» Bahnfahren ist sicherer«

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Kapitel 2

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          Einsteins Rosenbrücken waren nicht dafür ausgelegt Menschen zu transportieren und ich war mir ziemlich sicher, dass ich es auch nicht hätte versuchen sollen.

Mit einem weiteren sehr uneleganten Würgen beugte ich mich nach vorne und begoss einen Busch mit den Einzelteilen des Pizzastücks, dass ich kurz vor meiner Abfahrt noch in der Dusche gegessen hatte.
Ich fühlte mich, als hätte man meinen gesamten Körper durch ein Nadelöhr gequetscht und es war mir unbegreiflich, wie die drei Männer so gelassen neben der Teufelsmaschine stehen konnten und mir beim Wiederkäuen zusahen.

„Vielleicht solltest du bei ihr bleiben, Jules. Nur bis sie sich wieder erholt hat. Wir kommen euch abholen, sobald wir den Luftschiff-Hafen gefunden haben", schlug Forges gerade vor, den Mund mitleidig verzogen. Er hatte mir versichert, dass es den meisten Erst-Reisenden so ginge und mir nichts peinlich sein brauche. Doch ich wusste, dass da lediglich der Vater aus ihm sprach. Die Bilder seiner Kinder waren so deutlich in seinen grauen Augen gestanden, dass selbst ich dieses Gefühl erkannt hatte.

Jules warf ihm einen leidenden Blick zu. „Warum kann Bram nicht auf sie aufpassen? Ich bin Mechaniker, kein Doktor! Die Koordinaten sind bereits für die Heimreise eingegeben, das heißt, ich hab hier null mehr zu tun", er drehte seine Handmanschetten und wandte sich wieder an mich, „Nichts für ungut, Queenie."

Mit unsicheren Schritten verließ ich den Tatort. Meine Kniescheiben hatten den Sprung in eine andere Welt noch nicht ganz geschafft. Wenn meine Mutter gewusst hätte, wie ätzend diese Reisen waren, hätte sie sich bestimmt eine andere fixe Idee gesucht. Dann wiederum wäre meiner Mutter vermutlich auch nicht schlecht geworden.
Mein Blickfeld drehte sich und ich hielt mich an dem nächsten Baum fest. Wie hatte TWTA den Piloten bitte entkommen lassen? Wenn es ihm nur ansatzweise so dreckig gegangen war, hätten sie vielleicht ein Putzteam und keinen Außeneinsatz gebraucht.

„Bram hat aber im Gegensatz zu dir zumindest ein rudimentäres Wissen von dieser Welt. Er wird mich unauffällig zum Hafen bringen, ohne dass wir alle sofort den Stecker ziehen müssen", erwiderte Forges ungerührt.

Die Erwähnung des Sensors ließ mich erschaudern. Ich hörte ihn leise in mein Ohr ticken, wie ein zweiter Herzschlag. Davon abgesehen merkte ich kaum einen Unterschied von der Kopie meines Körpers, zum Original. Außer dass dieser hier anscheinend keine Pizza vertrug.
Ich wollte heim.

Bram war genauso wenig begeistert von Forges Vorschlag, auch wenn sein Protest leiser und kürzer ausfiel. Unser Teamleiter verabschiedete sich in wenigen Worten vom Rest seiner Gruppe und trichterte ganz besonders Jules ein, sich nicht von der Zeitkapsel wegzubewegen.
Dann waren sie auch schon verschwunden.

Mit einem lauten Scheppern, das mich gehörig zusammenzucken ließ, hievte dieser sich auf ein breites abstehendes Rohr der Apparatur und ließ die Beine baumeln. Den Kopf in den Nacken gelegt, betrachtete er die aufragenden Dächer der Stadt, die hinter der Mauer ihre Schatten warfen.

Es war vormittags, doch die Sonne hatte sich nicht durch die dicke Wolkendecke gekämpft und die Luft schmeckte nach Abgasen und Regen.
Entschieden, dass Jules mein momentaner Anthony-Ersatz sein musste, lehnte ich mich neben ihn gegen das bronzene Gehäuse der Kapsel.

„Es ist nicht gerade schön hier", stellte Jules nach einem Moment des Schweigens fest. Seine grünen Augen huschten über die unzähligen qualmenden Schornsteine, die Fachwerkhäuser und metallenen Gerüste. Große Hallen mit Glasfassaden reihten sich an Mehrfamilienhäuser aus rotem Stein. Brücken und Spitzdächer, Außensäulen und Bögen vereinigten die Erscheinung der Stadt zu einem unübersichtlichen Gewusel.

Der Firefly EffektWo Geschichten leben. Entdecke jetzt