„Die Natur erinnert mich an ihn, er hat sie immer schon geliebt", erzählt das Mädchen, vollkommen in Erinnerungen schwelgend. „Deshalb bin ich auch hierher gekommen."
Ein schwaches Lächeln huscht über ihr Gesicht und die sonst so nichtssagende Miene verschwindet für einen Moment. Sie legt den Kopf in den Nacken und stützt ihre Hände auf dem feuchten, erdigen Boden ab. Die langsam am Horizont verschwindende Sonne wirft noch letzte Strahlen über die Wiese und lässt alles in einem orangenen Licht leuchten.
Fröstelnd streiche ich über meine Arme und denke über das Erzählte nach. Ich kann nur erahnen, wie es sich anfühlen muss, seinen kleinen Bruder zu verlieren und weder zu wissen, wo er ist, noch wie es ihm geht. Und auf einmal rücken meine eigenen Probleme in weite Ferne und werden immer kleiner. „Was wirst du nun tun?", frage ich und stelle mir vor, wie ratlos ich wohl in ihrer Situation wäre. Doch das Mädchen muss keine Sekunde über diese Frage nachdenken. „Ich werde ihn suchen."
In Gedanken versunken lehne ich mich nach vorne und schaue sie an. Ihre Augen sind geschlossen und plötzlich sieht sie unglaublich friedlich aus. „Hast du jemals daran gedacht, dass es ihm dort, wo er jetzt ist, vielleicht besser gehen könnte?"
Sie nickt nach einer Weile und hebt ihre Lider leicht an. „Schon oft", sagt sie seufzend. „Aber davon kann ich mich nur überzeugen, wenn ich ihn auch gefunden habe."Innerlich gebe ich ihr Recht, bin mir aber nicht sicher, ob ich genauso handeln würde. Ich kenne den Grund für meine Angst nicht, aber sie steht meinem Leben so oft im Weg. Vermutlich wäre ich nicht so furchtlos gewesen wie sie. Ich frage mich, wie lange dieses Mädchen wohl schon gesucht und vermisst hat und wie lange sie es wohl noch tun muss, bis sie ihn findet. Auf einmal wird mir bewusst, wie gut ich es doch haben könnte, wenn ich es bloss selbst nicht immer verhindern würde. Ich habe Träume und sie warten nur noch darauf, bis ich mich endlich traue, zu wagen.
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Himmelstränen
Krótkie Opowiadania"Ich kenne den Grund für meine Angst nicht, aber sie steht meinem Leben so oft im Weg. Vermutlich wäre ich nicht so furchtlos gewesen wie sie. Ich frage mich, wie lange dieses Mädchen wohl schon gesucht und vermisst hat und wie lange sie es noch tun...