Langsam stütze ich meine Kinn auf meiner Hand ab. Eine Haarsträhne fiel mir ins Gesicht und ich strich sie erneut hinter mein Ohr. Warum musste ich auch wieder nach Mitternacht schlafen gehen, ohne wirklich etwas produktives gemacht zu haben? Nun konnte ich im Unterricht kaum meine Augen offenhalten. Ich sollte mich nicht beschweren. Es war schließlich meine Schuld.
Neben mir saß Sara, eine meiner Klassenkameradinnen. Eine von den beliebten. Ich musste lächeln. Ich versuchte nicht einmal mehr, ihr zu gefallen. Hatte es aufgegeben. Meine Klasse saß im Zeichensaal und komischerweise hatte sich Sara direkt neben mich gesetzt. Wir kamen selten ins Gespräch und auch jetzt sprach sie kein einziges Wort mit mir. Sie flirtete stattdessen mit irgendeinen Typen aus der Parallelklasse. Warum machte mich das so wütend? Tief in mir wusste ich es. Ich wollte so sein, wie sie. Ich war doch nur neidisch.
Desinteressiert horchte ich, ob die Lehrerin etwas Wichtiges von sich gab. Sie hielt gerade einen Vortrag über das Bild 'Sternennacht' von Vincent van Gogh. Ich wollte wirklich hören, was sie sagte, da mich Van Gogh und seine Werke ziemlich interessierten. Vor allem dieses. Als sie schließlich erläuterte was die Gedanken des Malers, beim Fertigen des Bildes waren, hörte ich Sara neben mir laut aufkichern. Sie flüsterte dem Jungen, der vor ihr saß weniger leise zu, wie langweilig sie dieses Thema doch fand. Jeder normale Mensch hätte sie jetzt gebeten leise zu sein. Doch nicht ich. Ich war zu feige.
"....und das ist der Grund, weshalb er genau diese Farben gewählt hat! Gut, Sie sind hiermit entlassen."
Mist, ich hatte das Wichtigste verpasst. Egal, ich würde es einfach im Internet nachlesen. Darüber im Klaren, dass ich das niemals tun würde, weil ich einfach der faulste Mensch auf Erden bin, stand ich auf, schob den Sessel an den vollgekritzelten Tisch und setzte mein geübtestes Lächeln auf. Es war nicht so, dass ich niemals ehrlich lächelte, nur heute schaffte ich es nicht. Was vielleicht auch an gestern Abend lag. Nein, nicht daran denken! Einfach verdrängen und den Tag durchstehen.
Kennt ihr diese Freunde, die ihr zwar als solche bezeichnet, aber denen ihr euch nie wirklich ganz öffnet? Genau zwei Freunde dieser Sorte, näherten sich mir und ich versuchte wirklich, mich auf ihre Gesellschaft zu freuen. Es gelang mir nicht. Was war in den letzten Monaten nur mit passiert?
Dennoch schaffte ich es, meine Unsicherheiten für einen Moment beiseite zu schieben und mich darauf zu konzentrieren, eine angenehme, lustige und aufbauende Gesellschaft zu sein. Ich versteckte mich hinter Witzen, Sarkasmus und Aufgedrehtheit. Warum ich das tat hatte ich schon vor langer Zeit vergessen. So fühlt sich falsch sein also an. Bisher hatte noch niemand mein Spiel durchschaut. Manchmal wünschte ich es wäre anders.
Warum konntest du es nicht sehen?
