Kapitel 3 - Nico

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Vor ist sass ein Junge und starrte sie an.

Jen starrte zurück.

Und auf einmal war der Junge weg.

Jen erschrak und blinzelte, und als sie wieder hinsah, war der Junge auf einmal wieder da. Er sass an der genau gleichen Stelle und starrte sie an. Jen holte tief Luft, plötzlich verspürte sie leichte Kopfschmerzen. Wahrscheinlich war das nur ein Nebeneffekt von ihrer Wut auf Gollum und der Junge war gar nie weg gewesen. Doch die eigentliche Frage war, was machte der Junge überhaupt hier?

"Hallo", sagte Jen, ausnahmsweise nicht so vorlaut.

Der Junge nickte ihr zu, sagte jedoch nichts. Das Erste, was Jen auffiel, war, dass er stechend blaue Augen hatte.

"Was machst du hier genau?", fragte Jen, da er nicht sonderlich gesprächig wirkte.

"Siehst du doch." Seine Stimme war tief und weich, doch das verminderte die abweisende Antwort nicht.

"Wie kommst du darauf, einfach hier rein zu gehen? Wer bist du überhaupt?" Jen wurde langsam wütend.

Der Junge fuhr sich mit der Hand durch das dichte schwarze Haar. "Wie kommt du auf die Idee, einfach hier rein zu kommen?"

"Das ist seit 5 Jahren mein Ort!", entrüstete sich Jen, wohlwissend, dass sie keinen rechtlichen Anspruch auf das Haus hatte.

"Tja, jetzt bin ich halt auch hier." Der Junge zuckte mit den Schultern und Jen hätte nie gedacht, dass man diese Geste so arrogant hinbekommen konnte.

"Pfff", machte Jen wütend. Ihr fiel beim besten Willen nichts intelligenteres ein.

"Wie heisst du denn?", fragte der Junge beinahe schon amüsiert. Okay, Punkt für ihn, das war etwas intelligenter.

"Jen."

"Ich meine deinen richtigen Namen."

Punkt wieder abgezogen. "Jennifer", schnaubte sie. "Aber allen nennen mich Jen."

"Aha." Er nickte, als hätte er dadurch die Weisheit des Lebens erlangt.

"Wie heisst du?" Jen funkelte ihn an.

"Nico."

Für einen Moment war sie sprachlos. Nico?! Das war doch auch eine Abkürzung!

"Ich meine deinen richtigen Namen", äffte sie ihn nach.

Er lachte, was Jen ziemlich überraschte. Sie hätte nicht gedacht, dass er etwas anderes als ein arrogantes Mundwinkelzucken hinbekommen würde. Andererseits kannte sie ihn auch erst seit zehn Minuten. "Nico ist mein voller Name. Das ist keine Abkürzung."

Überrascht fuhren Jens Augenbrauen in die Höhe. Als Mr.-keine-Abkürzung wieder weg schaute und die Unterhaltung offenbar für beendet hielt, setzte sich Jen auf eine Kiste und begann, missmutig ihre Sachen auszupacken und machte sich an den Deutschaufsatz.

"Hausaufgaben?" Nico hatte offenbar doch beschlossen, dass sie interessanter sei als das misslungene Ölfarbenbild einer alten Frau.

"Ja."

"Hast du keine Schule?"

"Hast du keine Schule?!"

"Doch. Aber heute nicht. Lehrersitzung oder so."

"Hm", machte Jen und fragte sich, in welche Schule er wohl ging.

"Du hast meine Frage nicht beantwortet", bemerkte Nico nach einer Weile.

"Gut beobachtet", knurrte Jen und wünschte sich mit einem Mal, dass sie wieder in die Schule zurückkonnte. Sie warf sich die rabenschwarzen Haare über die Schulter und schrieb den Titel des Aufsatzes auf das Blatt.

Zeit... Hm, was gab es da zu sagen? Jen kaute ungeduldig auf ihrem Bleistift herum und starrte Löcher in die Luft. Aber ihr fiel einfach nichts Gutes zu Zeit ein. Sollte sie über die Aufteilung der Stunden am Tag reden, die Tage im Monat und die Monate im Jahr? Oder etwas ganz anderes? Ihr Blick huschte zu Nico, der immer noch an derselben Stelle sass, und sie überlegte sich, ob sie vielleicht ihn um Hilfe bitten sollte.

Er begegnete ihrem Blick und hob fragend eine Augenbraue, sodass diese unter seinem dichten schwarzen Haar verschwand, das ihm ins Gesicht fiel. Wieso konnte er eine Augenbraue hochheben? Jen hatte dies tagelang geübt, aber ausser Muskelkater am Auge - dass es das überhaupt gibt?! - nichts erreicht.

Schnell sah sie wieder auf ihr Blatt, konnte aber immer noch Nicos Blick auf ihr spüren. Nein, ganz bestimmt würde sie ihm nicht gestehen, dass sie nicht wusste, was schreiben. In Mangel einer Beschäftigung nahm sie ihr Etui aus der Schultasche und spitze ihren Stift. Dabei rutschte ihr das lose Pensum aus dem Notizblock, auf dem sie den Aufsatz begonnen hatte. Und es segelte ausgerechnet vor Nicos Füsse.

Ich hoffe das Kapitel hat euch gefallen. ;) :* Gebt mir doch Feedback in die Kommentare oder einen 🌟.

The unseen souls {#wattys2015}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt