Chapter 11

1K 65 4
                                    

Taehyung POV

Langsam und verschlafen öffne ich meine Augen und erblicke direkt ein, mir allzu bekanntes, Gesicht.
Jungkook?
Neben mir liegt Jungkook, welcher seine Arme fest um mich geschlungen hat und friedlich schläft.
Eine Zeit lang beobachte ich den schlafenden Jungen und mustere dessen makelloses Gesicht. Einige seiner dunkelbraunen Haarsträhnen liegen auf seiner Stirn und seine vollen rosa Lippen sind einen kleinen Spalt offen, was ihn noch süßer aussehen lässt, als normalerweise.
Als ich realisiere, dass ich Jungkook schon lange genug anstarre, löse ich mich vorsichtig aus seinem Griff und versuche ihn nicht zu wecken, da sein Ausdruck gerade so entspannt und erholt aussieht.
Erst als ich mich aufsetze, erkenne ich, dass ich mich bei Jungkook zu Hause befinde und in diesem Moment erinnere ich mich wieder.
An alles.
Jiyeon.

Ich muss wohl gestern weinend in Jungkooks Umarmung eingeschlafen sein. Zumindest würde das unsere Positionen erklären.

Leise stehe ich auf und verlasse mit kleinen Schritten das Zimmer, um den Typen nicht zu wecken, da er den Schlaf wirklich verdient hat.
Ich bin Jungkook auch sehr dankbar dafür, dass er trotz allem bei mir geblieben ist und mich nicht einfach im Stich gelassen hat, obwohl er völlig das Recht dazu hatte, da wir uns nicht wirklich kennen.
Hoffentlich kann ich ihm das alles eines Tages zurückzahlen.

Nachdem ich klanglos die Tür zur Wohnung geschlossen habe, begebe ich mich auf einen Spaziergang.
Frische Luft. Das brauche ich jetzt!

Ein kühler Wind zieht durch die Stadt und es sind nicht wirklich viele Menschen zu sehen, wahrscheinlich liegt es daran, dass es noch ganz früh am Morgen ist.
Ziellos streune ich umher und versuche all die Trauer und Gefühle zu unterdrücken, welche sich seit gestern in mir aufgesammelt haben.
Leider erfolglos.
Es fühlt sich so an, als hätte ich keine Tränen mehr zum Weinen und ich würde am liebsten einfach losschreien.
Schreien, wegrennen und die harte Realität leugnen.
Aber das kann ich nicht, denn so ist das Leben.
Das Leben, welches die einzige Person in meinem Leben gestern verloren hat.
Es fühlt sich so an, als wäre mit ihr auch ein Teil von mir gegangen.
Als wäre etwas in mir gestorben und könnte nie wieder zum Leben erwacht werden, genauso wie sie.
Sie ist weg. Einfach fort.

Und nun stehe ich hier.
Alleine und hilflos in dieser riesigen Welt.

Ich beobachte wie ein dunkelgrünes Ahornblatt vom Baum fällt und auf dem Boden landet, dann schweift mein Blick hoch in den Himmel.

Ich würde alles dafür geben, um dich noch einmal zu sehen.
Bitte komm zurück, Jiyeon.
Warum schätzt man das, was man hatte erst dann, wenn es nicht mehr da ist?
Erst dann, wenn du merkst, wie sehr dir diese Person fehlt.
Und erst dann, wenn du merkst, dass du ohne dieser Person niemals der wärst, der du jetzt bist.

Ich schließe langsam meine Augen und spüre wie der angenehme Wind meine Haut streicht, auf welcher sich daraufhin eine sanfte Gänsehaut bildet.
Ich erinnere mich.
Daran, wie glücklich ich mit ihr war.

„Taehyungie", ertönt eine sanfte und ruhige Stimme, „Sei nicht traurig."
„A-aber Ch-cho...", sagt der 4-jährige, welcher gerade seinen Hund verloren hat, ehe er erneut in Tränen ausbricht. Daraufhin nimmt ihn seine Schwester fest in ihre Arme und sagt:„ Aber Cho würde nicht wollen, dass sein Tae traurig ist, sonst würde Cho auch traurig werden." Ein schniefen ist von dem Jüngeren zu hören, gefolgt von seinem schweren Atem.
„Hör zu Tae", sagt das Mädchen, bevor sie langsam die Umarmung löst und ihrem Bruder in die Augen sieht. „Cho ist nicht tot. Cho ist genau hier", sagt sie und tippt dem Jüngeren auf die Brust.
„Ch-cho ist in meinem Herzen?", fragt Taehyung verwundert.
„Ganz genau, Cho ist in deinem Herzen, weil du ihn in dein Herz geschlossen hast und er wird für immer dort bleiben und dich beschützen", sagt Jiyeon, ehe sie ihm ein Lächeln schenkt.
„Man stirbt nicht, wenn das Herz aufhört zu schlagen. Man stirbt erst, wenn man vergessen wird", erzählt sie ihrem kleinen Bruder.
„Also, wenn ich Cho nicht vergesse, wird er für immer in meinem Herzen leben?", fragt der Junge etwas leise und schaut auf seine Brust.
Die Angesprochene nickt und sagt: „Genau, er bleibt für immer bei dir."

„Wie konnte ich das nur vergessen", flüster ich leicht lächelnd, während eine Träne über meine Wange fließt.
„Du bist nicht tot, Jiyeon. Du bist genau hier", setzte ich fort und lege meine Hand auf meine linke Brusthälfte.

„Und du wirst diesen Ort auch niemals verlassen, denn ich hab dich schon längst in mein Herz eingeschlossen. Bevor ich überhaupt unsere Eltern lieben konnte."

Danke, für alles.
Danke, dass du da warst.
Danke, dass du meine Einsamkeit genommen hast.
Danke, dass du mich großgezogen hast, was unsere Eltern nie geschafft haben.
Danke, dass du mit mir getrauert hast.
Danke, dass du mit mir gelacht hast.
Danke, dass du meine große Schwester bist.
Danke, dass du mich beschützt.
Und verzeihe mir, dass ich dich nicht beschützen konnte.

Und ich weiß, dass du mich nicht traurig sehen willst, deswegen möchte ich dich nicht noch einmal enttäuschen.
Ich werde dich stolz machen und ich werde dich niemals vergessen, Jiyeon.

„Taehyung!", ertönt plötzlich eine Stimme, doch diesmal nicht in meinem Kopf und ich drehe mich um, nur um erneut eine all zu bekannte Person zu erblicken.

„Jungkook!", rufe ich seinen Namen und das Lächeln auf meinen Lippen wird breiter.

Ich bin nicht alleine und auch nicht hilflos in dieser riesigen Welt.

Das ist das, woran ich glauben möchte.

-Jennie

Love with obstacles | KookV Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt