4. Schwestern

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~Eine Woche später~

"Hör auf, dich zu bemühen, Ju-lyn."
Ich sitze auf meinem Bett in unserem Schlafzimmer und versuche mich auf meine Hausarbeit zu konzentrieren.
"Ah, Unnie! Du bist noch sturköpfiger als ich!", ruft meine Schwester verzweifelt aus und lässt sich neben mich auf die Matratze fallen.
Auch wenn sie es nicht sehen kann, da ihr Gesicht in meinem Kissen vergraben ist, schüttel ich meinen Kopf.
"Das ist unmöglich. Niemand hat so einen Dickkopf wie du. Nicht einmal auf deine Schwester hörst du!"
Abprubt hebt sie ihren Kopf und schaut mich aufgebracht an.
"Stimmt nicht. Ich befolge jede einzelne Regel, die du mir aufgestellt hast."
Ich schaue von meinen Büchern hoch. Doch bevor ich etwas erwidern kann, kommt sie mir zuvor.
"Und da ich deine Regeln befolge, ohne mit der Wimper zu zucken, stelle ich dir jetzt auch eine auf."
Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, wenn sie versucht, böse mit mir zu sein. Trotzdessen sind meine Ohren gespitzt.
"Geh' auf diese Party."
Ich rolle mit meinen Augen.
"Das ist keine Regel, sondern ein Befehl, Lyn."
"Dann ist es eben ein Befehl." Ihre Stimme wird quengelig.
"Es ist Samstag! Geh. Hin!"
Frustriert schiebe ich meine Unterlagen zur Seite.
So wird das nie was.
"Ach, und was denkst du, wird Appa dazu sagen?"
Augenblicklich verschwindet jegliches Hochgefühl aus ihren Zügen. Stattdessen machen sich Sorgenfalten auf ihrer Stirn breit.
"Hast du es jetzt verstanden?", murmel ich genervt.
"Aber du bist alt genug, Unnie."
Ich seufze tief auf.
"Ja, bin ich. Dennoch wird er es mir nicht erlauben."
Ich halte kurz inne.
"Und was wäre mit dir?", füge ich hinzu.
"Mit mir?"
"Ich werde dich nicht mit ihm alleine lassen."
Jetzt rollt sie mit ihren schmalen Augen.
"Mit Appa werde ich klarkommen. Das habe ich vorher auch schon geschafft, weißt du.", fügt sie hinzu und grinst mich überlegen an.
"Aber nur weil du es musstest. Wenn es eine Wahl gibt, werde ich dich nicht mit ihm alleine lassen."
"Unnie!", ruft sie plötzlich dazwischen.
"Was?"
"Ich werde immer mehr Gründe haben, die dafür sprechen, auf diese Party zu gehen."
Ich muss lachen.
"Ach, die da wären?", fordere ich sie heraus.
Sie strafft ihre Schultern, als würde sie vor einer Schlacht stehen und lässt alles aus ihrem Mund heraussprudeln.
"1. Du bist alt genug, um auf eine Party gehen zu können.
2. Ich bin alt genug, um auf mich selber aufzupassen.
3. Appa wird es spätestens Morgen wieder vergessen.
4. Es ist eine gute Gelegenheit, Freunde zu finden."
Lyn hält triumphierend inne.

"Ich kann nicht glauben, das du mich tatsächlich überredet hast!"
Nach einer weiteren Diskussion, ob es wirklich eine gute Idee war, habe ich nachgegeben.
Jedoch nicht ohne vorher zwei Dinge klarzustellen. Ich habe ihr versprochen, um spätestens Mitternacht wieder zu Hause zu sein.
Das kleine Biest, hat doch tatsächlich mehr Zeit rausgeschlagen.
Und sie müsste mir versprechen, mich anzurufen, falls etwas im Argen war.
"Das bin ich ja schon gewohnt.", war ihr einziger Kommentar dazu.
Jetzt stehe ich vor unserem Kleiderschrank und wühle wahllos in ihm herum. Ich werde etwas lockeres, bequemes anziehen.
Und gute Turnschuhe.
Falls ich weglaufen muss...
Quietschend öffnet sich die Zimmertür und Lyn schleicht sich herein.
"Appa schläft. Das ist gut. So kannst du dich einfach raus und wieder rein schleichen."
Ich bin mir nicht so sicher, ob es wirklich gut ist.
"Wenn er mich erwischt, dann..."
Denk' nicht darüber nach.
Lyn nickt wissend und bleibt stumm.

"Ich habe Yumi geschrieben, das sie dich unten abholen soll. Sie ist in fünf Minuten hier."
Überrascht drehe ich mich zu meiner Schwester.
"Woher hast du ihre Nummer?"
"Ich habe ihr von deinem Handy aus geschrieben.", antwortet sie unschuldig.
"Wenn das alles ist...", flüstere ich und drehe mich wieder zu meinem Spiegelbild.
"Nun, ich habe auch deine ganzen Nacktbilder und deine unseriösen Nachrichten mit Jungs gesehen."
"Ju-lyn!", zische ich ihr im Spiegel zu.
Sie kugelt sich vor Lachen auf ihrem Bett zusammen.
Yumi.
Ich habe sie in der Schule kennen gelernt.
Nach dem letzten Vorfall mit den Bangtan Boys, als ich Jimin in der voll besetzten Kantine beleidigt hatte, hatten diese sich erstaunlicherweise von mir zurück gezogen.
Während die Jungs ihren Abstand zu mir hielten, tauchte Yumi eines Tages auf. Ihr war die Szene in der Mittagspause nicht entgangen und sie wollte dieses Mädchen, mich, kennen lernen, welches dazu im Stande war, ihnen Einhalt zu gebieten.
Sie sagte mir, sie wäre erstaunt, das ich so stark und mutig war, mich mit der gefährlichsten Gang der Stadt anzulegen.
Bei ihren Worten hätte ich am liebsten laut gelacht. Oder wäre am liebsten in Tränen ausgebrochen.
Stark und mutig?
Gefährlichste Gang der Stadt?
Ich fürchtete mich vor jedem neuen Tag und wurde das Gefühl nicht los, das sie einfach nur auf den richtigen Zeitpunkt warteten, um es mir heimzuzahlen.
Ich wünschte sie hätte mir nicht anvertraut, das ausgerechnet diese Jungs zu der gefürchtesten Gang gehören.
Und das sagte ich ihr auch. 
Doch sie blieb entspannt und lächelte mich zuckersüß an.
"Dann lass uns doch ab sofort zusammen zu Mittag essen. So bist du nicht mehr alleine und brauchst keine Angst  mehr zu haben."
Und damit fing unsere Bekanntschaft an. Um das Wort Freundschaft zu benutzen, war es noch zu früh.
"Wie ist Yumi so?"
Die Stimme meiner Schwester reißt mich aus meinen Gedanken.
Lyn hat sich aufgesetzt und schaut mich neugierig an.
Ich setzte mich neben sie.
"Sie ist ziemlich quirlig. Hat immer ein Lächeln auf den Lippen. So wie du."
Ju-lyn strahlt mich an.
"Dann ist sie perfekt für dich!"
"Wieso?"
"Naja,.." Sie stockt und ich merke das sie am liebsten nicht weiter sprechen möchte.
"Sag es mir. Es wird schon nicht so schlimm sein.", ermutige ich sie.
"Du bist immer so in dich gekehrt und wirkst andauernd traurig. Manchmal habe ich das Gefühl, das nichts und niemand dich glücklich machen kann"
Ich spüre wie mein Mund aufklappt.
Das ist schlimm.
Mit einem mal wird mir deutlich bewusst, wie erwachsen Ju-lyn geworden ist. Sie ist nicht mehr das kleine 10-Jährige Mädchen, welchem ich Freude vorspielen kann.
"Aber du bringst mich andauernd zum lächeln, Lyn.", halte ich dagegen.
Sie nickt.
"Schon, aber nur für einen Moment. Danach bist du wieder in deinen Gedanken verstrickt."
Mir fällt daraufhin nichts ein, was ich sagen könnte.

Mein Handy zeigt eine eingegangene Nachricht an.
"Yumi ist unten und wartet.", lese ich laut.
Ich setze mich in Bewegung und schnappe mir noch eine leichte Jacke aus meinem Kleiderschrank.
Bevor ich es wage aus unserem Zimmer zu treten, drehe ich mich zu Lyn um und umarme sie.
"Ich hab' dich lieb."
"Ich dich auch, Unnie.", nuschelt sie an meinem Hals.
Dann mache ich mich auf zur Party.

Gangster's LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt