Er war nicht bereit. Nicht bereit für einen weiteren Tag, an dem er nichts außer Schmerzen fühlen würde. Doch Jungkook hatte sich im Laufe der Zeit eine Mauer aufgebaut, die niemand zerstören konnte. Eine Mauer, die nicht nur seine Gefühle versteckte, sondern ihn auch vermeintlich unangreifbar machte, denn, was niemand wusste, war, dass Jungkook ein Geheimnis hatte. Ein Geheimnis, das ihn jeden Tag verfolgte und schmerzte. Er fragte sich oft, ob es sich noch zu leben lohnte, doch dann rief er sich seine Eltern ins Gedächtnis und der Gedanke verflog, zumindest für eine Weile, ganz verschwunden war er jedoch nie. Seit einem Jahr studierte er Science an einer Universität, die weit weg von zu Hause war, denn Jungkook hatte es einfach nicht mehr ertragen, jeden Tag das Geschehene erneut zu erleben. Denn so fühlte es sich an, jeden Morgen wenn er aufwachte und jede Nacht, wenn er sich in den Schlaf weinte. Es verfolgte ihn sowohl in seinen Träumen als auch in seinem alltäglichen Leben. Jeden Tag blieb er an der Stelle stehen und verweilte. Und jedes Mal ließ er ein Stück seiner Seele zurück. Das, was jetzt noch übrig war, wollte er um alle Fälle schützen, denn viel war nicht mehr von ihm da und dem Willen zu leben. Es kostete große Überwindung das Haus endgültig zu verlassen und von Busan nach Seoul zu ziehen, doch es war ein Schritt in die richtige Richtung gewesen. Da war sich Jungkook sicher. Das Haus jedoch behielt er in seinem Besitz, damit er sich an schlechten Tagen danach besinnen konnte und die Erinnerungen aufrecht erhielt. Das einzige, was ihm geblieben war, war sein älterer Bruder Jonghyun und es schmerzte Jungkook zu wissen, dass dieser nach dem Tod seiner Eltern auf die schiefe Bahn geraten war. Jungkook versuchte ihn schon seit Monaten zu finden, doch ohne Erfolg. Auch ein Grund, warum er nach Seoul gereist war, denn Jonghyun hatte ihm vor 1 1/2 Jahren ein Brief zugesandt, indem er sich von Jungkook verabschiedet hatte und ihn einfach zurückließ. Alleine. Jungkook stolzierte jeden Abend und jede Nacht durch die Straßen, klapperte jeden noch so kleinen Winkel ab auf der Suche nach einem Lebenszeichen von Jonghyun, doch bis jetzt waren es alles Sackgassen.
Heute abend würde er weiterforschen und er würde nicht aufgeben bis er seinen Bruder gefunden hatte. Jetzt jedoch musste er sich fertig für die Uni machen, denn er war schon spät dran. Genau 20 Minuten blieben ihm, um von seiner kleinen Studentenwohnung zur 5km entfernten Uni zu hetzen, sich ohne verbliebenen Atem in irgendeine Ecke zu heften und zu hoffen, dass auch dieser Tag schnell verfliegen würde. Er sattelte leeren Magens seinen Schulrucksack auf, schloss die Tür, kontrollierte diese 3 Mal bevor er seine Beine in die Arme nahm und losrannte. Das Kontrollieren war für ihn zum festen Bestandteil seines Alttags geworden, denn ohne würde er sich nicht trauen seine Wohnung zu verlassen in dem Glauben, dass die Männer von damals zurückkamen und die Sache endgültig erledigen würden. Denn Jungkook ist sich sicher, dass er nur mit Glück überlebt hatte und die Männer immer noch nach ihm suchten. Er schaute auf die Uhr. Ihm blieben noch 5 Minuten, sonst würden die Türen geschlossen und Jungkook den so wichtigen Unterricht verpassen und sich natürlich ebenso unbeliebt bei seinem Professor machen, der jeden Studenten im Auge behielt, sich aber vor allem auf Jungkook eingeschossen hatte. Dieser Typ hatte aber auch nicht mehr alle Taschen im Schrank. Die Augen auf den Boden gerichtet, zog er das Tempo an und konnte sein Herz schon förmlich spüren, wie es aus seiner Brust sprang. Wenn er so weiter machte, würde er an einem Herzinfarkt sterben oder direkt vor der Uni zusammenklappen.
Noch 20 Meter, Jungkook hatte die Uni bereits in Sicht, gab sich einen Ruck und sprintete zur Tür, doch bevor er diese erreichen konnte, prallte er an etwas oder jemandem ab und wurde von der Schwerkraft auf den Boden gezogen. Er hatte aber auch immer ein Pech. Jetzt würde er doch vor der Uni zusammenklappen und nicht einmal aufgrund eigenen Verschuldens. Doch solche Ausreden interessierten keinen Professor. Sich leicht schüttelnd und mit dem Versuch zur Besinnung zu kommen, denn der Aufprall hatte seinen Körper doch ein wenig mehr durchgeschüttelt, als es ihm lieb war, stützte er sich mit wackeligen Armen erst auf dem Boden ab, um sich dann nach oben zu ziehen. Wenigstens war das erfolgreich, wenn auch nur von kurzer Dauer, denn Jungkook schwankte so stark hin und her, dass seine Beine unter ihm nachgaben und er erneut jede einzelne Kachel des Bodens unter ihm sah.
"Alles gut bei dir? Warte, ich helfe dir auf!", erklang über ihm eine tiefe Stimme. Bevor Jungkook jedoch das Angebot verneinen konnte, legte sich bereits eine Hand um seinen Arm und zog ihn nach oben.
"Hey, ähm, vielleicht solltest du dich durchchecken lassen oder so, du siehst nicht besonders gut aus.". Auch, wenn Jungkook es vermied den unbekannten Jungen ins Gesicht zu schauen, schüttelte er vehement seinen Kopf und bedeutete ihm, dass es ihm gut ginge.
"Mir gehts gut. Danke", und damit riss sich Jungkook aus dem doch sehr festen Griff des Jungen los, verbeugte sich als Geste für ein Dankeschön und machte sich, ohne seinem Gegenüber eines Blickes zu würdigen, vom Acker. Zugegeben, es war vielleicht nicht die beste Art sich bei jemandem zu bedanken, aber für Jungkook das maximale an Körperkontakt und Nähe, was er ertragen konnte. Der Junge musste sich also mit einer Verbeugung und einem schüchternen Lächeln zu frieden geben. Er hatte ja auch überhaupt nicht um Hilfe gebeten und wäre höchstwahrscheinlich auch selbst bestens zurecht gekommen. Doch trotzdem fühlte er sich miserabel. Nicht nur geschuldet von den eindringenden Kopfschmerzen, die sich gerade anbahnten, sondern auch, weil er den Jungen ziemlich abrupt hatte stehen lassen ohne sich wirklich bei ihm zu bedanken. Er musste denken, dass Jungkook ein reicher Schnösel war, der sich nicht mit jedem abgab, doch eigentlich war er genau das Gegenteil. Jedoch fiel es ihm zunehmst schwerer soziale Beziehungen einzugehen oder mit einem Fremden zu sprechen. Er misstraute jedem und vermutete hinter jeder Handlung eine böse Absicht. Damit tat er den meisten Menschen zwar unrecht, doch sich zu überwinden, kostete Jungkook immer wieder viel Energie. Vergleichbar war dies mit einem Computerspiel. Jeon Jungkook ist die Spielfigur mit der gekämpft und gespielt wird. Jeder Schritt verbraucht Lebensenergie. In einem Spiel ist es kaum möglich sich zu 100% auf einen angeblichen Freund zu verlassen, denn im Endeffekt ist jeder auf sich bedacht und wird im schlimmsten Fall zum Traitor. So war es zumindest in den Computerspielen gewesen, die Jungkook spielte und dem echten Leben nicht so fern, wie die meisten Menschen vermuteten.
Außer Atem und doch schon ziemlich geschafft, obwohl der Tag gerade erst begonnen hatte, ließ sich Jungkook, der gerade noch rechtzeitig in den Hörsaal stiefeln konnte, in die hinterste Sitzreihe nider und packte seine Sachen aus. Wieder einmal unter den angestrengten Blicken seines Professors, der es irgendwie immer schaffte, Jungkook in dieser Menschenmasse zu finden und zu beobachten. Solangsam missfiel ihm das Verhalten von Mr. Kim und beängstigte ihn zugleich."Ist hier noch frei?"

DU LIEST GERADE
You're Next (Taekook)
FanfictionKim Taehyung ist 22 Jahre alt und von Beruf Auftragsmörder. Gemeinsam mit seinen Kollegen Kim Seokjin, Min Yoongi, Jung Hoseok, Kim Namjoon und Park Jimin führt er Morde aus, die von unbekannten Auftraggebern veranlasst wurden. Er stellt keine Frage...