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Ich schlief selten nachts. Oft konnte ich gar nicht. Ich war fast immer bis drei Uhr morgens wach und trainierte mit den Messern oder mein Gehör. Denn ohne Black konnte ich mich nur darauf verlassen. Black selbst trainierte ebenfalls, allerdings kaum mit mir. Erst seit etwa einer Woche, seit ich mich bereit erklärt hatte, mich von ihm im Fechten unterrichten zu lassen. Aber Black war launisch und in dieser Nacht hatte er sich ganz in sein Zimmer zurückgezogen. So sehr mir auch danach war, es hätte nichts gebracht, so lange gegen seine Tür zu hämmern bis er sich doch anders überlegt hätte. Also war ich allein und zielte mit den Wurfmesser auf eine kleine Zielscheibe.

"Das solltest du wirklich öfters üben. Du schießt wie eine Dreijährige!", höhnte eine hohe Stimme.

Genervt drehte ich mich zu dem verstaubten Einwegglas auf einem der Regale um. Casyan, ein Dämon der unteren Stufe, fristete darin sein Dasein, seit Black ihn ein Jahr zuvor eingefangen hatte. Er meinte, er könnte uns Informationen über andere Dämonen geben, aber bis jetzt hatte er nichts anderes getan, als mich in den Wahnsinn zu treiben. Laut Black sah er wie eine winzige Mischung aus Igel und Schlange aus, war schneeiweiß und hatte glühend orange Augen. Bis heute war ich mir nicht sicher, ob er das ernst meinte oder mich nur dumm verkauft hatte.

"Ich kann mich nicht erinnern, jemals ein Haustier um Meinung gebeten zu haben!", spitzelte ich und verschränkte die Arme. Ein Knurren erklang. Casyan hasste es, wenn man ihn als Haustier bezeichnete.

"Warum hat sich Artur nur jemand Schlechgelaunten und Unfähigen wie dich ausgesucht!?", sagte er provokant. Natürlich funktionierte es, ich wurde rasend vor Wut, aber ich wollte mich nicht auf das Streit-Spiel eines Dämonen einlassen.

Ich wollte stattdessen etwas Elegantes, Wortgewandtes erwidern, als plötzlich die Tür aufging und Black mit zwei Übungsdegen hereintrat. "Bereit fürs Training?", fragte er und warf mir einen davon zu.

"Sie haben sich um einige Stunden verspätet, Professor!", brummte ich, ging aber sofort in Anfangsposition.

Okay, vielleicht war ich ein klein wenig unfair. Wir hatten nie feste Trainingszeiten festgelegt, aber Casyan hatte mich so sauer gemacht, dass ich es an Black ausließ. Der nahm es wie immer gelassen.

"Deine Motivation für meinen Unterricht ist wirklich beeindruckend, Graves." Dann griff er auch schon an.

Ich war zu überrascht und konnte nur gerade so den ersten Schlag abwehren. Niemals ablenken lassen oder zu viel nachdenken, hatte Black mir schon beim ersten Mal eingetrichtert. Ich versuchte, mich zu konzentrieren. Geschmeidig wie eine Raubkatze glitt er an mir vorbei und wollte mich wahrscheinlich von hinten mit einem einfachen Schlag zu Boden bringen, aber diesen Fehler macht man auch nur einmal. Im letzten Moment fuhr ich herum, holte aus und trat einen Schritt zurück. Eine Weile parierten wir nur hin und her und das einklängige Klirren der aufeinander prallenden Degen erfüllte den Raum. So ungern ich es auch zugab, ich mochte es, mit Black zu trainieren. Allein langweilte ich mich, aber gegen einen echten Gegner zu kämpfen, hatte etwas Motivierendes. Ich fühlte mich lebendiger und wollte mein Bestes versuchen, um Black diesmal zu schlagen. Auch er schien es zu genießen, den er lächelte hin und wieder und ich hatte das seltsame Bedürfnis, dass er meine Arbeit lobte. Nicht meine Arbeit als Assistentin, sondern als Kampfparnterin. Aber obwohl ich es tatsächlich schaffte, ihm bei einem kleinen Fehler den Degen aus der Hand zu schlagen, nickte er mir nur zu und verließ ohne ein Wort den Trainingsraum wieder. Entgeistert starrte ich ihm hinterher. Ich hatte ihn zum ersten Mal geschlagen und er sagte rein gar nichts dazu! Ich wusste ja, dass er ein schlechter Verlierer war, aber so viel Würde hätte ich ihm zugetraut.

"Gibt es jetzt Ärger im Paradies?", fragte Casyan spöttisch.

"Halt die Klappe!", fauchte ich zurück und überlegte einen Moment lang, mit Black zu reden. Andererseits war er nichts gerade jemand, mit dem man über ... Gefühle wie Enttäuschung oder Wertschätzung oder überhaupt irgendwelche Gefühle reden könnte.

Plötzlich kam die Müdigkeit zum Vorschein und ich beschloss, das Training für heute zu beenden. Casyan sagte noch etwas Spöttisches, aber ich hörte gar nicht mehr hin, sondern ging in mein Zimmer und ließ mich kaputt in mein Bett fallen.

Hinter dem NebelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt