9.Kapitel

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Der Laden war fast vollkommen leer. Zwar war das nicht unüblich zu dieser Zeit (immerhin schloss das Geschäft in einer halben Stunde), aber dennoch empfand ich es immer als sehr entspannend, beim Einkaufen meine Ruhe zu haben. Ein Blick zur Kasse zeigte mir, dass Jorge wahrscheinlich gerade im Lager war, den hinter dem kleinen Tresen stand niemand.

Ich blickte nochmal auf Minhos Zettel und bewegte mich schon mal in Richtung Obst- und  Gemüsestand, da ich mir fest vorgenommen hatte, morgen einen gesunden Obstsalat zu schnippeln. Naja, zumindest gesund aussehen sollte er, ob er es letztendlich auch war, tangierte mich eher. Aber Teresa hatte sich für morgen angekündigt und da ich wusste, wie sehr sie immer über unsere ungesunde Ernährung meckerte, wollte ich wenigstens einmal einen guten Eindruck machen.

„Was hast du nur für eine Sauklaue, Min!" schimpfte ich leise vor mich hin, während ich irgendwie versuchte, das unleserliche Gekrakel meines Freundes zu entziffern. Ich schürzte die Lippen, blickte nach oben, um die Preisschilder zu lesen und...erstarrte.

Keine drei Meter von mir entfernt stand Newt vor einem Regal mit Milchprodukten und schien intensiv deren Ettikete zu studieren. Sofort merkte ich, wie meine Hände zu schwitzen anfingen. Sollte ich ihn ansprechen? Wie würde er reagieren? Würde er wieder weglaufen?

Ich schluckte. Hatte ich nicht gesagt, ich wolle um ihn kämpfen? Natürlich rein freundschaftlich....für meine Freunde...für das Team...oder so...

Aber wem will ich was vormachen, es war so viel mehr als das.

Ich stand noch eine weitere Minute einfach nur da und starrte diesen kleinen Engel an, während ich versuchte, jede seine Bewegung genau zu studieren. Alles, was er tat, wirkte auf eine magische Art und Weise anmutig. Wie er die Stirn kraus zog oder sich unbewusst die Lippen befeuchtete, wie er von einem Bein auf das Andere wippte oder einfach wie er da stand und nichts tat - alles war irgendwie besonders.

Ich schüttelte den Kopf und wandte mich wieder Jorges Früchte-Sortiment zu. Wahllos griff ich ein paar Äpfel, Bananen, Weintrauben und Erdbeeren, bevor mein Blick an einer Ananas hängen blieb. Nachdenklich betrachtete ich sie. Ich wusste, dass ich von Ananas jedes Mal Sodbrennen bekam und dennoch konnte ich es einfach nicht lassen, sie zu essen. Die schmeckte einfach zu gut. Mit einem ergebenden Seufzen streckte ich meine Hand aus, um diese heilige Frucht zu den Anderen in den Korb zu legen.

Für einen kurzen Augenblick hatte sie es doch tatsächlich geschafft, mich von Newt abzulenken. Umso mehr erschreckte ich mich, als ich in den nächsten Gang einbog, um das von Minho mit drei Ausrufezeichen gekennzeichnete Mehl zu besorgen.

Wie angewurzelt blieb ich stehen und starrte den blonden Jungen an, der tief in Gedanken versunken genau auf mich zusteuerte. Selbst, als er direkt vor mir zum Stehen kam, schien er mich nicht zu bemerken, denn sein Blick war suchend auf das Regal zu seiner Linken gerichtet. Mit leicht geöffneten Lippen und einer behutsamen Handbewegung zog er eine Packung Eier aus der Mitte heraus und setzte seinen Weg fort. Dort allerdings stand immer noch ich. Es war, als hätten meine Muskeln entschlossen, nicht mehr auf mich hören zu wollen und so musste ich mit offenen Augen ansehen, wie Newt geradewegs auf mich zusteuerte. Kurz vorher schien ich wenigstens die Macht über meine Zunge wieder zurück zu gewinnen, doch ich konnte nur kurz: „Vors...." rufen, bevor der Blonde schwungvoll in mich hinein lief. Unsere Körper kollabierten miteinander und keine zwei Sekunden später befand ich mich auf dem Boden liegend, mit einer Mischung aus Eiern und Mehl bedeckt.

Ich wischte mir die klebrige Masse aus dem Gesicht und blickte in zwei weit aufgerissene Whisky-farbene Augen, die mich panisch von oben bis unten musterten. Newt, der bis eben noch versucht hatte, sich auf dem Gewirr unserer Arme und Beine zu befreien und sich aufzurappeln, hielt in der Bewegung inne und sein Blick verschränkte sich mit meinem.

Im Takt deines HerzensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt