Mein Name ist Shelly und die Geschichte, die ich euch gleich erzähle, meine Geschichte, soll euch allen eine Lehre sein. Wir wachsen auf in einer Welt, in welcher es zur Normalität geworden ist, in einem virtuellen Glaskasten zu sitzen. Unseren handlichen Mini-Computer ständig dabei, snappen, streamen, teilen wir jeden noch so unwichtigen Moment in unserem Leben mit unseren Freunden und Bekannten. Und wenn wir empfänglich sind für ein bisschen Glitzer und Glamour, für unsere 5 Minuten Ruhm, dann lassen wir jeden an unserem Frühstück, Shopping-Trip oder Nervenzusammenbruch teilhaben. Du brauchst heute nicht mehr an einem Casting in Hollywood teilzunehmen, um berühmt zu werden. Das geht auch ganz einfach von deinem Schlafzimmer aus. Aber der Preis dafür ist hoch - manchmal zu hoch.Instagram - diese teuflische blau-rot-gelbe App - war das Erste und Letzte, was ich jeweils vor dem Einschlafen und nach dem Aufwachen konsumierte - noch vor dem ersten Kaffee! Ich hatte erst kürzlich 16K Follower erreicht und seither ging es täglich exponentiell in die Höhe mit meinem Account. Meine Welt drehte sich nur noch um Likes, Kommentare, Nachrichten und natürlich um meine Engagement-Rate. Auf die war ich besonders stolz und die hatte mir in den letzten Wochen auch schon ein paar kleinere Brand-Deals eingebracht.
Ich steckte viel Zeit und Leidenschaft in dieses Profil meines virtuellen Ichs. Vor allem war es mir immer sehr wichtig, mir Zeit zu nehmen, um auf persönliche Nachrichten zu antworten. Manche meiner Follower schütteten mir in den PNs regelrecht ihr Herz aus und es wäre mir nie in den Sinn gekommen, eine Message unbeantwortet zu lassen. So auch nicht, als ich von einem User mit dem Namen gentle_henry88 ein Bild zugeschickt bekam. Das Foto war sehr amateurhaft - dunkel und verwackelt - man konnte gerade noch ein paar schwarze Kerzen ausmachen.
"Sieht gemütlich aus!" tippte ich, da mir nichts Besseres einfiel. Die Nachricht wurde auf der anderen Seite sofort gelesen und der Sender tippte seinerseits wieder etwas ins Textfeld. Ich wartete ein paar Sekunden, dann hörte gentle_henry88 plötzlich auf zu schreiben und was immer er bisher getippt hatte, wurde nicht abgeschickt. Gleichgültig zuckte ich die Achseln, legte mich ins Bett und verbrachte die Zeit bis zum Einschlafen damit, meine Lieblings-Hashtags durch zu scrollen.
Als ich am nächsten Morgen - wie könnte es anders sein - als Erstes meinen aktuellen Followerstand checkte, sah ich 3 neue PNs in meinem Posteingang. Zwei waren von Freundinnen, die Dritte war von diesem Henry. Ein weiteres Bild. Als ich erkannte, was auf dem nun einiges schärferen Foto zu erkennen war, schreckte ich kerzengerade aus dem Bett. Das Bild zeigte wieder die schwarzen Kerzen, dazwischen jedoch stand ein gerahmtes Foto. Ein gerahmtes Instagram-Foto von mir. Auf einen Schlag wurde mir bewusst, wie durchsichtig ich eigentlich war. Mein Foto ausgedruckt und in einem Bilderrahmen zu sehen, holte das Ganze auf eine andere Ebene. Machte alles viel realer. Hätte der Typ einfach eines meiner digitalen Bilder in seiner Story geteilt, wäre mir das völlig egal gewesen, hätte mich vermutlich sogar gefreut. Aber das hier war dann doch irgendwie creepy. Trotz meiner 100% Antwort-Rate entschied ich mich, diesen User zu ignorieren. Vermutlich hörte er dann von selbst auf.
Doch es dauerte nicht einmal einen Tag, da folgte bereits die nächste Nachricht. Der gleiche Bildausschnitt mit den Kerzen war von etwas weiter weg fotografiert worden. Nun erkannte man weitere Bilder von mir und meinen Namen, der in blutroten Buchstaben über einer Art Altar geschrieben war. Für ein paar Sekunden verschlug es mir den Atem und mein Herz raste mit meinen Gedanken um die Wette. Was soll das? Wer war der Typ? Was wollte er von mir?
Ich versuchte mir einzureden, dass das völlig normal war. Ich hatte von anderen Bloggerinnen schon oft solche Geschichten gehört. In der Regel normalisierte sich das mit der Zeit von alleine, wenn man dem Betreffenden einfach keine Aufmerksamkeit schenkte. Um dieses sich-von-alleine-klären noch etwas voranzutreiben, blockierte ich den Typ. Bestimmt würde er dann merken, dass er eine Grenze überschritten hatte und mich in Ruhe lassen.
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Nackte Angst - Horror Kurzgeschichten | slow update 📖
HorrorNackte Angst - Horror Kurzgeschichten Für alle, die ebenfalls keinen Horrorfilm auslassen, Stephen King Bücher verschlingen und zum Einschlafen Gruselgeschichten hören 👻 🖤 „Darf ich noch kurz Ihr Badezimmer benutzen?" Alles in mir schrie danach...