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Am 17.3. sollte mein Leben, wie ich es liebte, sein Ende finden.

Ich traf sie wieder.
Sie, die vor ein paar Monaten an der Haltestelle gestanden hatte.
Die den Beginn meiner Träume gebildet hatte.

Wieder wartete sie auf ihren Bus und wieder hielt sie einen Kaffeebecher in ihren Händen.
Nur waren ihre Finger nicht so schlank, wie ich sie mir vorgestellt hatte.
Und ihre Fingernägel zu lang für das Bild, welches ich mir von ihr gemalt hatte.

Ihr Bus kam und sie setzte sich auf einen Platz am Fenster. Ihr Blick streifte meinen, aber meine auf ihrem Körper ruhenden Augen schienen sie zu erschrecken.
Und ihre Augen erschraken mich, denn sie waren nicht, wie ich sie mir zu erträumen pflegte. Grün schienen sie doch immer geleuchtet zu haben, grün, wie der Wald im Lichte es tat.

Ich folgte ihr, aber ihr Gang schien mir falsch. Es hätte so wirken sollen, als würde sie schweben, aber sie stampfte wie ein kleines Kind.

Ich dachte an mein Porzellanmädchen, wie ich es gestern noch am See gesehen hatte und je länger ich mir dieses Bild vor Augen führte, desto mehr schien es zu verblassen. Mir dämmerte, wie falsch alles gewesen war, das sich so richtig angefühlt hatte.
Wie erfunden, was mir wie die einzige Wahrheit erschien.
Ich sah hinab auf die Straßen, aber das Gezwitscher der Vögel, dem ich zuvor so freudig gelauscht hatte, widerte mich nun an.
Das Aufblühen der Welt wollte ich nicht mit ansehen, wo mein Porzellanmädchen diese doch verlassen hatte.
Ich sah hinauf zum Himmel, doch die Wolken, die mich zuvor an kleine Schäfchen erinnert hatten, schienen mich nun zu bedrohen.
Ich sah zu meinem Spiegelbild, aber die so weichen Haare waren eigentlich fettig und die so schönen Augen mit dunklen Ringen beschmückt.

"Immer nur ein Versager" hörte ich meinen Vater brüllen. "Immer nur versagst du."
Ich spürte seine Schläge, dunkles Blut auf meinem dreckigen Körper.

Was eine Enttäuschung ich war,
so enttäuschend das Geschehen.

Hier stand ich nun wieder, mit nichts außer meiner Einsamkeit.
Was war dieses Leben nur?
Was war es nur, wo doch alles zerfallen war, das mich hier hielt.
Nichts existierte mehr, das ich liebte.
Alles, was ich liebte, hatte nie existiert.
Meine Krone war zerbrochen, unter den Lasten dieser Realität.

Ich betrachtete das Mädchen, welches auf irgendwas zu warten schien.
Wie sie lächelnd hin und her blickte.
Verträumt an ihrem Kaffeebecher nippte.
Ich sah sie vor mir, wie sie war und nicht war, was sie sein sollte.
Zorn überkam mich.
Sie war es, die mich zerstört hatte.

Und ehe ich hätte nachdenken können, legte ich meine Finger um ihren Hals.
Hinterließ einzig die Scherben von Porzellan.

Dann streichelte ich über diese makellose Haut. Über die rosigen Wangen, die bald schon kalt verblassen würden. Ich sah zu den Lippen, leicht waren sie geöffnet, zum Schrei angesetzt. Ich blickte auf ihren Hals, so blau gefärbt, so falsch berührt.

Meine Porzellanelfe, was habe ich nur getan.

Das Mädchen aus Porzellan Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt