Nemesis

3. Kapitel

„Noch fünf Runden", hörtest du den Coach rufen und warst bereits am Ende deiner Kräfte.
Du hattest zwei Runden erfolgreich hinter dir, obwohl deine Lunge brannte und du das Gefühl hattest, egal wie viel Luft du einatmetest, es einfach nicht genug war.
Du würdest nicht vor der gesamten Klasse nach Luft schnappen und dich erneut zum Idioten machen - damit warst du durch - also fingst du an langsamer zu laufen.
Dir war klar, dass du das nicht die ganze Zeit machen könntest, denn sogleich wurdest du schon vom Coach gemustert, dessen Gesichtsausdruck seinen Ärger verriet.
Wenn du könntest, würdest du auch liebend gerne weiter laufen und mit den anderen mithalten, aber es schien dir unmöglich überhaupt noch eine weitere Runde um das Feld zu machen, ohne umzukippen.
Deine Beine waren noch topfit und du sahst deinen zwei besten Freundinnen dabei zu, wie sie kurz davor waren ihre dritte Runde zu beenden.
Doch du musstest realistisch sein und auch wenn dein Körper dir sagte, dass du noch laufen konntest, sagte er dir im selben Moment, dass du genug hattest.

Deine Brust ging auf und ab und es fiel dir schwer ein neutrales Gesicht zu bewahren, während du versuchtest deine Atmung wieder flacher werden zu lassen.
Du warst frustriert und schlecht gelaunt. Am liebsten würdest du in die Welt schreien, dass du genauso viel rennen könntest, wie alle anderen auch!
Selbst Coach Negan sollte hören, dass du doch wolltest und versuchtest, aber einfach nicht konntest... da kam er bereits auf dich zu.
Erneut fielen die eifersüchtigen Blicke von den vielen Mädchen auf dich, die sich in ihn verguckt hatten und dich jedes Mal mit Blicken durchbohrten, weil du das Problemkind warst.
Ihr hattet zwei mal in der Woche Sport und in jeder Sportstunde, war Coach Negan damit beschäftigt dich zurechtzuweisen, sich indirekt über dich lustig zu machen oder dich anzuschreien. Trotzdem würden diese Mädchen wohl alles dafür geben, auch so viel Beachtung geschenkt zu bekommen. Du würdest sofort mit ihnen tauschen und verstandest ihre Probleme mit dir gar nicht.
Vielleicht verstanden sie auch einfach den sarkastischen Ton nicht, hinter jedem Wort, den der Coach an dich richtete.
Und du warst genauso sicher, dass sie ganz anders vom Coach angesehen und behandelt wurden, als du.

Oftmals, wenn du auf der Bank sitzen musstest, beobachtetest du Negan.
Er war bekannt dafür, netter zu den Mädchen zu sein, aber fandest es amüsant, dass einige von ihnen absichtlich mit zu kurz geratenen Shorts ankamen und musstest beinahe immer wieder aufs Neue lachen, wenn du sahst, dass ihm ein kleines Lächeln im Gesicht klebte - wohl beim Anblick von ihnen.

„Gibts ein Problem?", fragte er dich und du seufztest, bereit für den Anschiss, der gleich kommen würde.
Nach so vielen Stunden hattest du schon Angst dein Asthma zu erwähnen.
Aus irgendeinem Grund glaubte er dir nicht. Klar, du warst bestimmt nicht die Erste, die nicht am Sportunterricht teilnehmen wollte und eine Krankheit als Ausrede benutzte, aber das war ja nicht deine Schuld.

„Ich", fingst du an, aber hörtest deine wacklige Stimme.
Du hattest deine Atmung noch immer nicht unter Kontrolle und nahmst tief Luft um die restlichen Wörter schnell herauszukriegen. „fühl mich nicht so gut."
Er sah dich mit unglaubwürdigen Augen an, doch nickte, um dir zu zeigen, dass er das aufgenommen hatte.

„Nur noch vier Runden, die schaffst du. Ansonsten will ich ein Attest."

„Sie wollen jede Woche ein Attest", gabst du zurück und sahst ihn verzweifelnd an.

„Ja, weil du angegeben hast, du hättest allergisches Asthma", er drehte sich kurz um, um die Mädchen anzulächeln, die in diesem Augenblick an euch vorbei rannten.

„Das ist richtig", sagtest du und verschränktest die Arme vor der Brust. „Ich habe Ihnen ein Attest am Anfang des Jahres gegeben, also verstehe ich nicht, weshalb Sie jede Woche eins haben wollen."

„Allergisches Asthma", die Worte verließen seinen Mund, als hätte er über ein erfundenes Einhorn geredet, „du hast Phasen in denen es dir besser geht, so wie letzten Herbst."