"Schön Dich auch mal wieder zu sehen, Süße."Er hatte recht. Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen, das bemerkt man daran, dass er größer und seine Haare länger und voller geworden waren. Er hatte dieses Lächeln, welches er immer aufsetzte, wenn er mich sah und sowas sagte. Eigentlich würde ich mich jetzt umdrehen und einfach weggehen, aber ich beschloss mich neben ihn zu setzen, da es der einzige noch freie Platz im Bus war. Ich sah in seinen Augen, wie verwirrt er von meiner Aktion war und das fing mir an zu gefallen.
Solange Ben an meiner Seite war, konnte mir nichts zustoßen. Ich stellte mir vor wie er mir gerade von da oben aus zusah und mir seine zwei Däumchen zeigte. Ich machte mich also bisher ganz gut.
Ich hätte gedacht, dass Jadon gleich den nächsten dumm Spruch raushauen würde, aber das tat er nicht.Während ich aus dem Fenster sah und den leicht rosanen Himmel, von der aufgehenden Sonne ansah, blickte ich immer wieder zu Jadon. Er hörte Musik und hatte dabei seine Augen geschlossen. Er sah so friedlich aus.
In dem Moment fiel mir auf, wie wenig ich ihn kannte. Seit ich ihn kenne machte er mir Komplimente und versucht mit mir zu flirten, doch mein Bruder ließ das nie zu und beschützte mich vor ihm. Er sagte mir immer Jadon sei einer von der schlimmen Sorte und ich solle mich bloß nicht mit ihm anfreunden oder ihn treffen. Einen genauen Grund hatte er mir nie genannt, aber ich hatte genug Vertrauen in ihn, um ihm zu glauben.Außerdem wirkte er immer, wenn er darüber redete ganz anders. Er war immer sehr besorgt und sah ängstlich aus, obwohl das gar nicht zu ihm passte. Ich hatte meinen Bruder niemals weinen sehen, außer, als unser Hund Honey gestorben war. Er war immer am Lächeln oder lachen, aber in Jadons Nähe wurde er zornig und ballte seine Hände zusammen. Ich würde zu gerne Jadon fragen, was da zwischen ihnen vorgefallen ist, aber vielleicht hatte mir Ben nie was davon erzählt, weil ich es nicht wissen sollte.
Der Gedanke an Ben ließ mich wieder traurig werden. Ich seufzte leise, ließ meinen Blick wieder auf die Autos aus dem Fenster schweifen, bevor ich wieder zu Jadon blickte, der mich anstarrte.
"Warum starrst du mich an?"
"Du siehst so traurig aus. Ist es vielleicht wegen deinem Bru-"
"Halt die Klappe Jadon."
Ich hatte Glück, denn der Bus hielt an, sodass wir aussteigen konnten und Jadon mich nicht weiter ausfragen konnte. Warum interessierte er sich auch dafür? Wir kannten uns nicht und das war auch besser so.
Als ich aus dem Vollen Bus ausstieg (und fast umgeschubst worden bin!)
,machte ich meine Jacke etwas zu, denn obwohl die Sonne schien war es immer noch kalt. Ich blickte zurück, um nach Jadon Ausschau zu halten, doch er war nicht zu sehen.Was ein Glück, ich hatte eh keine lust mit ihm zu reden.
Ich musste nicht weit gehen und gelangte zur Schule. Es fühlte sich nicht mehr an wie früher als ich zur Schule kam. Die Gänge wirkten dunkler, die Menschen fremd. Wir hatten bereits Herbst, doch heute war mein erster Schultag in diesem Schuljahr. Als mein Bruder gestorben war, ging ich nicht mehr in die Schule, aß nicht mehr und gab das Zeichnen und meine Gitarre auf, was mir immer so viel Spaß gemacht hatte.
Manchmal hatte ich gespielt und Ben hatte dazu gesungen. Dann machte er uns beiden Kakao und wir sahen uns später den Sternenhimmel an. Das waren die schönsten Abende.
Aber ohne ihn gab es sowas nicht mehr. Meine Eltern waren, wie auch früher, oft nicht zu Hause und meine Schwestern sahen sich irgendwelche Serien an oder trafen sich mit Typen. Ich verbrachte also viel Zeit alleine. Ich lag auf meinem Bett rum, starrte die Decke an und wartete darauf, dass der Tag zu Ende ging, um dann ins Bett zu gehen. Das ging den ganzen Sommer so, bis die Schule wieder anfing und ich mich weigerte dahin zu gehen. Ich wollte eigentlich gar nichts mehr tun ohne Ben.
Meine Schwestern meinten ich würde übertreiben und "meine Kindheit damit zerstören".
Die beiden hatten mit dem Tod unseres Bruders nach wenigen Wochen abgeschlossen und genossen wieder ihr Leben. Mehr als je zuvor. Ich hasste meine Schwestern dafür. Wahrscheinlich kannten sie ihn nicht mal richtig, weil sie nie was mit uns unternommen hatten. Sie waren zwei Kletten und auch wenn wir versucht hatten, den Kontakt mit ihnen aufzubauen, wiesen sie uns ab. Wir seien ja "die Loser der Familie" oder die schwarzen Schafe.
Manchmal, wenn mein Bruder nicht zu Hause war, weil er und seine Freunde an einem Roboter oder an einer Rakete arbeiteten, wünschte er sich, dass ich mal was girly- haftes mit meinen Schwestern Unternehmen würde.
Weil wir wussten, dass daraus sowieso nichts werden würde
(ich war sowieso nicht an was "girly- haftes" )
, nahm er mich mit zu seinen Freunden. Ben's Freunde wurden zu meinen Freunden und eigentlich auch zu meinem einzigen richtigen Freunden.Ich ging zu meinen Spind, wusste dass alle mich anstarrten, weil Haley wieder in der Schule war und Oh mein Gott ich habe ja so ein Mitleid mit ihr, wegen der Sache ihrem Bruder, doch blendete ich dies völlig aus. Ich nahm mir mein Geschichtsbuch aus meinem Spind und machte mich auf den Weg zum zweiten Stock, wo ich gleich Unterricht haben würde, in einem Raum voller Leute, die so taten, als müsste man mir jetzt ganz viel Aufmerksamkeit schenken und ganz lieb sein, damit ich nicht noch anfange zu weinen. Und das sind die Leute die mich zuvor immer ignorierten, sich einen Dreck um mich kümmerten und so taten, als gäbe es mich gar nicht.
Ich ließ einen großen Seufzer aus.
"Ich hasse Menschen."
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another way to heaven
ChickLitHailey Donovan,16, ein sehr nachdenkliches Mädchen, welches nur einen Wunsch hat. Ein Wunsch der wie sie denkt ohne ihren Bruder nicht zu erfüllen ist. Sie möchte einfach nur die Liebe spüren, die sie auch verdient, doch als ihr großer Bruder Ben s...