Kapitel 2 "He's Blue"

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9.30 Uhr. Um diese Uhrzeit beginnt die Pause, und auch wenn der Lehrer noch immer redete, hatte ich mein Frühstück bereits rausgeholt wie die meisten. Meine Sitznachbarn hatten bereits angefangen fröhlich vor sich hin zu schnattern und über Dinge zu reden, von denen ich nichts verstand und mich auch nicht wirklich für interessierte. Auf mich wirkten sie alle wie Farbenstrudel, in dieser sonst so grauen und langweiligen Welt. Ich beneidete sie alle um ihre leichten und freien Gemüter.
9.35 Uhr. Der Lehrer verabschiedete sich, und verließ den Raum.Noch 15 Minuten Pause.
Am Stift kauend holte ich meinen Block zum Zeichnen heraus und überlegte was ich zeichnen wollte. Ich bemerkte kaum wie der Mathelehrer den Raum betrat und den Unterricht begann. Wie so oft blendete ich meine Umgebung einfach aus und konzentrierte mich ganz aufs Zeichnen. Erst zum Ende der Stunde hin erwachte ich aus meiner Trance,blickte umher.
11.30 Uhr,das Ende der vierten Stunde. Ich hob den Blick und betrachtete mein vollendetes Werk. Grau. Es war schon wieder nur eine Bleistiftzeichnung, und daher eben nur grau. Mutter sagte immer dass Zeichnen eine Verschwendung wäre, und dass meiner Kunst immer das "gewisse Etwas" fehlte. Nachdenklich betrachtete ich das Bild und legte den Stift zur Seite, lehnte mich zurück. Gedanklich war ich schon in dem Treffen heute Nachmittag,der einzige Lichtblick in jeder Woche.
Das Tanzen gab mir etwas was mir sonst nichts geben konnte, die Musik ging mir immer unter die Haut. Dort war ich unter "meinesgleichen" und wurde auch so akzeptiert wie ich nunmal war. Mit allem drum und dran, alles was dazu gehörte.
Die Zeit bis zur sechsten Stunde verstrich schleppend und es kam mir vor als würde sie in Zeitlupe laufen. Als es endlich klingelte, hatten alle bereits zusammengepackt und nur ich blieb als eine der letzten zurück. Missmutig rammte ich meinen Block in meine Tasche und stopfte die Federmappe rein, biss mir auf die Lippe.
"Alba wie geht es ihnen?"
Die Lehrerin war auf mich zugekommen und textete mich zu. Ich hörte nur halb zu, und hoffte dass der Smalltalk talk bald vorbei war. Smalltalk war nun wirklich nicht etwas, was zu meinen Stärken zählte, es ermüdete mich eher.
"Vielen Dank Frau Berger. Ich werde es meiner Mutter ausrichten." Was genau hatte sie gesagt was ich meiner Mutter sagen sollte? Es war schon etwas seltsam dass die beiden sich so gut kannten, waren sogar beide auf einer Schule gewesen als sie jünger gewesen waren. Seit sie wusste wer meine Mutter war und was für eine Krankheit ich hatte, kümmerte sie sich schon fast penetrant um mich. Ermüdend.
"Gut dann komm sicher nach Hause!" Ich nickte und zwang meine Gesichtsmuskeln sich zu heben um nicht unhöflich zu wirken. Zusammen verließen wir den Klassenraum, und ich ging mit zügigen Schritten zum Ausgang.
13.25 Uhr. Den Zug würde ich wohl nicht mehr bekommen.
Ich kam erst gegen 14.30 Uhr in Düsseldorf an und war froh als meine Freunde mich begrüßten.
"Alby da bist du ja!"
"Wie war die Schule? Bei mir war es super nervig.."
Fragen und haufenweise Umarmungen strömten auf mich ein, und erst jetzt konnte ich aufatmen. Ich umarmte meine beste Freundin Nina fest und fühlte wie mein Herz augenblicklich etwas leichter wurde.
"Die Schule war.. Ganz in Ordnung. Alle sind normal."
Nina's Lächeln gefror.
"Oh Oh. Das hört sich aber nicht nach " normal " an. Erzähl uns alles." Darcy und Jasmin nickten zustimmend. Ich schüttelte seufzend den Kopf. "Das ist doch alles - vollkommen egal." Ich biss mir auf die lippen und Wand mich aus Nina's Umarmung.
"Lass uns einfach zum Treffen gehen. Ich will nur meine Ruhe und tanzen.."
Schweigend gingen wir zum Platz am Teeladen, an dem wir uns immer trafen. Die Musik lief bereits, schon von weitem war sie zu hören. Und ich konnte praktisch schon den Rhythmus der tanzenden Leute fühlen.
Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, etwas das nur selten passierte. Gefühle waren generell eine seltsame Angelegenheit für mich, ich hatte als ich jünger war Gefühle "ausprobiert" wie Kleider, hatte mir Situationen aufgezwungen in denen ich Gefühle spürte, die ich nicht verstand aber dennoch wollte. Schnell hatte ich diesen "Wahnsinn" abgelegt, weil er meine ohnehin großen Ängste nicht zu fördern schien. Anders als andere Kinder meines Alters hatte ich nämlich eine eigenartige Art mit Dingen umzugehen, vor denen ich Angst hatte.
Und Angst hatte ich, seit ich denken konnte und zwar vor so gut wie allem. Unsere Familienstruktur trug auch nicht sonderlich dazu bei, doch was machte das schon. Eine Panikattacke hier, ein Nervenzusammenbruch da. Ich war sehr froh in der 7. Klasse Nina kenne gelernt zu haben, denn sie hatte mich aus meiner verschlossenen und langweilig grauen Welt geholt und mich in ihre bunte gezogen. Gewissermaßen hatte sie mich meinen Standards entgegen zum "schlechten" gewandelt,doch inzwischen konnte ich sagen dass ich über nichts anderes so dankbar war.
Wir sind alle eine Familie, hatte sie einmal gesagt. Eine große Gemeinde von "Außenseitern" die ihre Andersartigkeit schätzten und sogar zur Schau stellten um der sonst so harten Realität zu entfliehen.
Dieser Welt war ich nur allzu gerne beigetreten, wie Insekten die zum Licht der Straßen Laternen flogen.
"Alby ist das nicht dein Lieblings Song?" hörte ich Nina fragen und tatsächlich hörte ich die leisen Klänge von 2!3!.
Dieses Lied war wahrlich ein Mutmacher egal wie oft ich ihn hörte. Da mein Vater oft in Asien unterwegs war hatte ich früh koreanisch, japanisch und chinesisch gelernt.
Deshalb war es für mich als ich in die Welt des Kpops eintaucht ein leichtes gewesen die Songs von BTS, EXO oder auch von MONSTAX zu verstehen.

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