Lena

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Genervt sah ich aus dem Fenster, während mein Bruder sich aufgeregt mit Dad unterhielt. Seit Wochen gab es kein anderes Gesprächsthema mehr als das Feriencamp. Dom war wie besessen davon. Ich hingegen wäre lieber Zuhause geblieben oder zu Grandma gefahren. Ich verstand einfach nicht aus welchen Grund wir in dieses Feriencamp mussten, während Mum und Dad den Urlaub ihres Lebens machten.

„Lena, überleg mal. Urlaub ohne Eltern, gemeinsam mit anderen Jugendlichen. Neue Freunde finden, Party's feiern und Kurse belegen. Das wird super werden, glaube mir.", hatte Dom euphorisch an diesem Tag gesagt, als Mum und Dad uns darüber informierten.

Ihm stand die Begeisterung förmlich ins Gesicht geschrieben. Mich beschlich eher ein ungutes Gefühl. Ich war noch nie die Person, die offen auf andere zu ging. Ich war eher die Einzelkämpferin. Schüchtern und zurück haltend, der unscheinbare Part unserer Familie.
Dom hingegen stand gerne im Mittelpunkt. Das tat er schon immer. Er war ein klasse Sportler, was man seinem Körper auch deutlich ansah. Ein gut durchtrainierter braungebrannter Body, welcher etlichen Mädchen den Kopf verdrehte. Sie hingen an ihm wie Kletten an deren Sträuchern. Dom war einfach eine beeindruckende Persönlichkeit und sah nebenbei auch noch gut aus.
Wie oft haben sich Mädchen um seine Gunst gestritten? Ich hatte aufgehört zu zählen.
Ich hingegen stand eher auf die düsteren Geheimnisvollen Typen. Welche, die den gefährlichen unnahbaren raushängen ließen. Jedoch war ich viel zu schüchtern einen solchen Typ anzusprechen.
Weshalb ich mit meinen siebzehn Jahren noch immer keinen Freund hatte.
Nicht das ich hässlich wäre, zum Glück hatten wir gute Gene. Ich war einfach nicht selbstbewusst genug. Vielleicht lag es auch an meiner eigenen Wahrnehmung. Irgendwie passte mein Bild nicht wirklich zu dem Rest meiner Familie. Ich hatte eine helle sommersprossige Haut und Pechschwarze gelockte Haare. Mit meinen ein Meter achtundsechzig war ich auch somit die kleinste in unserer Familie. Mein Körper war sportlich gebaut, nicht zu dünn oder zu dick. Auch mit meiner Augenfarbe hob ich mich von den anderen ab. Die meinen waren strahlend blau, während meine Eltern und Dom braune Augen hatten. Man könnte meinen ich wäre adoptiert worden. Wenn Dom mir nicht so ähnlich sehen würde. Was bei eineiigen Zwillingen ja so üblich war. Wir waren schon eine kleine Sensation. Den dieses Phänomen trat unter Hunderttausenden nur einmal auf. Eine sehr seltene Mutation, so zu sagen.

„Lena, liebes wo bist du mit deinen Gedanken? Ist alles in Ordnung?", ertönte die sanfte Stimme meiner Mutter über das Gespräch der beiden Männer hinweg.
Sie sah mich nachdenklich mit einem leichten lächeln auf ihren Lippen an.

„Ja, alles in Ordnung. Es ist nur... könnt ihr mich nicht doch einfach zu Grandma bringen?
Sie würde sich sicherlich freuen.", gab ich fast schon flehend zurück, obgleich ich die Antwort bereits kannte.

„Lena, darüber haben wir bereits mehrere Male gesprochen. Du kannst keine sechs Wochen bei Grandma bleiben. Du weißt sie ist krank, du würdest weder ihr noch dir einen Gefallen damit tun.", tadelte sie mich bedauernd. „Camp Valerian wird dir zusagen, das verspreche ich. Es gibt tolle Freizeitbeschäftigungen und du kannst bereits Kurse für das nächste Semester belegen, neue Freunde kennenlernen. Dein Vater und ich haben uns dort kennen und lieben gelernt.", fügte sie schwärmend hinzu.
Dad sah sie lächelnd an und berührte dabei zärtlich ihr Bein.

„Ja ich weiß, aber du kennst mich Mum. Ich bin alles, aber nicht gesellig. Alte Leute wären mir in dem Fall tausend mal lieber. Sie sind wesentlich unkomplizierter.", antwortete ich ihr und sah erneut aus dem Fenster.
Der dumpfe Schlag gegen meinen Arm ließ mich leicht zusammen zucken. Ich rieb mir die Stelle und blickte meinen Bruder angesäuert an.

„Weil ja alte Leute so unkompliziert sind, Sonnenschein!", gab er lachend von sich, wobei er das "so" dramatisch in die Länge zog.
Egal wie sehr ich mich auch bemühte nicht zu lachen, es war unmöglich. Sein Lachen war einfach ansteckend und er hatte ja auch recht. Ich würde nicht mal zwei Wochen bei Grandma aushalten.
Einmal mehr erfreute ich mich daran, dass Dom und ich uns so gut verstanden. Ein kleiner Lichtblick in Bezug auf das Camp. Es machte das ganze erträglicher, zu wissen, dass mein Zwillingsbruder gemeinsam mit mir dort sein würde.
„Eure Mutter hat recht, dieses Camp wird eine tolle Erfahrung für euch sein. Ihr werdet neue Freundschaften schließen und einen tollen Sommer erleben.", unterstützte Dad Mum's Aussage.

Götterstrahlen - Bleibe bei mir ( Band 1) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt