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Normalerweise schlief ich wegen des nächtlichen Trainings bis mindestens elf Uhr. Und das war auch in Ordnung so, denn Dämonen bevorzugten die Dämmerung und die Nacht. Deshalb verstand ich nicht, warum Black um neun in mein Zimmer kam und mir die Decke wegzog.

"Aufstehen, Graves! Wir sind zum Brunch von einem Klienten eingeladen worden. Mr Anderson, schon vergessen?"

"Nein, du bist zum Brunch eingeladen worden. Du willst mich nur mitnehmen, um mich zu quälen!"

Black lachte leise. "Ich werde genauso gequält. Kein Mensch will zum Brunch."

Mit hochgezogenen Augenbrauen setzte ich mich langsam auf und sah ihn an. "Gerade du, der sich immer bei Klienten und deren Ehefrauen einschleimt? Komm schon, Black, das ist für dich Jagdgebiet!"

Er beugte sich leicht vor und grinste mich an. "Eifersüchtig, Graves?"

Ich runzelte die Stirn, schob ihn beiseite und trottete ins Bad. "Träum weiter, Black."

Mr Anderson hatte noch mehr Geld, als ich mir vorgestellt hatte

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Mr Anderson hatte noch mehr Geld, als ich mir vorgestellt hatte. Er hatte uns ins Magrittes eingeladen, einem der nobelsten Restaurants der Stadt. Aber als ob das nicht reichte, hatte er den gesamten ersten Stock reserviert! Samtstühle und -sofas reichten sich um Tische mit Maromorplatten und dazwischen rangten exotische Palmen in die Höhe. Ich war noch viel zu überwältigt und auch zu müde, um mich über Mr Andersons mussmutigen Blick zu ärgern, als er sah, dass Artur Black eine Assistentin hatte. Schließlich war er so gütig, auch mir die Hand hinzuhalten und die meine zu ergreifen. Er wollte einen typischen Handkuss darauf geben, aber ich entzog sie ihm schnell. Das ließ ihn noch grimmiger werden, was ihm bei seinem speckigen Gesicht und der Glatze nicht sehr gut stand. 

"Also Mr Black und..." Er sah zu mir und verzog die Lippen zu einem schmalen Strich.

"Miss Graves.", erklärte Black. 

"Nehmen Sie bitte Platz. Wollen Sie einen Kaffee? Und für Sie, Miss Graves? Einen Tee?"

"Ein Kaffee wäre mir lieber, danke.", erwiderte ich und verschränkte trotzig die Arme, als er bereits zu einem Widerspruch ansetzte, nur weil es für Frauen untypisch war, in der gehobenen Gesellschaft Kaffee anstatt Tee zu trinken. Aber der Kellner hatte meinen Wunsch bereits vernommen und ging mit schnellen Schritten davon.

Auf Tisch standen bereits Gebäck und Tee bereit, doch weder ich noch Black rührten das Essen an. "Also ... was können wir für Sie tun, Mr Anderson?", fragte Black und lehnte sich zurück.

"Nun ... meine Frau behauptet seit Wochen, dass sie mitten in der Nacht seltsame Schreie hört und verzerrte Sätze von einer Stimme, die sie nicht kennt. Und die letzten Nächte will sie sogar einen Gestalt gesehen haben. Sie müssen ihr diesen Unsinn ausreden und ihr sagen, dass bei uns kein Geist lebt!"

"Es ist nicht ausgeschlossen, dass bei Ihnen ein Geist im Haus ist.", sagte ich kühl, aber Mr Anderson ignorierte mich ganz. Black schien das nicht zu entgehen.

"Miss Graves hat recht.", sagte er, allerdings ohne sein Lächeln verschwinden zu lassen. "Wenn Sie nicht an Geister glauben, warum haben Sie uns dann hergeholt, Mr Anderson?" 

"Ich glaube an Geister. Ihre Geschichten sind in der Gesellschaft schnell durch die Runde gegangen. Aber Ada hat eine sehr ... blühende Fantasie und ... sie kann sehr anstrengend sein."

Ich verkrampfte mich. Natürlich hatte er auch vor seiner Frau keinen Respekt! Am liebsten wäre ich über den Tisch gesprungen und hätte ihm den Hals umgedreht. Auch Black runzelte die Stirn und seine Mundwinkel sanken nach unten. Er sagte jedoch nichts dazu und auch ich hielt mich zurück. Wir brauchten das Geld schließlich, aber ich würde Black auf jeden Fall überreden, für den Kerl mehr zu verlangen.

"Mr Anderson, wenn Sie uns beauftragen, dann werde ich mich selbst davon überzeugen, ob es in Ihrem Haus einen Geist gibt oder nicht. Und sollte das der Fall sein, dann können wir ihn auch beseitigen, wenn Sie wollen. Aber ein Urteil darüber, ob Gespenster nun real sind oder nicht, behalte ich mir immer noch vor."

Das war wohl selbst für Mr Anderson deutlich. Blacks klarer Ton schien ihm nicht zu gefallen, doch er nickte nach einer ganzen Weile, eher er ihm die Hand hinhielt. "Tun Sie einfach, was Sie können. Und nun genießen Sie das Essen, ich hab immerhin nicht umsonst bezahlt!"

Mr Anderson wurde mir während des gesamten Brunchs immer unsympathischer. Er redete über seine Frau wie über ein schlecht arbeitendes Dienstmädchen und er dachte tatsächlich, Black und ich würden seine Witzte ebenfalls komisch finden. Ich hoffte insgeheim, ihn nur mit Blicken erwürgen zu können und Black ... nun ja, wenn es eins war, dass ich an ihm bewunderte, dann dass für absolute Gleichstellung war. Er behandelte Frauen, Kinder, Tiere, anders aussehende oder bewegende Menschen und sogar manche übernatürliche Wesen mit dem gleichen Respekt wie seine männlichen Klienten. Das mochte ich an ihm und wenn jemand wirklich offen unfreundlich zu mir war, weil ich eine Frau bin, dann stoppte er mich, bevor ich einen Kampf anfing und sagte demjenigen offen und ruhig die Meinung. Überhaupt verbarg sich hinter seiner oftmals charmanten und selbstsicheren Fassade eine ruhige und intelligente Person, die ich nur in seltenen Momenten kennengelernt hatte. Und dieser Black kam gerade zum Vorschein. Er redete immer weniger und versprach nur noch, heute Nachmittag vorbei zu kommen, eher er sich knapp verabschiedete. Aber sowohl ich als auch Mr Anderson konnten sich nicht so einfach ergeben.

"Sie sollten sich wirklich schämen, einem talentierten Mann den Ruf zu ruinieren, Mädchen.", spottete er, als ich meinen Mantel umlegte.

Black sah erst ihn und dann mich drohend an, aber auch ich hatte meine Grenzen. "Und Sie sollten sich schämen, dass Sie ein rückständiger Mann sind, der Angst vor Geistern hat, aber sich trotzdem über seine Frau lustig macht!", rief ich tobend vor Wut und stürmte zum Ausgang. Black erwischte mich an der Glastür.

"Was sollte das!? Ich hab dir doch schon unzählige Male gesagt lass mich das regeln! Das ist-"

"Vielleicht hab ich es langsam satt, dass ein Mann alles für mich regelt! Schon klar, dass ich die Assistentin bin und du der Boss, aber ich hab es satt, dass ich mich alle immer schief ansehen und dann soll ich auch noch die Klappe halten. Und außerdem ... was ist mit Charly? Willst du nicht wenigstens versuchen, den Fluch aufzuheben?"

Er ließ mich los und sah mich eine Weile lang nachdenklich an. Schließlich seufzte er tief. "Wir machen einen Deal. Nach dem Auftrag heute gehen wir zu Charly, aber dafür überlässt du bei Mr Anderson mir das Wort. Und wenn er sich wieder so verhält, dann rede ich mit ihm."

Es klang tatsächlich nach einem Angebot, aber ich sah den Ernst in seinem Blick. Ich konnte es ihm nicht verdenken, da es ja auch um unsere Arbeit ging und wir so überhaupt überlebten. Wobei ich, zwar nicht leicht aber dennoch, ersetzbar war. Es gab genug andere Jäger in England, die er als Assistenten einstellen konnte. Ich nickte nur und verließ das Gebäude mit einem Ziehen im Magen.

Hinter dem NebelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt