Ich konnte mich nicht daran erinnern in meinem Leben je eine dämlichere und waghalsigere Entscheidung getroffen und mich dabei dennoch so unfassbar gut und wohl gefühlt zu haben, so ängstlich und doch so frei.
Ich war mir sicher, dass es der Moment gewesen war, in dem ich mich von ihm verabschieden und dann nach Hause hatte gehen sollen. In dem ich wenigstens ein einziges Mal auf meinen Verstand hatte hören sollen, der mir akribisch sagte, dass es noch immer ein Fremder war und ich für meine Arbeit noch einiges zu machen hatte. Bevor ich dort morgen auftauchte.
Trotz dessen hatte sich jede noch so kleine Faser meines Körpers sich dagegen gesträubt, sein Angebot auszuschlagen und diese kurze Bekanntschaft zwischen uns so enden zu lassen. Seine Nähe die mich berauschte und zugleich verwirrte einfach herzugeben. Hatte genickt an der Stelle, an der ich eigentlich den Kopf hätte schütteln müssen.
Es waren seine Hände gewesen, die er auf meine Knie gelegt hatte, um in der Hocke nicht gleich nach hinten zu fallen. Der Daumen, der sanft über die durch meine Haut gestrichen hatte, weil die kurze Hose mir gerade mal bis zur Mitte meiner Oberschenkel reichte. Die Gänsehaut, der er mit dieser einfachen Berührung ausgelöst hatte und die Wärme, die von ihm direkt auf mich überging. Schlussendlich waren es vielleicht auch seine Augen gewesen, die mich so fokussiert hatten, von denen ich mich nicht hatte losreißen können, obwohl seine Pupillen so groß waren, dass beinahe die gesamte Iris die pure Schwärze ausgestrahlt hatte.
Egal was es gewesen war, nun stand ich gerade mal einen halben Meter von ihm entfernt im Flur seiner Wohnung und versuchte mit dem einfach ausziehen meiner Schuhe so viel Zeit zu schinden, wie es mir möglich war.
Ich wusste ehrlich gesagt nicht, was ich darüber denken sollte. Auf dem Weg hier hin hatte ich zwar scherzhaft gefragt, ob er denn irgendwelche zwielichtigen Hintergedanken dabei hatte und ich mir Sorgen machen musste. Obwohl mir sehr wohl bewusst war, dass er in diesem Fall es mir ganz sicher nicht so einfach offenbart hätte. Aber seine genauso belustigte Antwort, dass die meistens es sonst aus freien Stücken getan hatten, hatte mich verunsichert und meine Zweifel in Bezug auf seine Absichten stark ins brodeln gebracht.
Vermutlich genau deswegen war ich wieder so weggetreten, dass er mich am Handgelenk zurückhalten musste, damit ich nicht an der Eingangstür vorbeilief. Seine Finger lagen zwar so locker um meinem Unterarm, dass mir nicht klar war, ob er es überhaupt merkte. Doch er hatte mich bis oben nicht mehr losgelassen und so ungern ich es auch zugab, ich hatte dadurch keinen einzigen rationalen und erwachsenen Gedanken mehr fassen können.
Es mochte nicht danach aussehen und ich konnte meine Handlungen selbst nicht mehr nachvollziehen, aber eigentlich war ich immer diejenige mit der realistischen Art und Weise gewesen. Immer die, die alle anderen von ihrem übertriebenen Optimismus herunter gebracht und den Pessimisten Mut zugeredet hatte.
„Magst du etwas trinken?" drang es gedämpft an mein Ohr und irritiert blickte ich von meinen Schleifen zu ihm auf. Dieses sanfte Lächeln hatte er kein einziges Mal, seit ich ihm zugestimmt hatte, verloren und brachte mich immer wieder aufs Neue, wenn ich diesem begegnete, völlig durcheinander.
„Ähm. Erstmal nicht, danke." brachte ich zaghaft hervor und schluckte. Mit dieser so belanglosen und lediglich gastfreundlichen Frage schien plötzlich alles so endgültig. Ich war hier in seinem Reich gefangen und auch wenn ich die Tür hinter mir leise geschlossen hatte und ich dementsprechend jetzt noch jederzeitig wieder fliehen konnte, bezweifelte ich, dass ich zu solch einer schnellen Reaktion überhaupt in der Lage war.
Sein Mundwinkel zuckte, als ich auch endlich meinen zweiten Schuh losgeworden war, ich hatte auch für diesen mehrere Minuten gebraucht, und nickte mir verstehend zu. Er war mittlerweile schon in die Mitte des riesigen Vorraumes getreten und zeigte in die Richtung, in der ein weiterer schmaler, kleiner Flur entlangführte.
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Diese eine Nacht - Rezo
FanfictionEs war mir egal, wie leichtsinnig und dumm es war. Es war mir egal, dass wir uns gerade erst kennengelernt hatten und ich eigentlich gar nicht in der Lage dazu war, schon so stark für sie empfinden. Das einzige was zählte waren wir und die Erinnerun...