Kapitel 2 - Wegkreuzungen

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"Woher kennst du ihn überhaupt?", mit fragendem Blick sah ich zu Luna herunter, abwartend. Sie schwieg für einen Moment, bevor sie mir eine Antwort gab: "Ich war zwei oder drei Tage vor Ferienbeginn in Dulwich Village ausreiten. Da hab ich ihn im Wald getroffen." Innerlich verwirrt nickte ich, steckte die Hände in die Hosentaschen und folgte dem Weg in Richtung des Schwarzen Sees.
Es waren einige Stunden seit der Ankunft vergangen, das Festmahl war abgeschlossen und die Koffer ausgepackt und eingeräumt. Geistesabwesend starrte ich nach vorne, fixierte einen Grashalm in der Ferne, dann riss mich Luna's Stimme aus meiner Welt. "Asterion?", fragte sie mit skeptischem Unterton, "Ist es nicht eigentlich meine Spezialität zu träumen?" Murrend drehte ich den Kopf weg, ein Seufzen auslassend, ehe ich die Hände aus den Taschen nahm und mir mein Hemd glatt strich. Ein kühler Wind wehte über die Gräser und strich durch meine Haare, als ich aus dem Augenwinkel auf meinen hochgekrempelten Unterarm sah. Es war nicht wirklich schwer das dunkle Mal zu verstecken, wenn man denn darauf aus war, und somit brauchte ich mir zeitweise keine Gedanken darüber zu machen. Nur bei Berührung spürte man die seichten Kerbung in der Haut, erkannte die fasergleichen Verläufe des Mals. Unter den Schülern gab es nur wenige Todesser, die meisten wurden erst nach ihrem achtzehnten Lebensjahr gezeichnet, doch bei den beinahe fanatischen Zaubererfamilie wie den Blacks, den Malfoys und weiteren der Unantastbaren Achtundzwanzig war das ganze Prozedere anders. Genauso wie die Angehörigen dieser Familien.
Im rechten Augenblick stahlen sich zwei Gestalten in mein Sichtfeld, beide auf einem der großen Felsen, die auf dem Weg zur Wildhüterhütte lagen. Allein als das altbekannte rote Haar zum Vorschein kam, drehte sich mir bereits der Magen um. Arthur Weasley, daneben Molly Prewett. Sie beide besuchten meinen Jahrgang und waren schon länger zusammen anzutreffen. Während Arthur und mich eine doch ziemlich hasserfüllte Beziehung prägte, war Molly... seltsam. Ich wusste nicht wirklich, wie ich mit ihr umgehen sollte - mal von angewidert abgesehen - und dadurch schwiegen wir die meiste Zeit, wenn wir uns begegneten. Immerhin waren wir auch nicht im gleichen Haus, das wäre erniedrigend gewesen. Was ein unterschiedliches Haus allerdings nicht unterdrücken konnte, war meine Abscheu gegen Weasley. Abgesehen davon, dass er zur Hälfte black'scher Abstammung war und diese Hälfte auch noch ausgebrannt war, interessierte er sich sehr für Muggel und ihre Angewohnheiten. Wieso auch immer. Schon lange fragte ich mich, was an diesen unbrauchbaren, schwachen Leuten so toll war, dass manche sie akzeptierten oder gar mochten. Halbblüter waren eine Sache, doch Schlammblüter und Muggel? Nein, damit hatte ich noch nie etwas anfangen können.
Mit antipathischem Gesichtsausdruck ging ich neben Luna her, die eisengrauen Augen auf die beiden Liebenden gerichtet, die etwas eingeschüchtert und unsicher zu uns sahen. "Morgen, Black.", Arthurs Stimme war scharf, während er den Blick hob. "Man sieht sich, Weasley.", ich hob knapp die Hand zum sehr emotionalen Abschied, nicht einmal auf ihn eingehend, bevor ich schweigend an den beiden vorüber ging. "Applaus, endlich mal kein Streit am Schuljahresanfang, Asterion.", Luna grinste mich keck an, worauf ich nur die Augen verdrehte. "Witzig, Lunes, wirklich."

Desinteressiert sortierte ich einige Papiere, packte sie sorgfältig auf die zugehörigen Stapel und legte sie zurück in die Schublade der kleinen Kommode. Draußen war es mittlerweile dunkel und die Schüler kamen nach und nach zurück in ihre Schlafsäle, nachdem sie beim Abendessen waren. Müde gähnend hielt ich mir den ausnahmsweise nicht hochgekrempelten Hemdsärmel vor den Mund, bevor ich mich erhob und erst in Richtung Gemeinschaftsraum, dann gen Ausgang lief.
Als ich den überdachten Seitengang erreichte, sah man den prasselnden Regen von den Kanten triefen, ehe er im Erdboden versickerte. Die vorhin noch sanft gewogenen Grashalme waren nun nass und kühl, hatten sie doch ihren grünen Glanz verloren. Graue Wolken verhangen den Nachthimmel und kein einziger Stern stand dort oben. Hinter mir waren Schritte zu hören, leise aber schnell näher kommend, dann folgte Stille. Er war da. "Was willst du?", meine Stimme war rau und gesenkt, doch wusste ich genau, dass er mich verstanden hatte. "Die Höflichkeit scheinen Sie wohl verlernt zu haben, Black. Ich will reden, mehr nicht.", Porter trat neben mich, folgte meinem Blick hinaus in den Regen. "Tu nicht so, als wärst du ein respektabler Professor. Das wirst du nie sein - zumindest nicht für mich.", ich seufzte leise, wenngleich mein Blick grimmig wie eh und je war. "Nun gut, Asterion. Ich schätze mal, wir müssen uns irgendwie arrangieren. Gleich ob als Lehrer oder... du weißt schon. Versuch' deinen Hass zu bändigen, ändern können wir beide nichts." Auf Porters Worte hin gab ich lediglich ein abfälliges Brummen von mir, während ich mir die schwarzen Strähnen aus dem Gesicht strich. "Hast du ihn gesehen in Askaban?", der Ältere wusste, wovon ich sprach. Ich hatte in den Ferien nicht die Laune gehabt, ihn zu fragen. Für ihn war es also nur eine Frage der Zeit gewesen, bis ich sie ihm stellen wurde. Neben mir war sein Einatmen zu hören, daraufhin seine Stimme: "In Askaban sieht man nicht. Man denkt und hört. Mehr gibt es dort nicht. Aber um deine Frage zu beantworten... er lebt. Er lebt und er leidet." Das war das letzte, was ich hörte, nur noch die Schritte, die sich nun bedächtig langsam entfernten und irgendwann gänzlich verklangen. Erneut stand ich also alleine hier, betrachtete den Regen, wie er sich in den Boden fräste und hörte den weit entfernten Donner widerhallen.
Ein Sturm kam auf.

Lächel' doch einmal, Black.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt