Die Wunder-Bar

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Ein kühler Windhauch zog über ihren nackten Rücken. Marie hatte das Fenster immer ein Stück weit offen, wenn sie schlief. Egal ob Sommer oder Winter. Sie liebte die frische Luft. Das Gefühl, dass sie bekam, wenn der Wind ihre Haut umschmeichelte. Es fühlte sich an, als würde sie jemand sanft aus dem Schlaf streicheln. Nur schwer erhoben sich ihre Augenlider, noch müde von der anstrengenden Nacht. So langsam nahm sie ihr Umfeld wahr.
Das Schlafzimmer, in dem sie schlief. Eingerichtet mit all den Dingen, die sie sich immer gewünscht hatte.

Marie hatte viel Geld angespart, um sich den Traum in München erfüllen zu können. Sie hatte genügend Geld, um ihre Wohnung noch über Monate zu finanzieren - auch wenn sie keinen Job gefunden hätte. Sie hat sich alles so einrichten können, wie sie es wollte.

Wenn man ihre Wohnung betrat, stand man direkt im kleinen Vorraum der mit einem Rundbogen verbunden war mit dem Wohn- und Essbereich. Alles war hell eingerichtet. Man blickte direkt auf das Wohnzimmer. Eine riesige helle Couch und ein weißer Teppich galten als Kontrast zum dunklen Laminatboden. Das Highlight war das riesige Fenster direkt gegenüber der Couch. Man konnte sich so einfach München anschauen. Und auch ihre offene Küche begeisterte durch ihre schlichte Einfachheit in weiß.

Sie war stolz auf sich, dass sie sich den Traum einer eigenen wunderschönen Wohnung erfüllen konnte. Besonders ihr Schlafzimmer liebte sie sehr. Es war, wie sie es gerne sagte: „Cozy!". Also gemütlich.
Und ja, da hatte sie recht. Sie hatte ein riesiges Bett, massig kuschlige Kissen. Sogar einen kleinen begehbaren Kleiderschrank. Ihren Schminktisch nahe diesem Zimmer und ein angrenzendes Bad, sodass sie nicht durch die ganze Wohnung laufen musste. Ein Traum einer jeden Frau.

Marie stand endlich auf und rieb sich den Schlaf aus ihren großen, türkisblauen Augen. Ihre lange, blonde Mähne noch völlig zerzaust durch ihr viel zu großes Schlafkissen.
„Erstmal nen Cappuccinooo!", gähnte sie vor sich hin. Sie setzte heißes Wasser auf und wählte ihren Lieblingsschoko-Cappuccino. Während das Wasser noch aufkochte, zog sie sich einen längeren Woll-Cardigan über, schüttete anschließend das Wasser in ihre Tasse und setzte sich auf den Balkon.

Die Luft war noch immer eiskalt, doch der heiße Cappuccino machte das wieder wett.
„Nun bist du schon einige Wochen hier", murmelte sie vor sich hin - „aber so richtig angefangen hast du noch nicht. Vor allem mit was denn? Ich bin hier allein. Ganz allein! Aber irgendwie werde ich schon den Anschluss finden. Immerhin habe ich sogar schon einen Job. Ich muss mir also keine Sorgen machen, dass meine Ersparnisse zur Neige gehen. Vielleicht kaufe ich mir heute ein paar neue Outfits für die Arbeit. Und schaue mich endlich mal etwas in der Stadt um."

Sie schmiedete weiter Pläne und überlegte, wie man es allein schaffte, sich in einer Stadt zurecht zu finden, in der man niemanden kannte. Dieses einsame Gefühl überfiel sie derzeit viel zu oft. Jeden Morgen dachte sie darüber nach, ob es wirklich die richtige Entscheidung war fortzugehen. Doch bei jedem Blick aus dem Wohnzimmer-Fenster wurde ihr wieder bewusst, dass es der einzig richtige Weg war.

Marie hatte drei neue Outfits ergattern können. Sie hätte auch noch mehr gefunden, doch ihr reichte das vorerst.  „Oh nein, schon so spät!", rutschte es ihr lautstark heraus, als sie auf ihr Smartphone schaute. „Schnell nach Hause und umziehen, dann geht es schon wieder zur Arbeit. Aber ich bin heute richtig motiviert.", sagte sie entschlossen und hastete nach Hause.

Umgezogen, mit ihrem leichten Make-Up und den welligen blonden Haaren rannte sie zur nächsten Bahnstation. Gerade angekommen, fuhr diese aber weg. „Na klasse, das passiert, wenn man zu sehr von dieser Stadt fasziniert ist und die Zeit vergisst. Was mach ich denn jetzt?".
Sie rief an der Arbeit an und teilte mit, dass sie die Bahn verpasst hatte und 15 Minuten später da sein wird. Marie nahm ihre Beine in die Hand und rannte los.

Sie war verwundert, welch Ausdauer sie doch hatte, wo sie den Sport doch in letzter Zeit eher vernachlässigt hatte. „Ich schaff es pünktlich, ich schaffe es!", machte sie sich Mut. Einen kurzen Augenblick schaute sie nicht genau wohin sie rannte und stieß mit einem jungen Mann zusammen. „E-Es tut mir leid! Ich hab's super eilig. Ich komme zu spät zur Arbeit. Tut mir wirklich wirklich leid!", stotterte sie atemlos vor sich hin. Stand auf und rannte weiter, während sie ein letztes Mal „Sooorryy!", rief.

„Wow!", dachte er sich.

Marie hatte es in 15 Minuten zur Arbeit geschafft. Die kleine Bar, in der es leckere Cocktails und warme Snacks gab, war von außen wie von innen wunderschön anzusehen. Tolle Leuchtelemente und angenehme Musik rundeten das wohlige Gefühl ab, welches sie bekam, wenn sie den Raum betrat.

Und so servierte Marie Cocktail für Cocktail. Schenkte Männern wie Frauen ihr schönstes Lächeln und unterhielt sich ab und an mit den Besuchern der „Wunder-Bar". Und Wunder traf es auf den Punkt. Es kam ihr wie ein Wunder vor hier arbeiten zu dürfen, hier in dieser Stadt zu sein und ein neues Leben aufzubauen.

Marie schaute durch die Menge, wie sie es immer tat, um Streitereien zu entdecken und diese zu schlichten. Dieses Mal fiel ihr aber keine auf, außer dieser eine Mann, der ihr so bekannt vor kam. „Du kennst hier doch niemanden, das bildest du dir nur ein.", dachte sie sich und arbeitete weiter.

„Ein Bier, bitte.", bestellte eine unbekannte Stimme bei ihr. Sie kannte mittlerweile all die Stammgäste, die die Wunder-Bar besuchten, aber diese Stimme sagte ihr nichts. Sie schaute vom Spülen auf und schaute in die wunderschönsten braunen Augen, die sie jemals gesehen hatte. „E-eh ja, einen Moment. Aus der Flasche oder gezapft?", fragte sie verdutzt.
„Eine Flasche reicht, Danke. Und setz doch noch das auf die Rechnung, dass du gerne trinken möchtest. Du scheinst etwas außer Atem.", zwinkerte er ihr zu.
„Dankesehr, hier das Bier und noch einen angenehmen Abend!", lächelte sie ihn an. Sie überlegte, wie er darauf kam, dass sie außer Atem sein soll. Sie musste momentan nicht durch die Bar laufen, der Betrieb war überschaubar und sie stand nur hinter der Theke.

Sie dachte nicht weiter darüber nach und stand kurz vor Feierabend. Sie wischte die Tische ab, spülte die letzten Gläser. Doch dann fiel ihr auf, dass da noch jemand saß. Am hintersten kleinen Tisch, ganz allein.

„Hey, alles in Ordnung bei dir?", fragte sie, wie sie es gewohnt war, da öfter mal noch jemand etwas betrunken da blieb.
„Hey! Ja na klar. Ich dachte nur, ich warte noch einen Moment.".
„Und auf was wartest du?", fragte sie verwundert.
„Ich warte auf deinen Feierabend. Vorhin war es so laut und ich dachte, vielleicht möchtest du noch einen kleinen Kaffee mit mir trinken."
Marie lächelte. Aber sollte sie sich darauf einlassen? Es war der Mann mit den wunderschönen Augen, der ihr ein Getränk ausgegeben hatte, weil sie angeblich so außer Atem war. Doch sie willigte ein.

„Na gut. Warte noch einen Augenblick. Ich hole noch die Schlüssel, dann schließen wir zusammen ab und können los."

Er nickte und lächelte dabei. Maries Herz hörte kurz auf zu schlagen. Dann lief sie ins Personalzimmer.

Believe - Glaube daran und es wird wahr // Eine Paluten-FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt