Schockzustand. Ich sah mich um, ein paar stiegen Tränen in die Augen. Ein paar waren in einer Art Schockstarre. Ich begann weder zu weinen, noch erstarrte ich. Meine letzten Worte an sie waren ein gehetztes ciao. Ein f***** ciao. Da fiel mir wieder er ein warum ich so gehetzt war. Ich konnte es nicht fassen und jetzt stiegen mir auch Tränen in die Augen.
»Wie?«
Mehr brachte ich nicht heraus, aber unsere Lehrerin schien es trotzdem zu verstehen.
»Sie ist wohl an ihrem eigenen Blut erstickt. Am nächsten Morgen sah man Blutspuren aus ihrem Mund und auch aus den Augen. Die Ursachen sind noch ungeklärt«
Sie musste nicht weiter sprechen. Das war alles meine Schuld. Wenn ich gestern etwas unternommen hätte, wäre sie vielleicht noch am Leben. Ich stand auf und ging. Es war mir egal, dass ich quasi die Schule schwänze. Ich rannte zum Bus, um nach Hause zu fahren.
Im Bus verlor ich endgültig meine Beherrschung und fing an haltlos zu weinen. Ich ging zu den Plätzen, wo Lia und ich gestern gesessen hatten. Es war der selbe Bus. Die selben Plätze. Ich konnte es daran erkennen, weil niemand meinen Blutstropfen vom Boden aufgewischt hatte. Ich setzte mich auf den gestrigen Platz von Lia. Ich dachte an den gestrigen Tag zurück. An die letzten Worte, die Lia und ich gewechselt hatten und weinte.
Ich weinte so lange bis keine Tränen mehr aus meinem Auge traten. Ich hatte mich leer geweint. Als ich sah das als nächstes meine Station dran war und überlegte einfach sitzen zu bleiben, aber ich wusste wenn ich jetzt nicht aufstehen würde, würde ich wahrscheinlich nie die Kraft dazu finden . Also stand ich auf und stieg aus.
Ich lief den selben Weg wie gestern, aber dieses mal rannte ich nicht. Im Gegenteil ich lief betont langsam. Ich hatte so gehofft, dass sich mein Gefühl nicht bewahrheitet.
Ich schaute mir die Umgebung genau an und als ich an der Stelle angekommen war, wo ich gestern hingefallen war, blieb ich stehen. Es musste geregnet haben, denn es war kein Blut mehr auf dem Boden zu sehen, dafür sah ich wie meine Tränen Tropfen für Tropfen auf den Boden fielen.
Ich hatte nicht gemerkt, dass meine Augen wieder angefangen hatten, sich mit Tränen zu füllen, es war mir auch egal. Ich setzte mich hin und weinte. Ich wusste nicht, wie lange ich dort gesessen und geweint hatte, aber es fühlte sich an wie Stunden. Ich hätte noch Tage dort gesessen, aber mir wurde schlagartig klar, dass ich das Foto finden musste. Ich weiß nicht, wie ich es geschafft hatte, aber ich fing an zu rennen und ich rannte um mein Leben, oder besser gesagt um das ehemalige Leben von Lia, oder besser gesagt um das Leben desjenigen der als nächstes dran war. Ich wusste nicht was ich tun würde, aber ich wusste das es irgendetwas mit den Foto zu tun haben musste.
Es war schon fast Rekord verdächtig, dass ich es innerhalb von 2 Minuten und 26 Sekunden nach Hause und in mein Zimmer gekommen war und das Bild anfing zu suchen.
Aber ich fand es nicht. Hatte ich es mir doch nur eingebildet? War das der Traum gewesen und er hatte sich so real angefühlt, dass ich dachte er wäre Wirklichkeit gewesen? War es doch nicht meine Schuld? Ich war erleichtert und zugleich verunsichert. Ich entschloss ins Bad zu gehen um mich frisch zu machen, wahrscheinlich hatten sich mittlerweile Pfützen von Wimperntusche unter meinen Augen gebildet. Vor dem Waschbecken schaufelte ich mir literweise kaltes Wasser ins Gesicht und schaute in den Spiegel. Zu meiner Überraschung sah ich gar nicht so schlimm aus, wie ich gedacht hatte. Man konnte zwar sehen, dass ich geweint hatte, allerdings hatte ich weder rote Flecken im Gesicht noch die erwarteten Pfützen aus Mascara unter den Augen. Ich schaute ganz genau in den Spiegel und fokussierte mich auf mein Spiegelbild. Um genau zu sein, meine Augen. Ich stand gefühlte Stunden vor dem Spiegel und wartete. Ich wartete auf den roten Schimmer. Ich wartete auf die rote Träne. Ich wartete auf das Bild. Ich wartete auf die Wiederholung.
Bis die Türklingel mich aus meiner Fokussierung riss.
Ich zwang mich aus dem Badezimmer und ging runter, um die Tür zu öffnen.
Ich hatte mir schon oft gewünscht, dass unsere Tür so einen Spion eingebaut hätte, damit ich nicht pokern muss wer vor der Tür steht. So manche gammligen Tage auf der Couch, hätte ich, als es geklingelt hatte, so manches darum gegeben, dass ich gewusst hätte, wer vor der Tür stand.
Aber sowohl damals, als auch heute hatte ich keine Ahnung, wer geklingelt hatte. Obwohl ich oben lange in den Spiegel geschaut hatte, wusste ich nicht wie ich aussah. Deswegen schaute ich nochmal in dem Spiegel, an der Wand neben der Haustür und wisch mir verstohlen übers Gesicht. Meine Wangen waren doch mehr gerötet, als ich gedacht hatte, aber das war mir jetzt egal und ich öffnete die Tür.
Es war Zoey.
Zoey war meine beste Freundin, wir kannten uns schon seit ich denken konnte. Ich musterte ihr Gesicht, aber ich konnte nicht erkennen, was sie dachte. Eigentlich war sie für mich wie ein offenes Buch, aber ihr Blick war so seltsam trüb und ausdruckslos, dass ich nicht wusste, was sich dahinter verbog.
»Hey. Komm doch rein«
Ich hielt die Tür noch ein Stückchen weiter auf und trat ein Schritt zu Seite, sodass sie problemlos an mir vorbeigehen konnte. Stumm und den Blick gesenkt tat sie es auch.
»Willst du was trinken«
Es kam keine Antwort. Wortlos setzte sie sich auf die Couch. Ich folgte ihr und setzte mich neben sie. Ich wusste nicht was ich, außer dämlichen Smalltalk, sagen sollte. Keiner sagte etwas, wir saßen nur still, für ich weiß nicht wie lange, nebeneinander und schwiegen. Wenn Zoey sonst da war, gab es immer irgendetwas zu bereden. Generell wenn man mit ihr befreundet war, erlebte man nur selten einen Stillen Moment, aber dieses Mal machte sie keine Anstalten auch nur ein Wort zu reden.
»Hat… weißt du…«
Ich ärgerte mich über mein eigenes Gestammel, aber ich konnte keine Sekunde länger mehr die Stille ertragen. Zoey wohl auch nicht.
»Ich… Wir waren Freundinnen aber eigentlich kannte ich sie noch nicht einmal richtig. Wir waren solange in einer Klasse und ich weiß noch nicht mal so banale Dinge wie zum Beispiel: ob sie Geschwister hatte, Haustiere, ja noch nicht mal ihre Lieblingsfarbe weiß ich«
In ihrer Stimme klang Wut und Trauer mit aber noch etwas, dass ich nicht einordnen konnte.
»Wir wollten uns Freitag noch tre…«
Aber sie unterbrach mich
»Weißt du, ich frage mich schon die ganze Zeit, woher du es schon wusstest«
Ihre Stimme wechselte und jetzt schaute sie mich direkt an. Ihre Augen funkelten. Teilweise weil sie sich mit Tränen gefüllt hatten, aber es war auch ein funkeln vor Wut, Trauer, Angst, Misstrauen.
»Du hattest schon bevor sie es uns gesagte hatte, den ganzen Tag nach Lia gefragt. Also woher?«
Ich überlege ob ich es ihr erzählen sollte, aber sie machte mir Angst. Sie wirkte so bedrohlich, unberechenbar und gefährlich. Ich wollte nur noch, dass sie aufhört mich so anzuschauen und Sachen zu unterstellen. Sie sollte einfach gehen und ich beschloss sie auch erstmal nicht einzuweihen.
»Ich wusste es nicht. Ich hatte mich nur gewundert, als ich sie heute morgen nicht im Bus gesehen hatte, obwohl wir immer zusammen fahren«
Diese Antwort schien ihr nicht zu genügen, aber sie hörte auf Fragen zu stellen. Erleichtert sank ich ein bisschen tiefer in die Couch. Zoey allerdings blieb verkrampft auf der Kante sitzen und blickte sich im Raum um. Eine Weile blieben wir so sitzen, bis Zoey aufschreckte.
»Ich muss nach Hause. Meine Mutter fragt sich bestimmt schon wo ich bin«
Sie setzte sich im Bruchteil einer Sekunde auf und stürmte zur Tür. Ich konnte nur noch ihren Ausdruck in den Augen sehen. Es war ein Ausdruck den man nicht mehr vergessen kann. Erschrocken, Panisch, Ängstlich und mit noch etwas gemischt. Ich wollte ihr nach rennen, aber dann sah ich auf unserem Holztisch das Foto.
Mitten im Wohnzimmer, lag es einfach da. Ich hatte Stunden danach gesucht und ich war mir sicher, dass es bis eben noch nicht auf dem großen Tisch lag.
Ich sprang auf. Ich konnte es nicht fassen, da lag es wirklich, einfach so. Ich lief so schnell ich konnte zum Tisch und nahm das Foto. Ich betrachtete es fassungslos. Ich dachte an gestern und daran, wie ich es mit Lia betrachtet hatte. Ich blickte auf die Stelle, wo Lia stand, um sie noch einmal zu betrachten, nur stand da keine Lia. Ich blickte übers ganze Foto, ich konnte sie nirgends finden. Ich rieb mir die Augen und schaute nochmal hin. Nichts. Ich wusste nicht ob das gut oder schlecht war. Wobei das schlechteste wohl schon eingetroffen war. Aber es musste etwas bedeuten, obwohl ich mir dabei nicht sicher war. Garantiert sicher war eigentlich nur, dass ich nicht mehr nur warten konnte. Ich musste was tun. Nur wo sollte man anfangen, wenn man eine Erklärung für ein mordendes Bild sucht?
Ich musste herausfinden, was diese Jessica damit zutun hat. Ich musste herausfinden, wer sie war. Ich ging in mein Zimmer und setzte mich an meinen Computer. Ich wollte ihren Namen im Internet suchen, aber ich wusste ihren Nachnamen nicht. Ich wusste eigentlich überhaupt nichts von ihr. Ich war frustriert. Ich wusste rein gar nichts. Ich starrte den Computer an. Der kleine Strich blinkte, es war so als würde er mich verspotten und direkt ins Gesicht schreien
'Schreib was. Schreib was. SCHREIB WAS.'
Es nervte mich, aber was sollte ich tippen?
*Blink* *Blink* *Blink*
Ich stand kurz vorm ausrasten, also tippte ich, nur um zusehen was passieren würde.
>mordende Bilder<
42 Treffer.
Ich war überrascht und scrollt die Treffer entlang. Bisher 27 verrückte, 7 Scenen aus Serien, 4 Werbungen, 3 Verschwörungstheorien und 1 Zeitungsartikel.
Ich klickte auf den link zum Zeitungsartikel.
„Mordendes Bild“
Ein Mädchen, 15 Jahre alt, wurde in der Middel Klinik tot aufgefunden. Die Todesursache wurde noch nicht bekannt gegeben, aber Gerüchten nach hat sie Suizid begangen. In der Hand hatte sie ein Bild, dass durch Blut allerdings unkenntlich gemacht wurde. Quellen behaupten es sei ein Klassenfoto. Wie das Bild mit dem Tot zusammenhängt ist noch unklar. [… ]
Ich konnte es nicht fassen. Ich war mir ziemlich sicher, dass es dabei um Jessica ging. Ich musste zu der Middel Klinik. Ich löschte >mordende Bilder<
und gab
>Middel Klinik<
ein.
Mehrere Treffer.
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Sekunden
Teen FictionManche Sekunden dauern länger als andere. Jede Sekunde, in der man etwas tut, das man liebt, fliegt nur so dahin und manche Sekunden dauern, jede für sich, kleine Ewigkeiten. Ebenfalls kann man um eine Sekunde die Chance seines Lebens verpassen oder...