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Auf dem restlichen Weg brauten sich Wut und Enttäuschung in mir zusammen wie dunkle Gewitterwolken. Ich nahm mir vor, zu Hause sofort in Blacks Zimmer zu stürmen und ihn zur Rede zu stellen, auch wenn ich dafür zugeben musste, ihn hintergangen zu haben. Aber die Mühe nahm er mir ab.

An der Tür wartete er bereits auf mich, starrte mich finster wie die Nacht an und ging so viele Schritte auf mich zu, wie ich zurückweichen musste, um die Wand im Rücken zu spüren. 

"Was hast du dir dabei gedacht!?", herrschte er mich an. "Du kannst doch nicht mit einem verdammten DÄMONEN durch London spazieren!"

"Warum nicht? Du scheinst ja auch keinen großen Wert darauf zu legen, mir irgendwas zu erzählen!", schrie ich zurück. "Immerhin weiß ich jetzt ja, dass Casyan nicht der einzige seiner Art da draußen ist!"

Einen Moment lang sah mich Black überrascht an, fing sich jedoch schnell wieder. "Hat Casyan dir das erzählt?" Er funkelte sein Glas wütend an. Der Dämon tat, als würde er uns nicht bemerken.

"Und wenn!?", rief ich herausfordernd. "Wenigstens einer, der mir was erzählt!" Ich spürte, wie meine Augen zu brennen begannen und fuhr wütend mit dem Ärmel darüber. "Ich dachte immer, für dich wäre ich nicht nur eine einfache Assistentin, sondern eine Partnerin! Ich dachte..."

Was eigentlich? Dass mich der große Artur Black auf seine Ebene stellen würde?

Da änderte sich der Ausdruck in Blacks Augen. Er wirkte verzweifelt. Beinahe hilflos. Das passte gar nicht zu ihm, wobei er es nicht oft erlebte, dass man etwas an ihm auszusetzen hatte.

"Graves, ich ... wir ... sind Partner. Ohne dich kann ich die Wesen nicht zurück hinter den Nebel schicken. Und du kannst sie ohne mich nicht sehen."

Ich nickte, da ich nun endlich verstand. Ich drückte ihm Casyans Glas in die Hand und knallte die Tür meines Zimmers laut hinter mir zu. Kurz darauf hörte ich ein Klopfen.

"Komm schon, Graves, das ist doch kindisch."

Ich riss die Tür wieder auf und starrte ihn so düster wie möglich an. "Und seinem Partner etwas aus reiner Arroganz zu verschweigen ist also nicht kindisch!?", zischte ich. 

"Das habe ich nicht aus Arroganz getan! Es ist nur... Manche Dinge sind wichtiger als andere, das solltest du irgendwann akzeptieren, Graves." Mit diesen Worten ließ er mich an der offenen Tür stehen und knallte die seine genauso laut hinter sich zu. 

"Was stimmt mit euch beiden eigentlich nicht?", fragte Casyan genervt. In diesem Punkt musste ich dem Dämonen recht geben. 

Zwischen Black und mir herrschte selbst während des Wegs zu Mr Andersons Haus eisiges Schweigen

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Zwischen Black und mir herrschte selbst während des Wegs zu Mr Andersons Haus eisiges Schweigen. Ich war noch immer sauer, aber ich wollte mich nicht ewig mit ihm bekriegen. So wenig ich es auch zugeben wollte, aber das Leben in unserem Mettier war einsam und Black war der einzig wirkliche Freund, den ich den letzten Jahren gehabt hatte.

Vor der Haustür seufzte auch er und senkte die Hand wieder, die er bereits zum Klingeln erhoben hatte. "Wir sollten nicht streiten, wenn wir einen Auftrag haben, Graves."

"Sehe ich genauso. Wir sind Profis.", erwiderte ich kühler als beabsichtigt. 

Black ließ sich nicht beeindrucken und setzte sein charmantes Grinsen auf. Er klopfte gegen die mächtig wirkende Eingangstür und Sekunden darauf öffnete ein Mann in Bedienstetenuniform. "Mr Black und Miss Graves nehme ich an?", fragte er tonlos. 

Black nickte und trat als Erster ein. Ich muss zugeben, dass ich mich zunächst überwinden. Das ganze Haus war protzig eingerichtet und schrie förmlich nach Mr Anderson. Als ich Schuhe auf dem Marmorboden über uns hörte, wurde mir bereits bei dem Gedanken an eine Begegnung mit ihm mulmig zumute. Aber nicht er, sondern eine etwas jüngere Frau erschien. Sie war mager und ganz blass, als hätte sie lange nicht mehr richtig gegessen. Sie sah müde und erschöpft aus, was auch die dunklen Ringe unter ihren Augen unterstrichen. Unter ihrem goldgelben Morgenmantel trug sie eindeutig Nachtgewand, dabei war es noch gar nicht so spät. Ihre hellen Haare sahen zerrauft aus, als würde sie ständig darin herumfahren. Ihre grünen Augen wirkten so glasig, als sie uns damit musterte. 

"Sind Sie dieser Mr Black, der Geister und Dämonen sehen kann? Und seine Assistentin, Miss Graves, richtig?"

Black lächelte noch immer. "Korrekt. Sie sind Mrs Anderson, nehme ich an?"

Sie nickte und kam langsam zu uns herunter, um uns die Hand zu geben. Sie fühlte sich eiskalt an. 

"Mein Mann ist sicher in seinem Arbeitszimmer. Ich  ... äh ... zeig Ihnen so lange gerne das ... Zimmer."

"Das wäre nett, Madam.", erwiderte Black und winkte mit der Hand ab, als der Bedienstete ihm seinen Mantel abnehmen wollte. 

Auch ich verneinte und wir folgten Mrs Anderson über die breiten Eichenholztreppen in den ersten Stock. Sie führte uns einen langen Flur, in dem sich Türen und Gemälde über einem weichen Teppich reihten, entlang. Dabei erklang immer wieder von irgendwo ein Knarzen, dass die Dame des Hauses jedes Mal zusammenzucken ließ. Natürlich musste ein Knarzen lange nichts bedeuten, aber trotzdem stieß ich Black leicht an der Schulter. 

"Ich höre es.", flüsterte er und sah sich konzentriert in allen Seiten um, als könne er jede noch so kleine Veränderung wahrnehmen, was er als Medium vermutlich auch konnte.

"Spürst du schon was?"

Black schüttelte kaum merklich den Kopf und wandte sich an Mrs Anderson. "Ma'am, könnten Sie uns vielleicht genau schildern, was Ihnen seltsam vorkommt?"

"Nun..." Sie verknotete krampfhaft ihre Hände. "... mein Mann tut das alles als Unsinn ab, aber ... Es begann vor etwa einem Monat. Mein Mann und ich haben unseren 10. Hochzeitstag gefeiert. Es war eigentlich ein ganz schöner Abend. Wir waren essen und zu Hause noch eine Flasche Champagner getrunken... Aber nachts hörte wurde ich von einem Krachen gehört. Ich dachte schon, jemand vom Personal wäre noch auf und hätte etwas kaputtgemacht. Ich hatte Angst, es wäre vielleicht jemand verletzt und bin deshalb ins Teezimmer, von wo ich den Krach vermutete..." Ich konnte nicht anders, als sie bewundernd anzusehen. Eine Hausherrin, die sich tatsächlich Sorgen um ihr Personal macht und deshalb mitten in der Nacht aufspringt. Ich für meinen Teil hätte ja mit einem Einbrecher gerechnet. 

"... jedenfalls bin ich dann ins Teezimmer, aber als ich dort ankam, lag zwar das schöne Geschirr zerbrochen auf dem Boden, doch jeder vom Personal stritt ab, es zerbrochen zu haben. Ich glaubte ihnen, da ich ihnen nicht nur vertraute, sondern auch dachte: was sollte denn jemand von ihnen um zwei Uhr morgens im Teezimmer wollen? Wie bewahren dort nichts Wertvolles auf... Aber in der Nacht darauf gingen sogar zwei Vasen zu Bruch und in der dritten Nacht hörte ich zum ersten Mal die Stimme. Eine junge Frauenstimme, die entsetzlich schrie. Ich blieb oft auf und sah im ganzen Haus nach, aber ich konnte nie jemanden finden. Die Stimme verschwand nicht und ich bekam es immer mehr mit der Angst zu tun. Mein Mann hatte jedoch nie etwas bemerkt und auch vom Personal sagte jeder, nie etwas gehört zu haben. So wurde mir klar, dass es einen Geist in meinem Haus geben musste."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 21, 2018 ⏰

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