Du sitzt in deinem Zimmer - die Tür ist verschlossen – mit einem Stift in der Hand und ein leeres Blatt Papier vor dir. Deine Hand zittert und du beginnst wieder, zum fünften Mal in der letzten Stunde, zu weinen. „An meine Familie“ schreibst du oben in die Mitte, aber entscheidest, dass es ein schlechter Anfang für deinen Abschiedsbrief ist. Du versuchst wieder anzufangen, wieder und wieder, aber du weißt nicht, wie du anfangen sollst. Niemand versteht dich, niemand weiß was du durch machen musst, du bist allein, niemand würde an dich denken, egal ob du tot oder lebendig bist. Es ist nachts und du gehst ins Bett. „Auf nimmer Wiedersehen“ flüstertest du in die Dunkelheit und nahmst deinen letzten Atem und damit am Ende alles. Niemanden kümmert es, nicht wahr? Da hast du falsch gedacht. Es ist ein Montag am nächsten Morgen, deine Mutter klopft um 6:30 an dein Zimmer. Sie hört nicht dein alltägliches „Ja, ich komme schon“. Sie klopft ein paar Mal und schreit deinen Namen. Sie bekommt keine Antwort, öffnet die Tür und schreit. Sie bricht zusammen, während dein Vater ins Zimmer gestürmt kommt. Deine Geschwister haben bereits das Haus verlassen, um zur Schule zu gehen. Deine sehr schwache Mutter sammelt all ihre Energie und versucht aufzustehen. Sie beugt sich über deine Leiche, weint, schreit. Dein Vater versucht stark zu bleiben, aber die Tränen kommen aus seinen Augen. Er bedient mit seiner einen Hand sein Handy, um die 001 oder 911 anzurufen, seine andere ist auf dem Rücken deiner Mutter. Sie macht sich Vorwürfe. Sie hat immer „Nein“ gesagt, Sie hat dich immer angeschrien und gab dir wegen etwas dummen Hausarest. Dein Vater war nie für dich da, wenn du um Hilfe gebeten hast, er war immer den ganzen Tag arbeiten. Niemand kümmert sich um dich, nicht wahr? 8:00 Uhr. Es klopft an der Klassenzimmertür, es ist der Direktor. Er sieht sorglicher aus, denn je. Er bittet deine Lehrerin nach draußen, alle Schüler sind besorgt. Sie fragen sich, was los ist und bekommen wenig später die Antwort. Du hast dich letzte Nacht umgebracht. Die beliebten Mädchen, die dir immer dick und hässlich hinterher gerufen haben, sehen nun die Schuld in sich. Der Mitschüler, der deine Hausaufgaben immer abschreiben wollte, aber dich immer wie scheiße behandelt hat, sieht auch die Schuld in sich. Der Junge, der hinter dir sitzt und immer Sachen auf dich geworfen hat, auch er gibt sich die Schuld dafür. Der Lehrer ist selber für alles Schuld, er gab dir Strafen wenn du die Hausaufgaben nicht hattest oder wenn er nicht gehört hatte, wie dich alle fertig machten. Alle weinen, schreien und sind schockiert, in Bedauern von dem, was sie dir antaten. Sie sind alle am Boden zerstört – auch die, die nie ein Wort mit dir gewechselt haben. Niemand kümmert sich um dich, nicht wahr? Deine Geschwister sind nun Zuhause. Deine Mutter erzählt ihnen, dass du jetzt für immer weg bist. Deine kleine Schwester sagte, egal wie oft sie dich auch anschrie, wie oft sie auch ich hasse dich gesagt hatte, deine Sachen genommen und kaputt gemacht hatte, sie hat dich immer geliebt und sie sah dich als Held, als ihr Vorbild. Sie gibt sich nun selber Schuld „Warum habe ich nicht das getan, was sie wollte? Warum habe ich ihre Sachen genommen, ohne sie zu fragen? Das ist alles meine Schuld!“ Dein Bruder, der Junge, der nie weint, kommt nach Hause. Er sitzt in seinem Zimmer, wütend auf sich selbst. Er ließ den Tod zu. Er hat dir immer Streiche gespielt. Er hat jetzt Löcher in seiner Wand, er weiß nicht damit umzugehen, dass du nun weg bist. Niemand kümmert sich um dich, nicht wahr? Es ist jetzt über einen Monat her. Die Tür zu deinem Zimmer war immer geschlossen. Alles ist jetzt anders. Dein Bruder muss zum Aggressions Training und deine Schwester weint jeden Tag, weil du nicht zurück kommst. Die beliebtesten Mädchen sind nun magersüchtig. Sie wissen nicht, wie man mit dem Schmerz umgehen soll. Dein Vater hat Depressionen und deine Mutter kann nicht mehr schlafen. Sie weint und schreit jede Nacht, weil sie sich wünscht, dass du zurück kommst. Der Junge, der dich immer fertig gemacht hat, hat die Schule abgebrochen. Der Junge, der immer deine Hausaufgaben haben wollte, ritzt sich jetzt. Aber Niemand kümmert sich um dich, nicht wahr? Deine Mutter entscheidet sich jetzt, dein Zimmer sauber zu machen, aber sie kann es nicht. Sie hat sich nun in deinem Zimmer für zwei Tage eingesperrt, um deine Sachen aufzuräumen. Aber sie kann nicht, sie kann dir nicht auf Wiedersehen sagen
noch nicht, jetzt noch nicht, wahrscheinlich auch nie. Es ist deine Beerdigung. Sie ist groß, denn alle kommen. Niemand weiß, was er sagen soll. Das schöne Mädchen mit dem süßen Lächeln ist weg, du bist irgendwo anders. Niemand weiß, was sie sagen sollen, denn alle sind noch unter Schock. Jeder schreit innerlich. Alle wünschen sich, sie könnten dich wieder holen, doch sie können es nicht und du auch nicht. Dennoch denkst du, niemand kümmert sich um dich. Denk noch einmal nach. Selbst wenn die Menschen es nicht zeigen, sie lieben dich. Wenn du dich heute oder an einem anderen Tag umbringst, dann weißt du nicht, wie viel du den Anderen bedeutest. Wenn du dich umbringst, stoppst du bei dir den Schmerz, aber es wird allen weh tun, die davon wissen und das für den Rest ihres Lebens. Selbstmord ist die einfachste Lösung – aber die falsche Wahl. Das Leben kann so schön sein. Ja, es hat seine Höhen und Tiefen und jeder hat mal seine schlechten Tage. Manchmal gehen Menschen durch sehr schwere Zeiten in ihrem Leben, wie du wahrscheinlich auch, aber schlechte Zeiten kommen und gehen. Du kannst das Licht am Ende des Tunnels nicht sehen, aber es ist da. Egal wie hart das Leben kommt, gib nie dich selbst oder dein Leben auf.
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Kurzgeschichte zum Tema Selbstmord
TienerfictieEine kurzgeschichte zum Thema Selbstmord.