Teil 15

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Ich schämte mich so sehr, dass ich es wagte mich selbst zu verletzen, dass ich nicht mehr damit aufhören konnte. Immer wieder tropfte mein eigenes Blut auf meinen Körper, auf den Boden und vermischte sich mit meinen Tränen.
Wo führte das hier nur alles hin? Ich wusste schon immer, dass ich nicht besonders stark war, aber so?
Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich es einmal wagen würde mich selbst zu verletzen. So schlecht sah mein Leben überhaupt nicht aus, als dass ich das Recht gehabt hätte, mich zu verletzen. Es war alles gut in meinem Leben und doch fühlte es sich kein bisschen so an.
Alles brach in sich zusammen und ich wurde das Gefühl nicht los, dass es meine Schuld war.
Alles wäre so viel besser, wenn ich mir mehr Mühe in der Uni geben würde, wenn ich mit mehr Mühe mit meiner Beziehung, mit meinen Freunden geben würde.
Doch ich konnte nicht, ich war am Ende meiner Kräfte, total.
Ich saß noch einige Minuten so da, wartete bis meine Tränen endgültig versiegten, ehe ich meine Arme und Beine mit Verbänden versorgte, die Scherben wegräumte und das Blut vom Boden wischte. Außer die Wunden an meinem Körper zeugte nichts mehr davon, was gerade geschehen war.
Alles wie immer. Alles so öde und doch so kompliziert.
Doch natürlich jetzt klingelte es an der Tür. Ich schaute durch den Spion und sah Wincent ungeduldig am Türrahmen lehnen.
Wie sollte ich ihn reinlassen? Er würde es sofort bemerken.
„Ich komme sofort", schrie ich, während ich ins Schlafzimmer rannte um mir eine neue Leggins und einen Pulli anzuziehen.
„Warum schreibst du nicht zurück? Was ist los?", fragte er aufgebracht, ohne mich zu begrüßen.
„Sorry ich bin so im Stress", murmelte ich nur und schob meine ganzen Unterlagen auf einen Haufen. „Willst du vielleicht eine Beruhigungstablette?", fragte ich scherzhaft, obwohl mir so gar nicht zum Lachen zumute war.
„Nein, aber nen Kaffee würde ich nehmen", meinte er nur und setzte sich an den Küchentisch. Ich schob meine Ärmel nach oben, während ich die Kaffeemaschine bediente - wie ich es immer tat.
Mein Fehler.
Natürlich übersah Wincent die weißen Verbände keine einzige Sekunde. Er kam auf mich zu, nahm meine Arme in seine Hände und schaute mich an. „Was hast du gemacht?"
Ich zog sie ihm weg, schob meine Ärmel wieder herunter und kümmerte mich um den Kaffee.
Doch er ließ nicht locker, schaute mich weiter fragend an. Ich war am Arsch.

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