Kapitel 3 - Sonnenuntergang

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- Samuel

„...und da sich gerade nur wenige von euch dazu begeistern lassen konzentriert an der Unterrichtsstunde mitzuwirken, denke ich, ist es an der Zeit euch ein Wenig zu motivieren." Es macht mir Angst, dass genau an dieser Stelle ein mieses Grinsen über das Gesicht von Mr. Edison huscht. „Ich schlage vor, ihr fertigt bis nächste Woche einen detaillierten Vortrag an, über das Thema Relativitätstheorie in all seiner Pracht. Das sollte keine allzu schwierige Aufgabe werden. Schließlich haben wir uns die letzten Wochen ausgiebig damit beschäftigt. Meinetwegen könnt ihr zu zweit arbeiten. Allerdings erwarte ich dafür auch Ergebnisse, die sich sehen lassen können. Enttäuscht mich nicht schon wieder! Wir sehen uns in der nächsten Stunde"
Mit diesen Worten verlässt Mr. Edison das Klassenzimmer. Großartig! Das bedeutet also eine weitere stressige Woche ohne Zeit für irgendwas. Genervt lasse ich meinen Kopf auf den Tisch sinken.

„Hey. Wenn du möchtest können wir zusammen arbeiten. Ich glaube alle anderen haben schon jemanden." Ich blicke auf und entdecke Julie neben mir stehen. Eigentlich ist sie voll in Ordnung doch irgendwie bin ich immer sehr schnell genervt von ihr. Da aber die meisten meiner Mitschüler allen Anschein nach tatsächlich schon einen Partner für den Vortrag gefunden haben, die anderen nicht teamworkfähig sind und ich unmöglich die ganze Arbeit alleine bewerkstelligen kann, sage ich Julie zu und verabrede mich mit ihr für Montagnachmittag. Auch wenn ich weiß, dass ich es später bereuen werde, denn sie ist ganz klar in mich verknallt und kann auch nach deutlichem Winken mit dem Zaunpfahl nicht begreifen, dass ich rein gar nichts von ihr will. Bedeutet also ich werde am Montag damit beschäftigt sein unangenehmen Situationen so gut es geht zu entfliehen und versuchen mich nur auf die Arbeit zu konzentrieren.

Als ich aus dem Schulgebäude heraustrete, sehe ich Lukas schon von Weitem. Er steht angelehnt an einem Baum und ist mit seinem Handy beschäftigt. Dabei fällt ihm eine braue Haarsträhne ins Gesicht, die er gekonnt wegstreicht. Dann dreht er seinen Kopf in meine Richtung. Ich winke ihm zu, damit er mich schneller in der Menge an Schülern ausfindig machen kann. Schließlich entdeckt er mich und lächelt breit. Und ich frage mich zum zigsten Mal, wie dieser Typ es schaffen kann, 24/7  gut gelaunt zu sein.
„Hey endlich Wochenende!", begrüßt er mich noch aus ein paar Metern Entfernung. ,,Ja endlich, aber du hattest Recht. Hätte ich Physik doch bloß abgewählt.", rufe ich ihm zu. „Er hat uns schon wieder eine Projektarbeit reingedrückt." ,,Tja! Ich habe dich ja gewarnt. Deshalb habe ich mich für Chemie entschieden. Ist das kleinere Übel", erklärt Lukas simpel. ,,Ja schon gut. Nur muss ich jetzt mit Julie zusammenarbeiten."
Er hört auf in seinem Rucksack nach dem Schlüssel für sein Fahrradschloss zu suchen, sieht zu mir auf und fragt: ,,Julie? Die, die schon seit der 9. was von dir will?" ,,Ja die. Es war halt niemand mehr übrig und mir ist so schnell keine Ausrede eingefallen", versuche ich mich zu verteidigen. Lukas guckt mich nur skeptisch an. ,,Was ist? Glaubst du mir etwa nicht?", frage ich.
,,Doch ich glaube dir. Ich verstehe nur nicht, warum du freiwillig mir ihr arbeitest." Ich schaue ihn verblüfft an: ,,Was hast du denn gegen sie? Sie ist vielleicht manchmal ein bisschen nervig aber du hast ja auch gar nichts mit ihr zu tun." Lukas seufzt auf: „Ich habe nichts gegen sie. Ich finde es nur komisch, dass du jetzt plötzlich mit ihr zusammen das Projekt machst, obwohl du dich die letzten Jahre immer über sie aufgeregt hast - darüber, dass sie so aufdringlich ist. Ich meine ja nur, wenn du dich jetzt mir ihr triffst... dann denkt sie ja, dass du auch was von ihr willst und gibst ihr damit falsche Signale und dann kommst du niemals wieder aus dieser Scheiße raus. Sag ihr doch einfach mal was wirklich abgeht!" Verständnislos blicke ich ihn an. „Und wie stellst du dir das vor? Soll ich einfach auf sie zugehen und sagen „Hey jo! Du magst mich, ich dich aber nicht."? Das kann ich doch nicht machen. Du weißt doch. Sie hat es nicht so leicht. Wegen ihrer Familie und so." Lukas rollt nur mit den Augen und antwortet: „Ja. Aber das ist trotzdem keine Entschuldigung dafür, ihr nicht die Wahrheit zu sagen." Ich stöhne auf. Kann er das Thema nicht endlich belassen. Es kann ihm doch egal sein. Also sage ich: „Ganz ehrlich was interessiert es dich überhaupt. Es ist nur eine verdammte Projektarbeit! Also lass uns jetzt einfach nach Hause fahren." Lukas nickt nur und wir fahren los. Während der Fahrt merke ich, dass er immer wieder zu mir rüber schaut. Als wir dann an einer Ampel anhalten dreht er sich zu mir um und sagt: „Ey sorry man. Ich will nicht streiten. Was meinst du, wann kannst du morgen kommen? Ich habe ja noch dein Geschenk." Sofort bessert sich meine Laune. Das Geschenk hatte ich schon fast vergessen. Ich drehe meinen Kopf zu ihm. „Ja ich denke ich kann am Abend vorbeikommen. Die wollen gegen Nachmittag losfahren - zu diesem Chorwettbewerb. Ein Glück hat Kat so lange gebettelt mit zu kommen, dass sie es sogar geschafft hat unsere Eltern zu überzeugen. Sonst hätten wir am Ende noch auf sie aufpassen müssen. Samantha würde sie dann eh wieder auf mich abschieben, um ihre Ruhe zu haben. Halt für ihre dumme Party." „Aber deinen Eltern muss doch klar sein, dass sie nicht nur mit ein paar Freunden im Garten grillen wird." Ich muss schmunzeln. „Ja ich konnte es erst auch nicht glauben. Meine Eltern sind wirklich naiv. Die denken nicht mal im Entferntesten daran, dass sie eine Party plant. Aber ich glaube ich könnte ein paar Bier mitgehen lassen. Das merken die eh nicht." „Klingt gut. Dann bis morgen?", fragt Lukas. „Jap. Tschau!", antworte ich noch schnell bevor ich in meine Straße abbiege.

Sam.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt