach Asgard geschickt zu werden. Er wollte wenigstens die Chance bekommen, sich von ihr zu verabschieden. Das leise Klicken des Schlosses lies ihn hochfahren. Sein Blick ging zur Tür, in welcher Prinzessin Biana stand. Sie hielt den Schlüssel zu seinen Ketten in der Hand und musterte ihn. Im Kopf ging sie ihre Möglichkeiten durch und ständig fragte sie sich, ob sie ihm wirklich vertrauen konnte.

„Claire", sagte sie und lies den Schlüssel von einer Hand in die andere wandern. Lokis Blick folgte ihm, doch dann hob er die Augen. „Was ist heute morgen passiert?" fragte die Prinzessin, während Loki auf seinem Bett saß und abwartete. In seinem Kopf schmiedete er tausend Pläne, wie er der Prinzessin den Schlüssel abnehmen konnte, um Claire noch ein letztes Mal zu sehen.

„Ich weiß es nicht", antwortete er wahrheitsgemäß. „Sie hat auf dich reagiert", überlegte die Prinzessin weiter und Loki nickte. Unsicher darüber, wo das Gespräch hinführen sollte. Er sah die Schliere auf dem Gesicht von Prinzessin Biana, die zeigte, dass sie geweint hatte. Ihre Wimperntusche war etwas verschmiert, aber das schien sie im Moment nicht zu stören. Oder sie wusste es nicht.

„Aus Hass?" Die Worte trafen Loki direkt in die Magengrube und er schüttelte sofort den Kopf. Er wollte nicht glauben, dass sie deshalb auf ihn reagiert hatte. Der reine Gedanken schmerzte ihn. Auch, wenn er es ihr nicht verübeln könnte, nach allem, was er ihr angetan hatte.

„Seid ihr ein Paar?" äußerte die Prinzessin eine weitere Vermutung, auf die Loki nur mit den Schultern zucken konnte. Darüber hatte er sich noch keine Gedanken gemacht. „Liebst du sie?" Die Frage hallte leise von den Wänden der Zelle wieder und erdrückte Loki förmlich. Ihm war nicht wohl dabei, dass es, so früh nachdem er es sich selbst eingestanden und Claire gesagt hatte, noch mehr erfuhren. Kaum merklich nickte er jedoch, da er nicht mehr lügen wollte. Jedenfalls nicht in dieser speziellen Sache. Und irgendwas sagte ihm auch, dass die Prinzessin ihm vielleicht sogar helfen konnte.

„Du hast sie gerade nicht versucht zu töten, als du bei ihr warst?" fragte die Prinzessin weiter. Ihr Bruder hatte es so dargestellt, als hätte Loki versucht Claire zu töten. Doch jetzt, wo sie das blanke Entsetzen auf seinem Gesicht sah, wusste sie, dass es ein Missverständnis sein musste.

Loki war vom Bett aufgesprungen und mit großen Schritten auf die Prinzessin zugelaufen. Allerdings waren seine Ketten an der Wand, entgegengesetzt zur Tür, festgemacht und verboten ihm, noch näher zu treten. Er musste gezwungenermaßen in der Mitte des kleinen Raumes stehen bleiben.

„Ich würde ihr niemals absichtlich Schmerzen zufügen", zischte er auf die gestellte Frage und verengte seine Augen. Das Lächeln, welches sich auf dem Gesicht der Prinzessin ausbreitete, ließ ihn stutzen.

„Mehr wollte ich nicht wissen", sagte sie und Loki befürchtete, sie würde wieder gehen. Doch das tat sie nicht. Sie warf den Schlüssel von der einen in die andere Hand, als wolle sie ihm nochmal zeigen, wie nah seine Freiheit doch war.

„Thor will dich zurückbringen", verkündete sie dann, während ihre Finger die Schlüssel am Bund hin und her schoben. „Und?" Unruhig beobachtete Loki die Prinzessin, bis sie den passenden Schlüssel gefunden hatte. „Sie haben aufgegeben", erzählte sie weiter und wirkte mit einem Mal viel Selbstbewusster und nicht mehr so traurig, „Sie glauben, wir brauchen einen neuen Plan, um Claire aufzuwecken."

Langsam stahl sich eine Vermutung in Lokis Kopf, die ihn schelmisch Lächeln lies. „Aber du bist anderer Meinung?" vermutete er und die Prinzessin zuckte mit den Schultern. „Lass mich nochmal mit ihr reden", verlangte er und hielt Prinzessin Biana auffordernd seine Ketten entgegen.

„Kann ich dir denn vertrauen?" fragte sie und sah misstrauisch auf die silbernen Streben an seinen Händen. Sie verhinderten, dass er seine Magie nutzte. Sie hielten ihn hier fest.

„Finde es heraus", raunte Loki und kurz zweifelte die Prinzessin. Sie löste den Schlüssel für die Kette, die ihn an der Zellenwand festhielt vom Bund. Die restlichen Schlüssel lies sie in den Ausschnitt ihres Kleides fallen, in der Hoffnung, dass Loki nicht danach greifen würde, sobald er sich frei bewegen konnte.

„Keine Spielchen", verlangte sie, als sie näher an den Gott herantrat. Loki hob seine Hände, als wolle er zeigen, dass er unbewaffnet ist. Sie waren vor seinem Körper festgebunden, sodass er ihr nur die Handflächen zeigen konnte. Für die Prinzessin war das genug und sie löste die Kette, damit er die Zelle verlassen konnte. Sie griff zwischen seine Hände, an die Querstange und zog ihn mit sich aus dem Raum. Wachen, die ihnen über den Weg liefen guckten komisch und boten ihre Hilfe an, doch die Prinzessin lehnte ab. Sie führte Loki durch den Palast zur Eingangshalle.

Ich werde nicht betteln!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt