Kapitel 1

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„Für viele Mädchen ist mein Leben ein Traum. Das möchte ich auch nicht bestreiten. Für mich ist mein Leben auch ein Traum, ein Albtraum."

Ich hatte nie damit gerechnet, dass mir in meinem Leben etwas so Wundervolles und zugleich Absurdes passieren sollte. Ich habe nie an die wahre Liebe geglaubt und habe auch nie damit gerechnet, dass ich ihr irgendwann einfach in die Arme laufen würde. Ich hatte nicht gewusst, dass ich nach ihm gesucht hatte. Doch wie es aussah, sollte ich ihm schon seit meiner Geburt begegnen. Darüber bin ich mir nun bewusst. Konnte man es Schicksal nennen oder haben mich meine Entscheidungen zu ihm geführt? Wäre ich ihm auch begegnet, wenn ich entschieden hätte zu Hause zu bleiben? Nur vielleicht etwas später? Oder haben mich gerade meine Entschlossenheit und meine aufbrausende Art zu ihm geführt? Ich glaubte nicht an das Schicksal – bis dahin nicht...

Das Dröhnen des Motors holte mich in die Realität zurück. Ich stand im Wohnzimmer am Fenster und schaute gedankenverloren durch die tadellos weißen Gardinen auf die Einfahrt unseres Hauses. Mein Vater fuhr mit seinem neuen Carrera in die Einfahrt. Während ich mich vom Fenster abwandte, plagte mich mein schlechtes Gewissen. Ich hatte meinem Vater versprochen, meine 17-jährige Schwester Mariella zur Modeagentur zu fahren. Sie war eingebildet und selbstverliebt, Stunden konnte sie vor dem Spiegel verbringen. Ihre langen, blonden Haare fielen an ihrem perfekt geformten Körper herunter. Ihren hellblauen Augen konnte keiner widerstehen. Wenn sie einen ansah, schien sie die Unschuld selbst zu sein. Doch blickte man hinter die Fassade war sie alles andere als unschuldig. Sie hatte eine Art an sich, mit der ich nicht allzu gut umgehen konnte. Ich verabscheute Menschen, die andere herablassend behandelten, nur weil sie dachten, sie wären etwas Besseres. Und das tat meine Schwester ständig. Wie an diesem Morgen auch:

Ich saß schon im Auto und wollte gerade aus der Ausfahrt fahren, doch als meine Schwester mir ein freches Mundwerk anhängte, hielt ich an und stieg aus. Die Situation eskalierte. Wir schrien uns gegenseitig an und diskutierten. Nachdem Mariella mich „Fette Kuh" schimpfte, drehte ich mich um und kehrte ihr den Rücken. Doch sie war ein wenig schneller. Mariella riss mir den Autoschlüssel aus der Hand, stieg in meinen Audi A3, meinen neuen Audi, und fuhr einfach los. Ich stand da wie erstarrt. Erst als sie mit quietschenden Reifen um die Ecke fuhr, begriff ich, was geschehen war. Unbekümmert zuckte ich die Schultern und ging wieder ins Haus. Sollte meine Schwester doch machen was sie wollte.

Seitdem vertrieb ich mir die Zeit in unserem Wohnzimmer. Der dunkle Marmorboden und die weißen Wände gaben einen guten Kontrast. Die hellen Möbel ließen den Raum noch größer wirken als er sowieso schon war. Ein Kamin gab ihm einen gemütlichen Touch. Auf dem Kaminsims standen Familienbilder. Ich ging Richtung Tür um meinen Vater zu begrüßen. Aladar und Hecktor, meine beiden Bordeaux-Doggen, kamen mir schon entgegen. Ich liebte meine Hunde und sie waren wohl die einzigen Lebewesen, die meine Liebe erwiderten. Ich streichelte sie. Mein Vater stand vor mir und schaute mich mit einem musternden Blick an. Aladar und Hecktor legten sich in ihre Körbchen.

„Schon zurück?", fragte mein Vater und ging an mir vorbei um sich ein Glas Wasser einzuschenken.

„Ja, ging schneller als ich dachte", antwortete ich und ging langsam Richtung Tür.

Mein Vater traute mir nicht und bevor ich in mein Zimmer flüchten konnte, hielt er mich fest. Ich konnte ihm nicht in die Augen schauen. Und lügen konnte ich schon gar nicht. Dazu liebte ich meinen Vater viel zu sehr.

„Was ist los mit dir? Du wirkst so angespannt. Ist alles in Ordnung mit dir?"

„Mit mir schon..."

„Aber?"

„Mit meinem Auto..."

„Was ist mit dem Auto? Und wo ist es überhaupt?"

Mit anderen Augen - Laurella de CarmaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt