Kapitel 4

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Deine Lunge brannte.
Du warst außer Atem und hattest Seitenstiche.
Deine Haare klebten an deinem Nacken und durch die nun höher scheinende Sonne, hattest du Charlies T-Shirt komplett durchgeschwitzt.
Du fühltest dich nicht gut, aber es waren zwei Stunden vergangen. Nicht, dass der letzte Savior, der von Simon dafür bestimmt wurde, dort zu bleiben und ein Auge auf dich zu werfen, dir Bescheid gegeben hatte.
Nein, du musstest zu ihm hin joggen, seinen Arm schmerzhaft hinter seinen Rücken drehen und hattest die alte Uhr an seinem Handgelenk gelesen, die glücklicherweise - und erstaunlicher Weise - funktionierte und dir deinen Verdacht bestätigte, dass du zwei Stunden und 16 Minuten gerannt warst.

Am Anfang hatte es dich jegliche Konzentration und Geduld gekostet, die dir dein müder Körper zur Verfügung stellen konnte. 
Manchmal hattest du hinter Gebäuden eine kleine Pause gemacht, befürchtend, du würdest gleich umfallen, aber du hattest es durchgezogen und du warst verdammt stolz auf dich.
Selbst andere hatten ab und zu einen Blick aus den Fenstern der alten Fabrik geworfen um dich zu beobachten.
Du nahmst an, dass solch eine Strafe nicht häufig vorkam, denn das war es auch.
Eine Strafe, für all das, das du gesagt und angeblich getan hattest.
Doch sie war auch persönlich gewesen. Er hatte es aus Trotz getan, um dir noch einmal eine rein zu würgen, selbst jetzt, wo es ums nackte Überleben ging.
Es war nun eine andere Welt, du lebtest nicht mehr dein entspanntes und normales Leben, niemand tat es.
In diesem Moment jedoch, musstest du dir eingestehen, dass ein kleiner Schimmer in dir, froh war, Negan zu sehen.
Obwohl er alles verkörperte, vor dem du einst Angst gehabt hattest, konntest du ihn nicht mehr hassen, auch nicht nach dieser erneuten Bloßstellung.
Du stampftest mit schweren Schritten zurück ins Gebäude und erinnertest dich kaum an irgendwelche vertrauten Gänge.
Alles sah gleich aus und du musstest dich gegen die Wände lehnen um nicht zu Boden zu fallen.
Egal wie sehr du mit deinem Asthma umzugehen gelernt hattest, du hattest immer noch Asthma und würdest es womöglich auch immer haben. 
Deine Hände schwitzten auch und du konntest dich kaum mehr auf den Beinen halten, geschweige denn dich gegen eine Wand stemmen.
Du schnapptest nach Luft, dein Körper zitterte und dir war schwindelig.
Jedes Blinzeln führte zu einem kurzen Schwindelmoment, bei dem dir schwarz vor Augen wurde.
Und du seufztest.
Du seufztest, obwohl dir bereits die Luft zum Atmen fehlte.
Dann sahst du hoch und stelltest dich kerzengerade hin.
Das hatte er wohl vorgehabt. Dich knien zu sehen, völlig am Ende mit den Kräften, aber das würdest du nicht zulassen.
Du würdest vor ihm treten und den starrsinnigsten Blick aufsetzten, den du beherrschtest.

Als du Stimmen vernahmst und das Geräusch von Leben an deine Ohren drang, bisst du die Zähne zusammen und kämpftest gegen den Schmerz in deinen Gliedmaßen und kamst sobald in einem Raum an, das einer riesigen Cafeteria ähnelte.
Na ja... irgendwie halt.
Du sahst dich nach vertrauten Gesichtern um, denn zum ersten Mal konntest du einen Blick auf so viele Menschen werfen.
Es ließ dich staunen, wie viele Überlebende es gab - und das allein hier.
Seit einer gefühlten Ewigkeit hattest du keine solch große Ansammlung von lebendigen Menschen gesehen und dies erfüllte dich mit neuer Energie.
Leute bekamen Essen an einer Theke und setzten sich an Tische und schienen sich ehrlich zu amüsieren; ihre gegenseitige Gesellschaft nicht völlig abzuwerten.
Du tatest es den anderen gleich und obwohl du noch immer spürtest, wie deine Lunge von innen verbrannte, warst du froh über etwas zu Essen in deinem Magen.

Der Tisch, an denen du dich setztest, war recht voll, doch Charlie hatte dich zu sich gewunken und du warst froh über ein vertrautes Gesicht.
Du saßt am Ende des Tisches und starrtest den leeren Platz am anderen Ende an.
Wären hier nicht so viele Menschen, hättest du glatt mit den Händen gegessen, aber fingst an mit der Gabel einige Nudeln aufzuheben und zu deinem Mund zu führen.
Das tat gut.

„Sag mal“, kam es von Charlie, die neben dir saß, „was hast du denn getan, dass du so bestraft wurdest?“
Nun wurde die Aufmerksamkeit der anderen am Tisch geweckt und sie sahen dich mit neugierigen Blicken an.

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