6 Monate später

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„Dementia! Dementia, warte!", keuchte der rothaarige junge Mann und die Hybridin streckte ihm die Zunge raus, verzog ihr vernarbtes Gesicht zu einem breiten Grinsen.

„Fang mich doch, Smithy", trällerte sie und rannte weiter kopfüber über die Decke, seine neueste Erfindung in Händen.

Der junge Wissenschaftler fluchte und folgte ihr, die Ärmel seines weißen Hemdes schob er währenddessen nach oben.

Seit sein neuer Boss letzte Woche verschwunden war, war diese Verrückte noch schlimmer geworden als die restlichen Tage.

Er folgte ihr in einen Teil des Anwesens, den er noch nicht betreten hatte.

„Dementia?"

Keine Antwort und er hatte sie auch noch aus dem Blick verloren.

Genervt stapfte er um eine Ecke und blieb verwirrt stehen.

Der Gang endete ziemlich abrupt an einer Zimmertür und beinhaltete nur eine kleine Kommode und an der Wand darüber ein gewaltiges Bild. Gegenüber ließen gewaltige Fenster eine schöne Sicht über die Stadt zu. Sein Blick erspähte einen kleinen Hügel nicht weit entfernt, auf dem eine weiße Rose ihre Blüten in den Himmel streckte.

Neugierig wandte er sich der Tür zu, öffnete sie nach kurzem anklopfen.

Er spähte in ein ordentliches Zimmer, ausgestattet mit Blaupausen, Postern über Flugzeuge, einer Schlafcouch...

Unsanft wurde er an den Schultern gepackt und die Tür wieder geschlossen.

„Nur der Boss darf hier noch her", meinte Dementia ernst und drückte ihm seine Erfindung in die Hände.

„Wir sollten von hier verschwinden, bevor er uns entdeckt."

Tommy Smith runzelte die Stirn und anstatt Dementia zu folgen, glitt sein Blick zu dem gewaltigen Gemälde.

Es zeigte Lord Black Hat in seinem üblichen Anzug, an seiner Seite ein ihm bekannter schlanker Wissenschaftler mit Papiertüte auf dem Kopf.

Nicht das einzige Bild auf dem sein Vorgänger zu sehen war, doch auf den Meisten machte es den Eindruck von einem Versehen, denn er war nur unscharf im Hintergrund oder an der Seite zu erkennen.

Auf diesem jedoch lehnte er mit größter Selbstverständlichkeit an Black Hat's Seite, einen glücklichen Ausdruck konnte man selbst durch die Tüte erkennen.

Was jedoch noch faszinierender oder besser, verwirrender, war, war der Umstand, dass der Dämon seinen Arm um den Wissenschaftler gelegt hatte, ein noch nie gesehenes, sanftes Lächeln im Gesicht.

Das Bild strahle so viel Gefühl aus, das Tommy nicht anders konnte, als die beiden abgebildeten Personen zu beneiden, auch wenn er nicht genau einordnen konnte, worum.

Er hätte das Gemälde noch länger betrachten können, doch Dementia war mit ihrer Geduld am Ende und warf sich den größeren Mann kurzerhand über die Schultern.

Er fluchte und trat nach ihr, doch sie ließ ihn erst wieder los, als sie in der Eingangshalle standen.

„Ich geb dir einen Tipp, Neuling... Wenn du diesen Job behalten willst, dann halt dich von diesem Flügel des Anwesens fern", zischte sie, die sonst leuchtenden, warmen Augen nun kalt und ernst.

Doch der Wissenschaftler ließ sich nicht so leicht einschüchtern.

„Das war Doktor Flugs Zimmer, nicht wahr? Was ist aus ihm geworden? Und dieses Bild... er hat mir eigentlich immer den Eindruck gemacht, als hätte er panische Angst vor Black Hat", schnaubte er und plötzlich wich sie seinem Blick aus, Schmerz spiegelte sich nun in ihren Augen.

„Flug-Bug ist tot", presste sie hervor und er sah sie geschockt an.

Sein Vorgänger war verstorben? Aber...

„Black Hat..."

„Niemals!", schrie sie und sofort schloss er seinen Mund wieder.

„Blacky hätte Flug nie etwas angetan – es war meine Schuld!", wimmerte sie, Tränen rannen ihr übers Gesicht.

Er glaubte ihr kein Wort.

„Ich verstehe, dass du Black Hat beschützen willst – nun gut, ich verstehe es nicht, aber ich werde euch deswegen nicht an irgendwen verraten, wenn das deine Sorge ist. Ich bin doch nun auch ein Teil von dieser Firma und ich habe keine Angst vor unserem Chef", seufzte er und sie schüttelte den Kopf.

„Du verstehst es nicht... Es war wirklich meine Schuld. Siehst du die Narben? Sie sind meine Strafe, ebenso der Umstand, dass ich überhaupt noch lebe."

Sie schluchzte stärker, begann zu hyperventilieren.

Anscheinend log sie ihn ausnahmsweise doch nicht an.

„Es ist schon gut Dementia, beruhig dich wieder. Es tut mir leid..."

Er wollte sie in die Arme nehmen, doch in diesem Moment öffneten sich die Eingangstüren und Black Hat trat ein.

Blitzschnell erfasste der Superbösewicht die Situation und stand im nächsten Augenblick neben Dementia, legte ihr die rechte Hand auf die Schulter.

Nicht zum ersten Mal fiel Tommy dabei der Ring an dieser Hand auf.

„Ich bin neugierig... Wie kommt es, dass ich nach Hause komme und eine meiner Angestellten weinend in der Eingangshalle steht, während ihr Gegenüber eine Waffe trägt?", knurrte Black Hat, zeigte nur deutlich die grünlichen Fangzähne.

Vielleicht hatte doch etwas Angst vor ihm.

„Ich habe sie nicht angegriffen, ich wollte nur etwas...", er stoppte kurz, als Dementia ihm bedeutete auf zu hören, fuhr dann jedoch fort.

„...etwas über Doktor Flug erfahren."

Der Zorn verschwand, wurde von einer kalten Emotionslosigkeit abgelöst. Dementia duckte sich voller Angst.

„Es gibt nur eines, was Sie über Flug wissen müssen und das ist der Umstand, dass Sie ihm Ihren Job hier verdanken. Und wenn Sie ihn behalten wollen, dann würde ich Ihnen raten, dass Sie in sein Labor zurückkehren und etwas produktives Leisten."

Der scharfe Ton ließ Smith zusammenzucken, die Wortwahl erinnerte ihn wieder daran, dass Black Hat ihn keinesfalls als vollwertiges Mitglied der Firma sah. Und dennoch wollte er eigentlich noch nicht gehen...

„SOFORT!", brüllte Black Hat und veränderte seine Gestalt, doch Tommy hatte bereits sein Heil in der Flucht gesucht.

Black Hat dirigierte Dementia in ihr Zimmer und befahl 5.0.5. sich um sie zu kümmern, bevor er sich wieder in sein Büro zurück zog, sich an seinem Schreibtisch niederließ und gedankenversunken ein einfaches gerahmtes Foto auf seinem Schreibtisch betrachtete.

„Was hast du dir nur dabei gedacht, diesen Versager deinen Platz einnehmen zu lassen, Babe?", murmelte er dabei und atmete tief durch.

Tommy unterdessen schraubte leise fluchend an einem weiteren Prototypen herum, bis 5.0.5. herein tappte und ihm eine feuchte Notiz in die Hände drückte.

„Danke", murmelte er, bevor er den Zettel laß, den Dementia geschrieben hatte.

Daraufhin verstand er.

„Sie waren die Welt für einander."

It's alright...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt