Kapitel 3

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„Nieder mit Umineko! Nieder mit den Sündern! Lasst sie Watatsumis göttlichen Zorn spüren! Lasst sie den Zorn des Meeres spüren!"
Shiohi sah von seinem Buch auf. Kultisten. Schon wieder.
„Ignorier' sie einfach." Fuka gähnte. „Der Einsatz wird schwer genug, da müssen wir uns nicht auch noch mit Tsumis prügeln."
„Man könnte es auch erst mal mit Reden versuchen." Haruka schloss die Tür hinter sich, wobei sie versuchte, mit ihren Handschuhen keine Ölflecken an der Türklinke zu hinterlassen.
„Reden? Mit denen kann man doch nicht reden, die sind vollkommen geistesgestört!" Fuka zischte abfällig. „Ich verhandle nicht mit Spinnern."
Haruka hielt inne um etwas zu erwidern, entschied sich jedoch dagegen. Stattdessen wandte sie sich an Shiohi.
„Unsere liebe Yuusei ist heute etwas zickig, der Ölwechsel scheint sie aber etwas beruhigt zu haben. Ich habe auch nochmal die Kontrolltechnik durchgecheckt. Eins der Hauptkabel ist hinüber, ich werde es austauschen müssen." Seufzend sah sie an sich herunter. „Aber vorher muss ich aus diesen Sachen raus." Ihr sonst weißer Blaumann war ölverschmiert, die Möwe Uminekos ließ sich nur noch erahnen.  Shiohi klappte sein Buch zu und legte es neben sich.
„Eins der Hauptkabel? Das auszutauschen wird dauern, in einer halben Stunde legen wir ab. Das könnte knapp werden. Meinst du, du schaffst das?"
„Logo." Sie wandte sich zum Gehen, hielt jedoch im Türrahmen inne. „Ist Manabu noch nicht hier?"
„Noch nicht. Er wollte wohl noch etwas erledigen, meinte aber, dass er rechtzeitig zurück sein wird." Fuka schaute auf die Uhr. „Er wird sich bloß etwas beeilen müssen. Lange können wir nicht mehr warten."

„Es wundert mich, dass er Haru nicht Bescheid gesagt hat." Fuka schloss die Versiegelung seines Taucheranzugs. „Sonst erzählt er ihr doch immer alles."
„Er wird seine Gründe gehabt haben. Zu uns hat er ja auch nur flüchtig etwas gesagt. Ich vermute, es gab irgendeinen Vorfall im Labor oder so etwas in der Art." Er streifte sich seine Uniform über um den Taucheranzug darunter zu verbergen. „Zumindest war er ziemlich in Eile."
„Ja..." Fuka griff hinter sich nach seiner Uniform, erwischte jedoch nur Luft. Shiohi schob sie ihm hin.
„Ach ja, Fuka?" Shiohis Stimme wurde ernst. „Bitte bedenke das nächste Mal, dass Haruka und Manabu zwar keine Kultisten sind, jedoch auch an Watatsumi glauben. Ich weiß, dass du Watatsumisten nicht magst, aber bitte versuche, Rücksicht zu nehmen. Du hast Haruka gerade wirklich verletzt."
Fuka sah schuldbewusst zu Boden. Leise murmelnd knöpfte er seinen Mantel zu. „Tut mir Leid. Ich... werde es versuchen."
Shiohi sah zu ihm herüber. Tut mir Leid, Kumpel. Ich weiß, wie schwer dir das fällt. Aber Haruka und Manabu sind unsere Freunde.
Gerade als Fuka den letzten Knopf seines Mantels geschlossen hatte, erschütterte ein Beben die Yuusei, das Schiff geriet ins Wanken. Fuka verlor das Gleichgewicht, wobei er versuchte, sich an Shiohi festzuhalten, ihn jedoch mit zu Boden riss. Die Tür sprang auf und Haruka stürmte hinein.
„Die Kultisten greifen die Yuusei an! Sie haben Sprengköpfe am Rumpf befestigt, und wir haben nicht genügend Leute, um den Aufstand aufzulösen, geschweige denn um die Sprengsätze zu entschärfen! Ihr müsst-!" Sie sah auf Shiohi und Fuka hinab, die nach wie vor als Knäuel aus Armen und Beinen am Boden lagen. Sie zog eine Augenbraue hoch. „Stör' ich?"
Fuka rappelte sich auf. „Halt's Maul."
Auch Shiohi erhob sich, ruhig schritt er zur Tür. „Entspannt euch. Wir hatten schon schlimmere Gegner." In Panik auszubrechen hilft uns jetzt auch nicht weiter. Langsam, fast schlendernd ging er über das Deck zur Reling.

Am Dock standen hunderte Kultisten, umringt von Uminekos Sicherheitsbeamten, welche jedoch zahlenmäßig weit unterlegen waren. Einige von ihnen waren bereits besiegt zu Boden gegangen, die anderen befanden sich noch in einem Handgemenge mit den Kultisten. Die Situation war außer Kontrolle. Dann fiel Shiohi ein sanftes, rotes Blinken am Schiffsrumpf auf. Die Sprengsätze! Der gesamte Rumpf schien zu leuchten, er war komplett mit Sprengstoff verziert. Das müssen um die 300 Stück sein! Die Yuusei ist war ein Kriegsschiff, aber in einem so schlechten Zustand... Einer so gewaltige Detonation würde sie auf keinen Fall standhalten können..! Er betrachtete die Sprengsätze genauer. Das sind keine Zeitzünder. Also wer hat den Zünder? Instinktiv hielt Shiohi nach dem möglichen Anführer des Aufstandes Ausschau. Da. Sein Blick fiel auf einem Mann im hinteren Bereich des Mobs. Er stand auf einer Art Podest, den Arm hoch erhoben hielt er den Zünder in der Hand, ein Amulett der Watatsumisten glänzte in der Sonne.
„Wir sind die Kinder Watatsumis! Und wir sind die Boten seines Zorns!"
Es war die selbe Stimme, die Shiohi im Schiffsinneren wahrgenommen hatte, es bestand kein Zweifel. Dies war der Anführer.
„Die Sünder werden büßen!" Der Mann hob den Arm noch höher als zuvor, langsam bewegte er den Daumen in Richtung des Auslösers. Die Kultisten jubelten triumphierend. Shiohi griff an seinen Gürtel, musste jedoch feststellen, dass er keinerlei Waffen bei sich trug. Scheiße. Das war's. Wir können nicht einmal evakuieren. Eilig sah er sich nach einem Fluchtweg um. Das Dock kam nicht in Frage, dort würden sie den Kultisten direkt in die Arme laufen, und auch das Meer, dass den Rest der Yuusei umgab war keine Option. Wenige der Besatzung waren für Tauchmissionen ausgebildet, lange würden sie sich nicht über Wasser halten können, zudem herrschte ein hoher Wellengang. Das würde selbst für die erfahrenen Schwimmer zum Verhängnis werden.
„Tod den Heiden!" Die freudige Erwartung der Kultisten stieg.
Denk nach Shiohi, denk nach! Erneut überblickte er das Deck. Hinter ihm schaukelte sich der Ausruf des Anführers zu einem bedrohlichen Singsang hoch.
„Tod den Heiden! Tod den Heiden!"
Plötzlich hielt Shiohi inne. Das Meer war eine Option. Die Rettungsboote! Er warf dem Kultistenanführer einen schnellen Blick zu. Dieser hatte seinen Finger mittlerweile auf den Auslöser gelegt, der Singsang der Menge wurde immer lauter. Nicht mehr lange, und die Sprengsätze würden zünden. Shiohi wirbelte herum.
„Fuka, Haruka! Sagt der Besatzung, sie sollen-!"
„HÖRT AUF!" Eine Laute Stimme unterbrach ihn. Mir einem Mal herrschte Totenstille, die Kultisten waren verstummt und selbst das Rauschen der Wellen war wie ausgelöscht. Vorsichtig wandte er sich wieder dem Dock zu. Dort entdeckte er einen Mann im weißen Laborkittel, der zornig auf den Anführer einredete. Manabu..! Von Manabus Rede eingeschüchtert sprach der Anführer nun zu seinen Leuten, ein Raunen lief durch Menge und machte es Shiohi unmöglich, seine Worte zu verstehen. Die Kultisten schienen verärgert, dennoch begannen sie, die Sprengsätze vom Rumpf zu entfernen und in die Fluten zu werfen.
Auf dem Deck angekommen schien Manabus Rage wie verflogen, freudig ging er auf Shiohi zu. „Shiohi! Es freut mich, dich wohlbehalten zu sehen. Ich hoffe, ich bin nicht zu spät?"
Shiohi schüttelte den Kopf. „Nein, keine Sorge. Noch habe wir fünfzehn Minuten bis zum Ablegen."
Manabu atmete erleichtert aus. „Sehr gut." Er sah sich um. „Wo ist Haruka? Ist sie unter Deck?"
„Ja, sie müsste gerade das Hauptkabel austauschen, also müsstest du sie im Kontrollraum vorfinden können. Wenn nicht, frag' Fuka. Er weiß vielleicht mehr."
„Alles klar." Manabu lächelte. „Danke."
Gedankenverloren starrte Shiohi seinem Freund hinterher. Manabu, du bist echt der Wahnsinn. Du magst noch so schüchtern und zurückhaltend sein... wenn deine Freunde in Gefahr sind, tust du alles, um sie zu schützen, koste es, was es wolle. Ich glaube, wir haben zu danken.

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