Kapitel 6: Rob

11 1 2
                                    

„Alles okay?" Anja schaute sie mit hochgezogener Augenbraue an. Etwas rote Tomatensauce klebt ihr am Kinn. Sie saßen bei ihrem Lieblingsitaliener, nachdem sie in dem hippen neuen Restaurant, in das Anja gewollt hatte, keinen Tisch mehr bekommen hatten. Während Anja bereits ihren Teller halb geleert hatte, stand Alex ihrer noch so gut wie unberührt vor ihr. Sie stocherte lustlos darin herum.

„Ähm...ja alles gut. Hab nur keinen richtigen Hunger. Muss der Jetlag sein."

Anja musterte sie misstrauisch und murmelte: „Wenn du meinst.", was bei ihr gleichbedeutend war mit: Ich glaub dir zwar nicht, aber ich werde nicht weiter nachfragen.

Und schon wechselte sie das Thema: „Also, wo wollen wir heute Abend feiern gehen?"

Nicht gerade ein Thema das Alex Stimmung hob. Obwohl sie sich geschworen hatte den Gedanken an Jack zu verbannen und einfach so weiter zumachen wie bisher, kreisten ihr immer die gleichen Fragen wie eine Endlosschleife durch den Kopf:

1. Wer ist dieser Jack?

2. Ist er tot?

3.Warum behauptet die Orga sie habe keine Angehörigen?

4. Warum war sie freiwillig gegangen?

5. Warum erinnert sie sich wieder?

Trifft 2. zu, erklärt sich 3. Doch wenn nicht wäre das ein Problem. Denn wenn HRC bei dieser Sache gelogen hat, bei was dann noch?

5. ist zur Zeit eines ihrer größten Probleme. Sie nimmt täglich eine Tablette, damit die Erinnerungen nicht zurück kommen. Dies kann nämlich laut den HRC-Ärzten zu „Gehirn-Indifferenzen" führen. Mit anderen Worten: man dreht durch, das Gehirn ist nur noch Pudding und man verbringt seine kommenden Jahre in der Geschlossenen mit Alzheimer im Endstadium. Definitiv kein Ende was man sich wünscht.

Sie könnte zu den Ärzten gehen und sich untersuchen lassen. Das Problem dabei ist, dass sie vielleicht mitkriegen, dass sie nachgeholfen hatte. Was definitiv der Fall war, als sie zur Brücke fuhr, um der Sache nachzugehen. Einer der wichtigsten Regeln im HRC. Programm ist, nicht nach seiner Vergangenheit zu forschen.

Bei Regelverstoß droht ein Rausschmiss aus dem Programm. Das heißt unter vielem anderen auch, dass sie alle gefälschten Ausweise abgeben müsste. Sie hätte also keine Identität, kein Job, keine Wohnung und kein Geld mehr. Auch nicht gerade ein wünschenswertes Ende.

Ein bisschen Ablenkung und Alkohol konnte sie vielleicht doch ganz gut vertragen, daher schlug sie das Gorillas vor. Eine angesagte Bar mit Tanzfläche und dazugehörigen DJ.

„Klingt super", meinte Anja. Ihre Augen strahlen bereits vor Vorfreunde. „Aber du brauchst noch ein passendes Outfit!"

Einige Zeit später tanzten die Frauen im Stroboskop-Licht. Alex trug ein kurzes schwarzes Kleid, das ihre Figur bestens betonte. Dazu ein knallroter Lippenstift, Smoke-Eys und Hakenschuhe. Anja trug Skinny-Jeans und ein eng anliegendes schwarzes Top mit Lederjacke darüber. Ihre ohnehin schon langen Wimpern wirkten durch den Maskara noch länger und rahmten ihre funkelnden Augen perfekt ein. Beide hielten sie eiskalte Gläser mit Cuba-Libre in den Händen. Das Kondenswasser tropft von ihren Handflächen auf den zerkratzen Holzboden. Die Augen der Männer waren auf die beiden gerichtet, als wären sie wertvolle Trophäen.

Alex nahm aus den Augenwinkeln eine Gestalt war, die sich Richtung Barbereich bewegte und deutet Anja ihr zu folgen. Sie stoppte an einem Stehtisch, von dem man den Barbereich gut überblicken konnte. Die Rückwand der Bar war verspiegelt, so dass die vielen Flaschen, die daran standen, sich noch einmal multiplizieren. Der Barkeeper hatte braune Locken und ein Bandana. Er mixte gerade mit geübten Händen einen Cocktail zusammen. Am Tresen waren alle Stühle belegt. Teilweise Pärchen, teilweise Männer, die angeregt diskutierten. Die Tische die um die Bar verteilt waren, waren nicht ganz so voll. Hier saßen zwei Mädels, dort eine Gruppe von drei Jungen, die gerade einundzwanzig geworden sein mussten. An einem großen Tisch in der Mitte waren sechs Leuten mit identisch Shirt einer Fastfoodkette, die anscheinend gerade ihr Feierabendbier tranken und ganz hinten in einer ruhigeren Ecke saß eine einsame Gestalt an seinem Laptop. Weißes Shirt, Brille, braune Hautfarbe, gekräuseltes Haar.

Anja war bereits ebenfalls auf die Person aufmerksam geworden.

Alex warf ihr einen Blick zu, der soviel heißen sollte, wie: pass auf, zog ihre Freundin noch ein Stück mit sich, ließ sie in Hörweite stehen und ließ sich neben ihm nieder.

„Hey, darf ich mich zu dir setzen?"

„M-mh.", seine Augen waren förmlich am Bildschirm festgewachsen.

„Was machst du da?"

„Was für die Arbeit", murmelte er.

„Weißt du ich finde Nerds richtig geil. Wollen wir wo anders hingehen und es miteinander treiben?"

Ein abwesendes: „Klar, gerne", folgte. Nach ein paar Sekunden wurden seine Augen allerdings groß. Anscheinend hatte er das Gehörte endlich verarbeitet. Er drehte sich ruckartig zu ihr um und musste anfangen zu grinsen.

„Alex," sagte er, während er sie in eine Umarmung zog. „Ich wusste gar nicht das du wieder Zuhause bist."

Zuhause, ein Ort an dem Alex nur ein paar Tage im Jahr verbrachte, doch kein anderer Ort kam einem Zuhause näher als dieser.

„Das trifft sich gut", fuhr Robert fort. „Ich hab da einen Job für dich."

Rob hatte karamell-braune Haut, ebenso dunkle Haare und Augen die fast schwarz hinter seiner Brille wirkten und einen Drei-Tage-Bart. Er trug für gewöhnlich schwarze Chucks, Jeans und einen schwarzen Kapuzenpulli. Sie kannte Rob schon so lange wie Anja, vier Jahre. Sind waren in der gleichen Testgruppe gewesen. Ihnen wurde allen am gleichen Tag das Gedächtnis gelöscht. Es waren Alex beste Freunde und auch ihre einzigen. Wenn man ständig rund um den Erdball reist um Menschen umzubringen, findet man außerhalb von HRC nur schwierig Freunde. Während Anja für die Leitung, Planung und Organisation der Aufträge betraut war, war Robs Job Informationen zu beschaffen. Er war ein waschechter Nerd. Man brauchte ihn nur vor einen Computer setzen und er konnte in kürzeste Zeit jeden Menschen finden. Auch die, die nicht gefunden werden wollten. Ebenso war es für ihn ein leichtes herauszufinden wo eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt sein würde. Nichts und niemand konnte sich vor ihm verstecken. Rob und Anja waren dadurch ihre Rückendeckung, die dafür sorgten, dass nichts schief laufen konnte und wenn doch wussten, wie sie trotzdem heil aus der Sache raus kam. Alex vertrauten ihnen beiden vollkommen und konnte sich immer auf beide hundertprozentig verlassen.

Alex konzentrierte sich wieder auf das hier und jetzt: „Was ist das für ein Job?"

Deadly BonesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt