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16.3.

Das Haus war noch ebenso schön, wie meine Erinnerungen es mir zugeflüstert hatten.
Die Böden waren mit Teppich ausgelegt, die Wände mit Schnitzereien verziert, warmes Holz unterstrich den Charme dieses Paradieses. Um einen herum lebte der Wald nun mehr denn je zuvor, wo der Frühling doch eingebrochen war.

Sofort verstand ich, warum ich als kleines Kind so oft hier gewesen war. Es war ein Ort, der all deine Sorgen versteckte. Hier konnte sie die Sonnenstrahlen auf ihrer Haut tanzen sehen und es wäre das Einzige, was ihre Gedanken füllen würde. Sie würde die Friedlichkeit spüren, die diese Zimmer umgab. Ihr Herz wäre so erfüllt von all dem Schönen, es würde keinen Platz für jegliches Unheil kennen.
Ich hätte sie nun vollkommen gerettet.

Und so ging ich mit meiner porzellanen Elfe die Waldwege entlang, die Bäume genauso blühend wie unsere Liebe.

Wir setzten uns an den See, welchen sie bislang nur aus meinen Erzählungen kannte. Aßen Blaubeermuffins und tranken Tee.
Ich erzählte ihr von Kindstagen, die ich hier verbracht hatte. Schmunzelte bei der Erinnerung an den Jungen, der ich einst gewesen war.

Ich breitete die Picknickdecke aus, platzierte jegliche Köstlichkeiten auf dem rot-weißen Karomuster. Ein Marienkäfer krabbelte über das Besteck und sein Anblick wirkte wie die Mücke beim kläglichen Versuch des Einschlafens. Er passte nicht zu diesem Sonnenschein, schien alles zu zerstören. Es war, als würde sich Perfektes unter seinen kleinen, dünnen Beinchen auflösen und so tat ich, was ich tun musste und zerquetschte ihn unter meinen langen Fingern.
Sein Tod erleichterte mich.

Wir lachten und ich fühlte mich so selig.
Ich bastelte dem Reh einen Kranz aus den Blümchen, die das Frühjahr gab. Die Krone für eine Königin.

Ich erinnere mich an diesen Tag und ich erinnere mich daran, wie wunderschön sie gewesen war.
Wirklich, noch nie zuvor war sie von solch einer Vollkommenheit gewesen wie in jenem Augenblick.
Ich erinnere mich an die Art, wie ihre Blicke mich berührten, meine Seele streichelten.
Wie sich ihre Nase kräuselte, wenn sie lachte.

Es war ihr letztes Lachen
und das letzte Mal, dass ich es hören sollte.

Denn schon bald darauf war der Tag, der unser letzter wäre.

Das Mädchen aus Porzellan Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt