Unter der Straßenlaterne

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Er war auf dem Weg nach Hause. Die Party war zwar noch nicht vorbei, aber er hatte kein Auto. Und seit Vampire die Stadt unsicher machten, war es besser, Nachts nicht mehr draußen zu sein. Die Straßenlaternen warfen unheimliche Schatten auf den Boden und er fröstelte. Er zog den Kragen seiner Jacke höher und beschleunigte seinen Gang. Es war nicht mehr weit.
Schnell bog er um eine  Straßenecke und erstarrte. Unter einer der Laternen stand jemand. Vorsichtig näherte er sich der Person. Beim näherkommen erkannte er, dass es ein Mann war. Er näherte sich ihm bis auf fünfzehn höchstens zehn Meter und blieb erneut stehen. Der fremde hob den Kopf, seine Kapuze rutschte ihm vom Kopf und entblößte schwarze Haare, welche in alle Richtungen abstanden.
Er war blass, ungesund blass und seine Augen schimmerten rötlich. Im selben Moment wurde ihm klar, dass er einen Vampir vor sich hatte. Er war so gut wie tot.
Er wich langsam zurück, sein Herz raste. Sein Fuß stieß gegen etwas. Erschrocken keuchte er auf. Der Vampir bewegte sich immer noch nicht. Er bückte sich und hob den Stein auf. Er war klein, rund und lag gut in seiner Hand. Er holte aus und warf den Stein zu dem Vampir. Der Stein traf den Vampir an der Schulter, er taumelte ein Stück nach hinten.
Er tastete nach einem weiteren Stein, zielte und traf erneut. Diesmal erwischte er den Brustkorb des Vampirs. Dieser taumelte erneut, fiel fast hin, bevor er verschwand.
Vom Adrenalin getrieben joggte er los, wollte den Vampir stellen, doch als er um die Straßenecke kam war der Vampir schon weg. Kurz war er enttäuscht, dann redete er sich ein, dass es besser so war.

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Als er aufwachte dachte er zuerst, er hätte sich die Begegnung nur eingebildet, doch das getrocknete Blut an seiner Hand, da wo er sich an dem zweiten Stein geschnitten hatte, überzeugte ihn vom Gegenteil. Müde raffte er sich hoch und schlurfte ins Bad. Er vermied es, in den Spiegel zu schauen und stieg stattdessen unter die Dusche. Er doch nach Alkohol und Rauch, doch er hatte kaum Kopfschmerzen.

Fröhlich pfiff er vor sich hin, und schlürfte genüsslich seinen Kaffee.
Abgesehen von einer Schicht in der Bar hatte er ein ganzes Wochenende lang frei.

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In der Bar war es stickig. Es stank nach Schweiß und Alkohol und ihm fiel das atmen schwer. Zu Glück war das heute sein letzter Tag dort. Seine Schicht endete erst um elf Uhr und nach der Begegnung mit dem Vampir legte er nicht mehr soviel Wert darauf, Nachts draußen alleine unterwegs zu sein.

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Die kühle Nachtluft tat ihm nach der langen Zeit in der Bar gut. Er fröstelte etwas, doch mit seiner Jacke war es in Ordnung. Er musste schmunzeln, als er sich an all die Männer erinnerte, welche ihm ihre Nummern zugesteckt hatten. Als heterosexueller Mann in einer Schwulenbar zu Arbeiten war schon verrückt. Aus dem Schmunzeln wurde ein Lachen. Es fühlte sich gut an, die Bar hinter sich zurück zu lassen. Von unbändigbarer Freude gepackt rannte er los. Joggte durch die Kühle Nacht, drehte sich im Kreis, sprang hoch, rannte weiter. Die Leute sahen ihn an, als wäre er verrückt, vielleicht war er es auch.

Irgendwann blieb er stehen, seine Beine brannten und er musste sich auf seine Oberschenkel stützen. Sein Atem war keuchend und er bekam nur schlecht Luft. Trotzdem fühlte er sich befriedigt. Alles in ihm schien zu brennen.
Nur langsam erholte sich sein Körper von dem berauschenden Gefühl.
Er sah sich um und stellte fest, dass er nicht wusste, wo er war. Doch er spürte keine Angst.

Langsam lief er los, die Hände in seinen Taschen vergraben.

Irgendwann kam ihm die Gegend bekannt vor und mit Schrecken stellte er fest, dass er wieder an der Stelle vorbei musste, wo er gestern den Vampir getroffen hatte. Kurz blieb er stehen und sprach sich selber Mut zu, bevor er die Schultern straffte und den Kopf hob.
Mit großen schnellen Schritten bog er in die Gasse ein und erstarrte. Der Vampir war wieder da. An der selben Stelle, in den selben Klamotten.
Vorsichtig näherte er sich ihm erneut. Der Vampir hob den Kopf. Er war, wenn es möglich war, noch blasser als am Vortag und seine roten Augen schimmerten nur matt. Der eine Ärmel des zerlumpten Mantel war leer, der dazugehörige Arm war um den Körper des Vampirs geschlungen. Er sah nicht gesund aus.
Die matten Augen fixierten ihn, und ein unangenehmer Schauer lief ihm über den Rücken. Die Lippen des Vampiers öffneten sich leicht, bevor sie das Wort "Hilfe" formten.
Er war sich nicht sicher, ob der Vampir nicht reden konnte oder wollte, aber dennoch blieb er auf Abstand.
Der Vampir löste sich von der Laterne und machte einen Schritt nach vorne, auf ihn zu. Fast im selben Moment klappte er zusammen.
Er war sich nicht sicher, ob der Vampir ihm nur eine Falle stellte, aber schlussendlich siegte seine Neugier. Er kam auf den Vampir zu und beugte sich über ihn. Keine Reaktion, die roten Augen waren geschlossen, die Wangen eingefallen. Vorsichtig tastete er nach dem Herzschlag des Vampirs, bis ihm einfiel, dass Vampire tot sind und keinen Herzschlag haben, umso überraschter war er, als er ein gleichmäßiges Klopfen spürte. Seine Hände glitten über die Seite des Vampirs. Angeekelt zuckte er zurück, als er in was feuchtes fasste und zog seine Hände zurück. Blut.
Was sollte er jetzt machen? Natürlich. Die Polizei rufen. Das hätte er schon gestern machen sollen. Doch irgendwas in ihm wollte das nicht zu lassen. Also drehte er sich weg und ging weiter. Es fühlte sich falsch an, ihn dort einfach liegen zu lassen. Sehr falsch. Er bog um die nächste Ecke und riskierte noch mal einen Blick nach hinten. Der Vampir lag dort noch genauso, wie er ihn zurück gelassen hatte.
Und in diesem Moment machte etwas in ihm klick. Er drehte sich um, rannte zu dem Vampir. In diesem Moment war es für ihn kein Vampir mehr. Er war ein hilfloses Geschöpf, welches Hilfe benötigte. Dringend. Vorsichtig beugte er sich erneut herab und schob seine Arme unter den leblosen Körper. Der Vampir war leicht. Leichter als erwartet, zu leicht. Und er war eiskalt. Verständlich, auch er fror, trotz seiner dicken Jacke.

Er war noch keine zwei Straßen weiter, als ihn die Zweifel überkamen. Was sollte er mit einem Vampir? War er jetzt vollkommen verrückt? Ja. Ja, das war er. Er betrachtete sich in einem der Fenster. Verrückt. Das beschrieb ihn aus der Sicht der anderen wohl am besten. Ein junger Mann, mit langen, grünen Haaren, der vorhin wie bekloppt durch die Gegend gerannt war und nun mit einem leblosen Körper in den Armen durch die Gassen irrte. Der leblose Körper wurde schwerer, dennoch war er dazu entschlossen, nicht auf zu gehen. Er würde in die Geschichte eingehen, als der jenige, der bewies, dass nicht alle Vampire schlecht waren. Und endlich wäre jemand stolz auf ihn.
Ohne es zu merken war er bei seiner Wohnung angekommen und stieg die Treppen hoch.
Endlich bei sich drinnen, kam das nächste Problem auf. Wohin sollte er den Vampir legen? Auf die Couch? In sein Bett?
Der Vampir stank und war verdreckt. Dennoch entschied er sich schlussendlich für das Bett. Vorsichtig legte er den Mann an, bevor er sich aus seinen Sachen schälte.



So. Willkommen zu meinem Späääääschel. Dies ist Teil eins der Lesenacht.
Der Plan sieht wie folgt aus:

Kapitel 1 19:00 h
Kapitel 2 22:00 h
Kapitel 3 23:00 h
Kapitel 4 23:30 h
Kapitel 5 24:00 h

Ich weiß noch nicht, ob ich das schaffe, aber ich probier's.
Viel Spaß, bis nachher

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