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Was ich an Charlys Bar so liebte? Hier sah mich keiner schief an, weil ich eine Frau war. Im Gegenteil, ich konnte die meisten der Kerle hier unter den Tisch trinken und das schienen sie an mir zu mögen. Charly selbst war schon um die Fünfzig und auch seine braunen Westen, die bunten Fliegen und der Schnauzer konnten nicht von seinem Bierbauch ablenken. Seine Backen leuchteten immer rot und sein Grinsen war selbst bei mir ansteckend.

"Lizzie, Mädchen! Wo hast du dich mit dem alten Arti so lange rumgetrieben?", rief er glucksend, als ich die Tür öffnete.

"Alt hab ich überhört!", brummte Black und setzte sich mit mir an die Theke.

Charly zwinkerte und schon uns zwei Gläser Brandy zu. Der Alkohl wärmte mich und ließ den Frost, der bis unter meine Haut gedrungen war, verschwinden.

"Was hattet ihr heute zu erledigen?", fragte Charly nach einer Weile. Er war regelrecht fasziniert von den Geisternund Dämonen und war felsenfest überzeugt, seine tote Frau Martha würde in der Bar herumirren. Black behauptete zwar, es gäbe in der Bar keinen Geist, aber wir ließen Charly in dem Glauben. 

"Einen Poltergeist. Nichts aufregendes, aber der war verdammt schnell." 

Ich versuchte meine Schulter zu lockern, die ich mir bei der Verfolgungsjagd bei dem Schrank angestoßen hatte.

"Ich wieder mehr Konditionstraining machen. Was war bei dir in der letzten Woche los."

Charly zuckte zusammen, als hätte ich ihn geschlagen. Ein so schreckhaftes Verhalten kannte ich von ihm gar nicht.

"Nicht besonderes... Gäste, Betrunkene.... Das übliche Programm."

Black schien genauso wie ich zu bemerken, dass er uns etwas verheimlichte. Er fixierte ihn wie eine Katze eine Maus und seine Lippen bildeten einen schmalen Strich. Ich glaubte förmlich zu sehen, wie Charly zu zittern begann, dabei war er fast zwei Meter groß.

"Na gut ... vielleicht war doch nicht alles so ... normal."

"Was ist passiert, Charly?" Blacks Stimme klang wie üblich ruhig, wofür ich ihn ehrlich gesagt beneidete. Ich hingegen konnte mich vor Neugier kaum noch auf dem Hocker halten.

"Gestern Abend kam ein Typ her. Er war groß, schlank und hatte ganz bleiche Haut. Der Kragen seines Mantels war so hoch, dass ich sein Gesicht kaum gesehen hab. Aber seine Augen ... sie haben geglüht. Ich schwöre bei Gott, dass sie in einem hellen Weiß und Blau geglüht haben! Und er hat nichts bestellt, sondern wollte nur wissen, ob ein Kerl namens Teodor Adams hier war. Von dem hatte ich noch nie gehört und das hab ich dem auch gesagt. Dann ist er einfach wieder gegangen. Ein paar Gäste haben seine Augen auch gesehen und weigern sich deshalb, meine Bar zu betreten, weil sie glauben, er hätte sie verflucht."

Weiß und Blau leuchtende Augen? Ich sah zu Black, der anscheinend genau dasselbe wie ich dachte.

"Ein Torwächter.", flüsternden wir gleichzeitig.

"Was soll das denn sein?", fragte Charly sichtlich verwirrt. "Doch nicht etwa ein Dämon?"

Ich biss mir auf die Lippe. Ich konnte es ihm nicht sagen. Black hingegen hatte weniger Skrupel. 

"Torwächter bewachen die Übergänge zwischen unserer und der Anderwelt. Meist sind sie mächtige Halbdämonen also..."

Charly wurde augenblicklich leichenblass. Seufzend klatschte ich mir eine Hand gegen die Stirn.

"Was mein feinfühliger Boss dir zu sagen versucht, ist, dass er zwar wohl in der Lage ist, Flüche auszusprechen, aber es sicher nicht getan hat. Sonst hätte Black schon beim Reinkommen etwas bemerkt. Oder, Black?"

Dieser sah Charly nicht an. "Richtig. Wir müssen ohnehin los."

Wie vom Blitz getroffen sprang er auf, warf sich seinen Schal und Mantel über und zog mich förmlich aus der Bar. Ich warf Charly noch schnell das Geld für die Drinks und einen entschuldigenden Blick zu, eher ich mich an der Tür aus Blacks Griff befreite und ihn böse anfunkelte.

"Was soll das?", fauchte ich.

Er blickte mich gar nicht an, sondern analysierte das Gebäude hinter mir. "Was siehst du?", fragte ich etwas ruhiger.

"Ich hab gelogen, Graves. Es ist ein Erkennungsfluch, denke ich. Sollte dieser Teodor Adams die Bar betreten, weiß der Torwächter sofort Bescheid."

Geschockt drehte ich mich zu der Bar. Der Fluch war keine Gefahr für Charly, aber er hatte ohnehin Angst vor Dämonen und nun hatte einer seine Bar verflucht.

"Willst es ihm sagen?", hörte ich Blacks Stimme. Ich schüttelte langsam den Kopf.

"Nein, lieber nicht. Das ist mir echt zu viel für einen Tag. Lass uns bitte einfach nach Hause gehen." Black sagte nichts mehr dazu und ging bloß schweigend neben mir her.

Wir konnten von Glück sagen, dass wir Mr Twain kennengelernt hatten. Er war wohl der einzige Vermieter in der Stadt, der keinen Aufstand machte, weil sich ein Mann und eine Frau eine Wohnung teilten, obwohl sie nicht verheiratet waren. Aber jeder besaß sein eigenes Zimmer, es gab eine Küche, ein kleines Bad und ein Zimmer, dass wir zum Trainieren verwendeten. Die Wohnung war für unsere Verhältnisse schon groß, was aber wohl nur an Blacks Ruf lag. Nicht nur die der Unterschicht gaben uns Aufträge. Tatsächlich wurde er sogar oft zu irgendwelchen eleganten Teepartys und so einem Quatsch eingeladen. Und mich musste er natürlich überall hin mitschleppen, weil er gerade bei solchen Anlässen seine Treue gegenüber seinen Mitarbeitern beweisen wollte. Ich hatte diese Dinge schon als Kind gehasst. Meine Eltern hatten selbst zu dieser Elite gehört und somit auch irgendwie ich. Aber das war nicht meine Welt und manchmal dachte ich, obwohl er sich so gut darin bewegte, auch nicht Blacks. Na ja, Black war außerhalb jedweder Gesellschaft ohnehin verschwiegen und geheimnisvoll. Zuhause redeten wir eigentlich nur während dem Training miteinander. Das konnte schon nervtötend sein, doch ich auf jeden Fall froh über den Job und konnte mir nach drei Jahren Zusammenarbeit nicht vorstellen, etwas anderes zu tun.

Hinter dem NebelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt