Sieben

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-Part 7-

Nach der Kutschfahrt, auf der ich Adele selbstverständlich mit lustigen Geschichten und Witzen unterhalten musste, habe ich meinen Teil des Programms für heute erledigt und kann meine kleine Schwester beruhigt dem Butler und Shadow überlassen.

So schnell wird unser Schoßhündchen nämlich niemanden an Adele heranlassen.
Nicht einmal den Butler.

So habe ich also die Möglichkeit, meinen Gedanken, die ich den ganzen Tag unterdrückt habe, nachzugehen:

Ich will sie wiedersehen.

Nun, da es mir nicht mehr so weit entfernt und pragmatisch vorkommt, wie im Schloss, freue ich mich, die Gelegenheit zu haben, das Mädchen von gestern zu suchen.

Ich lasse meinen Gedanken freien Lauf und widme mich ihnen, ohne daran zu denken, dass ich vielleicht zu viel hineininterpretiere oder mich in eine nichtige Sache hineinsteigere.

Ich kenne dieses Mädchen.
Ich habe sie schon einmal gesehen.

Doch wenn ich doch nur wüsste wo,
Oder unter welchen Umständen.

Ein entmutigter Seufzer entweicht mir.

Ich muss sie ja erst einmal wiederfinden,
Doch wie?
Gestern Abend bin ich wahllos Straßen entlanggerannt, ohne näher auf Gebäude oder Straßennamen oder Weiteres zu achten.

Erneut lasse ich einen enttäuschten Seufzer entweichen und falle schlapp auf die Bank, an der ich das lustige Trio aus kleinem Mädchen, Riesenhund und in Schwarz gekleidetem Mann verabschiedet habe.

Wo sagte Adele nochmal, wolle sie hin?
Ein neues Haarband aussuchen?
Ob ich sie noch einhole?
Wahrscheinlich sollte ich es einfach auf dem gestrigen Treffen mit Rotschopf beruhen lassen und...

Klack

Dieses Geräusch bringt mich aus meinen Gedanken und zurück in die Realität.

Als meine Augen meine Umgebung wieder fokussieren, sehe ich eine alte Frau neben mir gekrümmt darstehen und sich über einen Holzstab am Boden beugen.

Gleichzeitig nehme ich eine große Handtasche wahr, die im Begriff ist, von der Bank zu rutschen.

Geistesgegenwärtig gelingt es mir, die Tasche und auch den Gehstock auf dem Boden mit einer einzigen eleganten Bewegung zu greifen und in die Hände der alten Dame zu begeben.

Diese schaut mich mit leicht geweiteten Augen an -aufgrund meiner schnellen Bewegung- und auch ich bin von meinen Reflexen schwer überrascht.

"Vielen Dank mein Lieber, das war sehr aufmerksam!", spricht mein Gegenüber nun mit dankbarem Lächeln zu mir.

"Ach das ist doch selbstverständlich! Ich helfe immer gerne!", antworte ich selbstbewusst strahlend, als ob ich nur auf den Moment gewartet hätte, einer alten Dame auf diese Art und Weise zu helfen.

Als ob ich schon gewusst hätte, dass das Schicksal mir damit einen Ruck in die richtige Richtung geben würde.

Die nette alte Dame kann sich also -nun mit sicher platzierter Tasche und Gehstock in der Hand- beruhigt mit einem kleinen Schnaufer auf die Bank niederlassen.

Ich beginne gerade wieder in meine Traumwelt zu versinken und darüber nachzudenken, warum mir das Mädchen von gestern so viel nachzudenken gibt, doch ich kann es nicht, weil ich meine, ein penetrantes Starren von der Seite zu vernehmen.

Als ich mich zu meiner Banknachbarin wende, sehe ich aber, dass es weniger ein penetrantes Starren, als eher ein neugieriger Blick ist.
Welcher allerdings schnell wieder abgewendet wird.

Weil ich meinen fragenden Blick allerdings nicht abwende, kommt von der heimlichen Betrachterin ein entschuldigendes Lächeln.

"Entschuldigung, ich wollte Sie nicht stören. Ich habe mich nur gefragt, warum so ein junger Bursche wohl allein auf einer Bank sitzt, statt sich hier in der Stadt zu amüsieren?"

Daraufhin seufze ich erstmal.

Ja, was mache ich eigentlich hier? Eigentlich würde ich nicht hier sitzen, wenn ich nicht albernen Gedanken hinterherlaufen würde.
(Oder wenn ich zumindest einen besseren Orientierunsgsinn hätte.)

Ich erwidere:
"Ich habe keine Lust, mich in der Stadt zu amüsieren; das habe ich schon oft genug getan.
Ich würde viel lieber in meinem Stammcafé sein und Kunden bedienen. Wissen Sie, unser Café hat nämlich besonders zum Abend hin viele Gäste, und..."

Und so drifte ich in eine belanglose Beschreibung meines Arbeitsplatzes, dem Café Mittermeyer ab. Ich quatsche tatsächlich eine arme, wehrlose Frau mit Geschichten über meinen Arbeitsalltag, den dazugehörigen Späßen mit meinen Kollegen und den darauf folgenden Ermahnungen unseres Chefs zu. Ich erzähle ihr sehnsüchtig von dem bezaubernden Duft aller Köstlichkeiten, die wir anbieten, welcher sich wunderbar mit dem charakteristischen Aroma des Kaffees verbindet;
Und einiges mehr.

"...Und seitdem hat mein Chef mich nie wieder Kaffee mit Schlagsahne verzieren lassen!"

Daraufhin lachen mein Gegenüber und ich herzlich, da es anscheinend nicht von meinen albernen Erzählungen gelangweilt zu sein scheint.
Nein, ganz im Gegenteil: Sie scheint es sogar genossen zu haben, sich mit jemandem zu unterhalten.

"Ach ja, das erinnert mich an meine Zeit, als ich noch jung war. Allerdings hat mich deine Geschichte auch an mein Stammcafé erinnert, in das ich gerne gehe. Es ist an der unteren Alten Donau, in diese Richtung. Sind Sie dort schon einmal gewesen?"

Noch völlig in Erinnerungen schwelgend nehme ich nicht wirklich wahr, was meine Gesprächspartnern von mir wissen will.

Doch meine Vorfreude auf den morgigen Tag, welcher ein Arbeitstag sein wird, wird dann doch von dem fragenden Blick der alten Dame verdrängt.

"Entschuldigung, was haben Sie gesagt?"

"Ich habe gefragt, ob Sie schon einmal das Café an der Alten Donau besucht haben. Dort ist es so schön gemütlich, und das Mädchen, das dort arbeitet sehr fleißig für ihr Alter. Aber ich sehe mehr und mehr von euch Jugendlichen eigenes Geld verdienen; das muss ziemlich schwer sein. Nun ja, wobei es zu meiner Zeit ganz normal war, dass man mit 18 verheiratet und aus dem Haus ist. Weißt du, damals..."

"Warten Sie bitte einen Moment!", kommt es dann unerwartet aus mir herausgeplatzt.

Mein Gehirn hat endlich begonnen das Gehörte zu verarbeiten.

"Erzählen Sie mir bitte mehr von diesem Mädchen!"

Zuerst ist sie etwas perplex aufgrund meiner drängenden Bitte, doch sie beantwortet sie trotzdem:
"Das Mädchen? Nun ja, es ist wohl vielleicht in Ihrem Alter. Es hat kurze, dunkle Haare. Für gewöhnlich trägt sie eine Mütze und..."

Das reicht mir schon.

"Sagen Sie mir bitte, wie ich dorthinkomme?", frage ich, wobei ich das drängende Bedürfnis, zu dem beschriebenen Ort zu gelangen, offen zeige.

"Also... Von hier aus...", denkt sie laut.
"Gehen Sie in diese Seitenstraße, folgen ihr drei Häuserblöcke lang und dann nach rechts. Wenn Sie dem Fluss bis zum kleinem Markplatz folgen, müssten Sie das Café relativ schnell sehen. Darf ich fragen, warum..."

Doch bevor sie ihre Frage zuende stellen kann, bin ich schon aufgesprungen und mache mich auf in die angedeutete Richtung.

Im Weggehen rufe ich noch:
"Vielen Dank für die Hilfe! Aber denken Sie bitte das nächste Mal, wenn wir uns sehen, daran, 'du' zu mir zu sagen!"

Daraufhin erhalte ich ein Lachen, gefolgt von:
"In Ordnung, dann wünsche ich dir mal viel Glück bei der Suche!"

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 20, 2018 ⏰

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FF - "The Royal Tutor" - Licht X OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt