Kapitel 5

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Ich stehe auf einer großen Wiese, mit vielen bunten Blumen. An einem großen, alten Baum hängt eine Schaukel. Eine Schwalbe fliegt an mir vorbei. Als ich ihr hinterher blicke, und mich wieder zur Schaukel wende, steht dort Anna vor mir. Mit zerzausten Haaren und in ihrem blauen Kleid steht sie vor mir. „Anna!" schreie ich erfreut. Ich will auf sie zu rennen, doch komme ich nur bis auf wenige Meter an sie heran. „Anna!" schreie ich dieses mal etwas verzweifelter. Doch meine Schwester reagiert nicht auf mich. Ich will mich durch diese unsichtbare Wand schlagen, doch ich bin zu schwach. „Anna.". Meine rufe werden immer leiser und verzweifelter. Mittlerweile bin ich auf den Boden gesunken. Mein Kleid wird nass und färbt sich durch den Schlamm dunkelbraun. Ich blicke zu meiner kleinen Schwester auf. Mit einem Mal bewegt sie sich auf mich zu. Enthusiastisch springe ich auf und versuche erneut sie zu erreichen. Die unsichtbare Mauer jedoch ist kein Stück gewichen. Ich trommele mit meinen Fäusten gegen diesen undurchdringbaren Schwall, als sich hinter meiner Schwester eine große Person in dunkler Kleidung aufbaut. Vor lauter Schreck stoppe ich das Trommeln meiner geballten Hände. Irgendwo her ist mir diese Person bekannt. Doch ein Gesicht kann ich nicht erkennen. Diesen Fakt stelle ich jedoch in den Hintergrund, als die Person eine Waffe hebt. Anna scheint zu mir zu blicken, sie scheint mir in die Augen zu blicken. Ich springe auf, wedele mit meinen Amen und schreie Warnrufe und erneut ihren Namen aus meiner, mittlerweile ausgetrockneten, Kehle. Anna lächelt mich jedoch nur leicht an, so wie es bereits in unserer Jugend tat oder wenn sie etwas unsicher war. Nach dem Tod unserer Eltern lächelte sie mich oft so an. Ein lächeln, welches äußerlich echt aussah, aber nicht ihre Augen erreichte. Mit einem Mundwinkel hochgezogen. Dabei kneift sie leicht ihre Augen zu. Unsicherheit strahlt sie aber jetzt, im Moment meiner größten Panik, nicht aus. Gefestigt steht sie da und scheint die sich von hinten annähernde Person nicht zu bemerken. Als der Unbekannte Anna erreicht habe ich das Gefühl, dass meine Hände schon verstaucht oder gar gebrochen sein müssen. Mit aller Kraft schlage ich gegen die Wand, welche aber unerbittlich steht und mich von meiner Schwester fernhält. Eine Hand legt sich auf die Schulter meiner Schwester. Auch diese scheint sie nicht zu bemerken. Der Schaft des Revolvers zeigt auf den Kopf meiner Schwester, welche sich nicht bewegt hat. Warum läuft sie nicht weg? Warum wehrt sie sich nicht? Ein lauter knall stoppt mich in meiner trommelnden Bewegung. Ich lehne mich an die Mauer an und versuche so eine Nähe zu Anna aufzubauen. Ihr Blick wird immer verzweifelter. Die Lebensfreude verschwindet aus ihren Augen. Sie reißt den Mund auf. Als will sie schreien. Doch augenscheinlich verlässt kein Ton ihren Mund. Das kann auch an der unüberwindbaren Mauer liegen. Doch diese Theorie erscheint mir unlogisch, als ich ein Flüstern vernehme. „Das ist alles deine Schuld, Charlotte. Du. Du. Du!". Zum Schluss wird das Flüstern zu einem schmerzverzerrten Schreien. Mit einem letzten Blick in meine Augen sinkt meine kleine Schwester zu Boden. Ihr Blut spritzt in alle Richtungen und auch ihr Mörder bekommt etwas davon ab. Dies scheint ihn jedoch nicht zu stören, denn er nimmt Anna an ihren Füßen. Ihre Leiche wird über die Wiese in den nahegelegenen Wald gezogen. Leicht stolpere ich nach vorne. Ist die Wand geweicht? Vorsichtig taste ich nach dem Hindernis, durch welches ich meiner Schwester nicht helfen konnte. Nichts zu spüren. Ich springe auf und suche nach der Wand. Kein Hindernis berührt meine Finger. Mein Bodenlanges Kleid raffe ich ein wenig hoch und renne so schnell ich kann in Richtung des Waldes. Hinter meiner Schwester und ihrem Mörder her. Ich bin bereits mehrmals umgeknickt, aber das spornt mich noch mehr an. Nach kurzer Zeit habe ich den Wald erreicht. Als ich ihn betrete, wird mir mit einem Mal eisig kalt. Das wenige Tageslicht, welches mit Müh und Not die dichten Baumkronen durchdringt, spendet mir ein wenig Licht. In welche Richtung hast er sie gezogen? Hinter mir raschelt etwas. Ich will mich nicht umdrehen, aber eine überirdische Macht zwingt mich dazu. Hinter mir steht der Mörder meiner kleinen Schwester. Ein paar, in Handschuhe gehüllte, Hände ziehen die Kapuze vom Kopf des Täters. Doch was ich dort sehe, lässt mir den Atem socken.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 26, 2018 ⏰

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